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Bombenangriffe auf den Kasseler Osten
- Autor: Falk Urlen
- Zeit: 1940
- Ort: Kasseler Osten
- Vom: 01.09.2016
- Themen: Zweiter Weltkrieg, Künstler, Chronisten und Biografen
Wenn man von Bombenangriffen auf Kassel spricht, reduzieren sich die Aussagen oft nur auf den 22./23. Oktober 1943 und da nur auf die Innenstadt. Der Kasseler Osten mit seinen Industrien und Flugzeugwerken war aber nicht weniger Opfer dieser Angriffe. In diesem Beitrag sollen die Erkenntnisse über den Bombenkrieg in Kassel auf den Osten der Stadt fokusiert werden. Es werden die Daten der Bombardierungen und deren Folgen zusammengestellt. Es folgen ein Überblick über die Alarmierung der Bevölkerung und schließlich Aussagen von Zeitzeugen.
Weil Deutschland 1939 in Polen einmarschierte, erklärten Frankreich und England Deutschland als Verbündete Polens den Krieg, den Deutschland durch den Einmarsch nach Belgien am 08./09. Mai 1940 mit einer Bombardierung holländischer (Rotterdam, Den Haag) und englischer Ziele (London) begann.
Bombenangriffe
Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten und so fielen im Kasseler Gebiet in der Nacht vom 21./22. Juni 1940 die ersten Bomben auf Salzmannshausen, in der Nacht vom 22./23 Juli 1940 die ersten Bomben auf den Flughafen in Waldau und schon 2 Tage später war die Spinnfaser (oben) das Ziel.
Die nebenstehende Abbildung aus der HNA zeigt einen Ausschnitt aus einer Karte mit den 12 wichtigsten Bombenzielen in Kassel. Im Kasseler Osten lagen 6 davon:
- · 5 Salzmann
- · 6 Fieseler Werk 1
- · 7 Junkers
- · 8 Spinnfaser
- · 9 Fieseler Lohfelden
- · 10 Fieseler Flugplatz
Erst 1942 schlugen wieder in der Nacht vom 27./28. August in der Unterneustadt bei den Bootshäusern und der Badeanstalt Bomben ein.
Eine Folge der Bombenangriffe war auch die Zerstörung der Edertalsperre am 17. Mai 1943, die im Kasseler Osten große Schäden anrichtete. Dabei wurde die Drahtbrücke stark in Mitleidenschaft gezogen.
Am 28. Juli 1943 griffen am Tag die Amerikaner mit 100 Flugzeugen Junkers, Fieseler und die Spinnfaser an. Die meisten Bomben aber verfehlten ihr Ziel und fielen auf die Wiesen am Wahlebach, wo die späteren Gartenbesitzer ihre Gartenhütten nur ohne Fundamente bauen durften, bis die Wiesen Anfang des 21. Jahrhunderts überprüft waren und freigegeben wurden.
Getroffen wurden bei diesem Angriff auch die Fieseler– Erlenfeld- und Eichwaldsiedlung, wo 43 Menschen ums Leben kamen. Das Bild zeigt ein zerstörtes Haus in der heutigen Singerstr. das von Zwangsarbeitern notdürftig repariert wurde. Am 30. Juli 1943 wiederholten die Flugzeuge diesen Angriff, wobei 157 Menschen starben.
Auch am 03. Oktober 1943 gab es einen Angriff, bei dem die Gebäude der Eichwaldschule in Bettenhausen leichte Blessuren erhielt. Das Haus Leipziger 140 wude mitsamt der Schuhwerkstatt Wills total zerstört, als eine Bombe in die Einfahrt der benachbarten Eisen- und Metallgroßhandlung Röttger & Co. in der Leipziger Str. 144 fiel. Zerstört wurde auch die Gaststätte Insel Helgoland im Ortskern von Bettenhausen.
Dieser erste Versuch, Kassel mit 540 britischen Bombern auszulöschen, misslang. Sie verfehlten die Innenstadt, richteten aber im Osten Kassels große Schäden an, 116 Menschen starben und 300 wurden verletzt.
Am 22./23. Oktober 1943 gelang es den Engländern beim zweiten Versuch, Kassel mit 540 Maschinen auszulöschen, wobei auch hier der Osten besonders die Unterneustadt stark in Mitleidenschaft gezogen wurde. Im Blücherviertel wurden 43 der 47 Häuser zerstört. Die Gaststätte „Insel Helgoland“ in Bettenhausen wurde dabei völlig zerstört, die Betreiber kamen ums Leben. Eine Zeitzeugin berichtete, dass sie am nächsten Tag zur Arbeit in der Innenstadt gehen wollte, aber das nicht möglich war, weil die Häuser rechts und links der Leipziger Str. brannten und die Straßenbahnschienen hoch standen. Die Sigurd-Werke in Bettenhausen wurden stark zerstört, Produktion und Versand aber liefen eingeschränkt weiter.
Die Fieseler-Werke waren u. a. das Ziel am 19. April 1944. 80 Bomber waren im Einsatz, wobei auch Wohngebiete in Bettenhausen intensiv in Mitleidenschaft gezogen wurden. Die Produktion bei der Spinnfaser kam dann 4 Monate zum Erliegen.
Sprengbomben trafen am 18. Oktober 1944 viele Stadtteile Kassels, so auch Bettenhausen.
Der Unterneustädter Kirchplatz, Bettenhausen, Sandershausen waren unter anderen Ziele von Sprengbomben am 04.12.1944.
Am 15. Dezember 1944 waren u. a. Bettenhausen und das Forstfeld Ziele eines einstündigen Angriffs.
Wegen Stromausfalls konnte die Bevölkerung am 30. Dezember 1944 nicht gewarnt werden. Hier fiel auch der Bahnhof von Bettenhausen den Bomben zum Opfer. Straßenbahnen fuhren nicht mehr, alle Straßen waren blockiert, der Eisenbahnverkehr war eingeschränkt.
Am 1. Januar 1945 griffen schon wieder bis zu 800 Flugzeuge Kassel an. Jetzt wurden Bomben mit Zeitzündern eingesetzt, die frühestens nach 2 Stunden und bis 2 Tage danach explodierten. Auch hier war wieder der Kasseler Osten betroffen. Das wiederholte sich am 21. Januar mit Leucht-, Spreng– und Zeitzünderbomben.
300 Bomber flogen am 28. Februar 1945 (13.46 bis 15.39 Uhr) in 20 Wellen Angriffe. 1200 Minen und Sprengbomben sowie 100 000 Stabbrandbomben wurden abgeworfen. Verschont wurde nur der Norden. Es kam zu großen Bränden bis weit in den nächsten Tag. 35 Menschen kamen ums Leben. Frau Schütte erzählte, wie sie eine solche Bombe vom Boden in den Garten warf und danach hier vergrub.
Am 19. März 1945 wurden Wohnhäuser in Bettenhausen getroffen. Zwischen 2.36 und 4.52 Uhr am 21. März 1945 trafen Spreng- und Brandbomben u. a. Bettenhausen.
Das waren die letzten Bomben die über Kassel abgeworfen wurden. Am 1. April 1945, Ostersonntag, heulten morgens um 3.20 Uhr die Sirenen fünf Minuten lang. Von Westen rückten amerikanische Truppen nach Kassel ein.
Die Angaben stammen aus den Protokollen des Luftschutzwarnkommandos Kassel, die Werner Dettmar für die HNA akribisch zusammengestellt hat. Weitere Hinweise wurde den Veröffentlichungen der „erinnerungen-im-netz.de“ entnommen.
Luftschutz
Auf hohen Dächern waren Luftschutzsirenen montiert, die während des Krieges nicht mehr für Feuermeldungen eingesetzt werden durften, um die Bevölkerung zu schonen.
Zuerst wurde der Alarmton als Zwei-Minuten-Heulton erzeugt, der im späteren Verlauf dann auf eine Minute reduziert wurde. Schon nach den ersten Alarmen nach dem begonnenen Krieg ergab, daß die 2 Minuten als zu lang empfunden wurden. Das 2-minutenlange Anhalten des Heulen der Sirene machte die Leute wahnsinnig nervös, aufgeregt und eine Hysterie verbreitete sich. Das Reichsluftfahrtministerium ordnete deswegen an, dass die Alarmzeit auf 1 Minute begrenzt wird. Dem zuvor setzte man dann die so genannte Fliegerwarnung ein: drei Mal Dauerton von je zwölf Sekunden.
Gegen Ende des Krieges wurde in Deutschland das Signal „akute Luftgefahr“ neu eingeführt, wenn eine unmittelbare Bedrohung des alarmierten Luftschutzortes vorhanden war: „Es besteht aus einem kurzen Alarmstoß, bestehend aus zwei Heulperioden der Sirenen von einer Gesamtdauer von acht Sekunden. Die Beendigung der „akuten Luftgefahr“ wird mit dem Signal „Vorentwarnung“ (dreimal wiederholter hoher Dauerton) angezeigt. Endgültige Entwarnung erfolgt durch das bisherige Entwarnungssignal (eine Minute langer hoher Dauerton).“
Als Kind hat der Verfasser einige Jahre dieser Sirenenalarme als angsterregend und erdrückend erlebt, heute würden wir sagen, dass diese Töne die Menschen traumatisierte, denn noch 40 Jahre nach Ende des Kriege bekam er bei den damals üblichen Probealarmen immer noch Angst und er ist froh, dass es diese nicht mehr gibt.
Im Januar 1944 wurde eine Rundfunk-Sendeanlage installiert, die während der Warnzeiten die Position der angreifenden Flugzeuge für den Gau Kurhessen bekannt gab. Sie konnte mit den gängigen Radios abgehört werden. Die Menschen erhielten Karten mit Planquadraten, in die sie die Position der Flugzeuge eintragen konnten, um sich über die vermutlichen Ziele zu informieren.
Bunker im Kasseler Osten
Bei der Tischlerei Schaumann in der Forstfeldstraße gab es einen kleinen Bunker, den die Menschen, die hier wohnten, nutzten (Manfred Sabel).
Leipziger Straße, kurz nach dem Leipziger Platz: öffentlicher Wohnbunker 930 Plätze
Hafenstraße gegenüber der JVA: öffentlicher Wohnbunker 630 Plätze,
Agathofstraße: öffentlicher Wohnbunker 280 Plätze,
Auf dem Lindenberg privater Stollen durch herausgehobene Tonerde.
Im Eschenweg 13 wurde von der damaligen Siedlerfamilie Becker ein massiver Luftschutzbunker hinter dem Haus gebaut, den man auch heute noch bei Sfr. (Siedlerfreund) Faupel sehen kann.
Fieseler-Siedlung: Zwangsarbeiter hoben zwischen einigen Siedlerhäusern die Erde aus, um hier kleine Bunker zu bauen, die für wenige Menschen geeignet waren. Auch in Waldau enstehen diese privaten Bunker. Diese Bunker gibt es z. T. noch heute, die meisten sind zugeschüttet. Nach dem Krieg wollten die Amerikaner diese sprengen, wenn die Bewohner diese nicht selber abbauten, was dann geschah.
Unter meiner Garage befindet sich ein solcher, von dem die Decke von außen abgeschlagen worden war und der dann mit Erde aufgefüllt wurde. In der Einfahrt müssen aber die Pflastersteine ab und zu wieder höher gezogen werden, da die Erde durch die inzwischen verrosteten Türen absackt.
Unter dem gesamten Schröderplatz befand sich ein größerer Bunker.
Eichwald: zwei Erdstollen geplante 400 Schutzplätze (Link)
Zeitzeugen berichten
Chronik der Siedlergemeinschaft Forstfeld: "Dann kamen feindliche Flieger-Angriffe. Die ersten Bomben fielen. In den Waschküchen, Kellern und unter den Treppen erhoffte man Schutz dagegen. Der sogenannte "Luftschutz" regierte. Der Ton der Luftschutzsirenen war schauderhaft. Wie im Ameisenhaufen liefen beim Alarm Männer, Frauen und Kinder, bepackt mit den wertvollsten Notwendigkeiten, in den verdunkelten Straßen umher. Einer rannte gegen den anderen und einer suchte den anderen. "Licht aus" rief eine starke Stimme und gar oft zitterte der Boden, wenn wieder eine Bombe ihr schicksalhaftes Ziel erreichte. Dann wurden kleine Betonbunker gebaut. Manche Familie verließ unsere Gefahrenzone I und zog in kleine abgelegene Dörfer oder sie brachten ihre Habseligkeiten dahin. Die großen Luftangriffe auf Kassel krönten dann das Werk der Vernichtung. Schonungslos wurde der Krieg gegen die wehrlose Bevölkerung geführt. Es war eine schreckliche Zeit. Die Friedhöfe waren zu klein und ganze Familien wurden ausgerottet. Ganz Kassel blutete und auch unsere Siedlung blieb nicht davon verschont."
Siedlergemeinschaft Bunte Berna: Im Februar 1944 begann man die Luftschutzstollen im Eichwald zu bauen. Bis zu dieser Zeit begab sich die Familie Hölscher entweder in den hauseigenen Keller in der Ziegenhagener Str. 9 oder aber unter die alte Autobahnbrücke nach Heiligenrode, unter der zu dieser Zeit ein städtischer Bus stand. Der Busfahrer Josef Diehl stellte das Fahrzeug unter die Brücke, um den Eichwäldern einen Luftschutz zu bieten. An der Autobahn am Eichwald führte eine kleine niedrige Brücke über einen Nebenarm der Losse. Auch dort suchten die Familie Hölscher und viele andere Schutz vor den tödlichen Bomben der Amerikaner und Engländer.
Ursula Henkel: Im Frühjahr 1943 hatten wir zwei Tagesangriffe auf Fieseler und Junkers. Beim ersten Angriff saßen wir im Keller, als eine Bombe auf unser Haus fiel. Zuerst ging das Licht aus und wir stellten fest, dass wir verschüttet waren. Lange mussten wir in Schutt und Staub warten, bis wir freigeschaufelt wurden. Im Nebenraum fand man dann zwei Tote, das wurde uns aber nicht gleich gesagt. Wir liefen dann sofort in ein Fabrikationsgebäude und erhielten erst einmal Wasser. Die Büros aber waren so zerstört, dass diese in die Stadt in das Haus des jetzigen Drogeriemarktes Müller, damals Voepel, ausgelagert wurden. Andere Abteilungen waren im Woolworth, Kaufhof usw. untergebracht. Natürlich hatten wir fast jeden Tag Alarm und liefen dann bis zum Weinberg in die Felsen-Bunker. Am 22. 10 1943 wurde dann unsere Stadt vernichtet. Ich wollte am anderen Morgen zur Arbeit ins „Haus Voepel“, aber ich kam nicht weit. Die Häuser brannten rechts und links in der Leipziger Straße, die Straßenbahnschienen standen hoch. Ich traf noch einen Kollegen und wir beschlossen, wieder nach Hause zu gehen.
Kurt Plettenberg: "Das sollte sich nach kurzer Zeit jedoch ändern! Es dauerte nicht lange und über uns brach ein Inferno herein. Es krachte rings um uns herum. Die Wände fingen an zu zittern und der Boden fing an zu beben. Die Angst stand uns ins Gesicht geschrieben. Wir waren froh, nach Ende des Angriffs, heil davon gekommen zu sein. Was wir draußen vorfanden war allerdings fürchterlich! Sprengbomben hatten Teile des Verwaltungsgebäudes zerstört. Die Weberei und benachbarte Bereiche brannten. In Unkenntnis der Geschehnisse außerhalb des Werkes, wurde ich als Melder beauftragt, zum nahe gelegenen Polizeirevier 6 zu laufen, um von dort die Feuerwehr zu alarmieren, denn das Telefonnetz war zusammen gebrochen. Das Polizeirevier befand sich in der Nähe des heutigen Platz der Deutschen Einheit.
Was ich auf dem Weg dorthin sah, ist nur schwer zu beschreiben. Die Sandershäuser Str. brannte, ausgelöst durch abgeworfene Brand- und Phosphorbomben. Die Buntpapierfabrik Bär stand in hellen Flammen. Gegenüber am Giebel eines zerstörten Hauses hing ein Bomberpilot an seinem Fallschirm und verbrannte bei lebendigem Leib. Seine fürchterlichen Schreie verfolgten mich auf meinem Weg. Am nächsten Morgen lag sein verkohlter Torso neben den Gleisen der Industriebahn. Ich kam nur bis zur Leipziger Straße. Hier schlugen die Flammen, in der damals recht schmalen Straße, von einer Straßenseite zur anderen. Mein Weg zum Polizeirevier war versperrt und an einen Feuerwehreinsatz war sowieso nicht zu denken."
Karl Wills (Jg.1932): Wir wohnten seit 1933 in Bettenhausen, Leizpigerstr. 140, wo mein Vater eine Schuhmacherei betrieb. Im Nachbarhaus Nr. 138/Ecke Pfaffenstieg (heute sog. Porschestr.) befanden sich der Schmied Hans Rohden, der Kohlenhändler Wilhelm Dörr und das Uhrenfachgeschäft Schönsteiner. Es war der Morgen nach dem schicksalhaften 3. Oktober 1943, als wir uns wieder auf der Eisenbahnbrücke am Ende des Pfaffenstiegs wiederfanden um uns die Zerstörungen des Bombenangriffs der letzten Nacht anzuschauen. Ich selbst habe mit meinen beiden jüngeren Schwestern und meiner Mutten den Angriff im Hochbunker am jetzigen Leipziger Platz (führer hatte der Platz keinen Namen) verbracht. Die Eisenbahnbrücke war schon gut besetzt und ein schrecklicher Geruch kam uns beim Höhersteigen entgegen. Kein Wunder, man sah sehr viel Rauch und auch noch brennende Gebäude. Mehrere Erwachsene deuteten mit den Armen in verschiedene Richtungen, es fielen Namen wie Spinnfaser, Salzmann, Schüle-Hohenlohe und Fahrrad Sigurd. Das Haus Leipziger Str. 141, in dem wir wohnten, wurde nicht erwähnt, es brannte und qualmte ja nicht, das erste, zweite und dritte Stockwerk waren eingestürzt, nachdem eine Sprengbombe ca. 8 m neben dem Haus in die Toreinfahrt von Schrott-Röttger fiel. Es war ein fürchterlicher Anblick und einsturzgefährdet - aber alle Hausbewohner überlebten. Mein Vater war als Sanitäter im Russlandfeldzug und gekam 3 Tage Sonderurlaub. Wir verluden die noch brauchbaren Reste aus der Schuhmacherei und der Wohnung auf den Kohlen-Lastwagen der Firma Dörr und fuhren das ganze Hab und Gut zu meinen Großeltern nach Bischhausen bei Eschwege, wo wir die nächsten 7 Jahre, bis 1950, verbrachten.
Das Eigentum an dem Haus neben uns in der Leipziger Straße 134 (Elbelt-Eisenwaren) war bereits 1928 an die Sigurd GmbH übergegangen. Der Luftangriff auf das Industriegebiet von Kassel-Bettenhausen erfolgte am Sonntag den 1.10.1943, abends zwischen 22 und 23 Uhr. Dabei wurde auch das Haus Leipziger Straße 134 von mehreren Brandbomben getroffen und in den oberen Geschossen zerstört. Die Post musste in die Schule an der Eichwaldstraße 68 umziehen.
Vonjahr: Für den achtjährigen Jungen war die Tatsache beim Angriff 1940 auf Salzmannshausen am schrecklichsten, dass der Käfig seines Kanarienvogels Hansi auf der Erde lag und der Vogel nicht zu sehen war. Die ersten Bomben in Kassel hatten ausgerechnet ihr Haus getroffen!
Helmut Schagrün: Bei den Bombenangriffen im Dezember 1944 wurde das Schiff der Marienkirche in Bettenhausen zerstört und es fiel auch die Dorfschänke neben der Klempnerei Siewert in Schutt und Asche. Auf dem Trümmergrundstück stand bis zur Einweihung der wiederaufgebauten Marienkirche im Jahr 1954 die Notkirche, ein Holzbau der evangelischen Gemeinde.
Günther Spitzer: Durch einen Bombentreffer im Umbachsweg wurde unser Haus abgedeckt.
Dieter Schössler: Bei Alarm holte Herr Peter die gehbehinderte Frau Göbel und trug sie "huckepack" in den Bunker.
Hans Karl Jacob lag Anfang 1945 als Verwundeter im Kriegslazarett am Lindenberg. Er berichtet, dass er sich trotz seiner Verwundung sofort nach einem weiteren Luftangriff in das Siedlungsgebiet begeben hat. Aus dem Eckhaus Kastanienweg / Eisenhammerstraße rief Frau Pieczonka um Hilfe, weil der Dachstuhl nach einem Brandbombentreffer brannte. Den Brand konnte er mit den damals zur Verfügung stehenden Mitteln löschen, sodass das Haus gerettet wurde. Er erinnert sich auch heute noch, dass Sohn Walter seinerzeit zur Kinderlandverschickung weg war.
Christian Balke, Blücherstr.: „Wir durften 1945 wieder nach Kassel in das teilzerstörte Haus Blücherstraße 24 zurück. Eine Bombe , die das Nachbarhaus Nr. 26 traf, hatte das Dach der Nr. 24 teilweise abgedeckt. Da das Haus eine Zeit lang unbewohnbar war, hatten Leute, die ihre Dächer reparieren mussten, sich bedient. Trotzdem das Haus wurde von unserer Familie und anderen bezogen. Die neue Dachverschalung bestand aus Fußbodenbrettern des Nachbarhauses, denn neue Ziegel gab es nicht. In den 50er Jahren begann der Wiederaufbau. Einige der ausgebrannten Häuser in unserer Straße mussten abgerissen werden da ein Wiederaufbau der Ruinen nicht sinnvoll war.“
Friedrich Marquardt (Erlenfeldsiedlung): Der Krieg forderte Opfer an Menschen, Hab und Gut. 42 Siedler und Jungsiedler sind gefallen oder vermisst, 2 Kinder fielen den Bomben zum Opfer, 19 Siedlerstellen waren total vernichtet, viele andere mehr oder weniger beschädigt. 1945 begann aus schwierigsten Verhältnissen heraus auch in unserer Siedlung der Wiederaufbau, zum größten Teil im Wege der Selbsthilfe, unter großen persönlichen und finanziellen Opfern. Das letzte zerstörte Haus wurde 1957 wieder aufgebaut.
Weitere Fotos zu diesem Thema finden sie unter "Bilder zu Bombenangriffen im Kasseler Osten".
Editor: Falk Urlen, September 2016
Quellen:
- Werner Dettmar: Bomben auf Kassel: eine Chronologie, HNA v. 26.10.2003
- Rolf Nagel, Thorsten Bauer: Kassel und die Luftfahrtindustrie seit 1923; Melsungen 2015, ISBN-Nr: 978-3-87064-147-4
Bilder:
- HNA, Rolf Nagel,
- Falk Urlen, Internet
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Kurzbeschreibung
Wenn man von Bombenangriffen auf Kassel spricht, reduzieren sich die Aussagen oft nur auf den 22./23. Oktober 1943 und da nur auf die Innenstadt. Der Kasseler Osten mit seinen Industrien und Flugzeugwerken war aber nicht weniger Opfer dieser Angriffe. In diesem Beitrag sollen die Erkenntnisse über den Bombenkrieg in Kassel auf den Osten der Stadt fokusiert werden. Es werden die Daten der Bombardierungen und deren Folgen zusammengestellt. Es folgen ein Überblick über die Alarmierung der Bevölkerung und schließlich Aussagen von Zeitzeugen.
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