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Geschichte der Haferkakaofabrik / Schüle-Hohenlohe
- Autor: Geschichtskreis "Bettenhausen früher und heute"
- Zeit: 1954
- Ort: Haferkakaofabrik/Schüle-Hohenlohe
- Vom: 28.01.2010
- Themen: Firmen- und Industriegeschichte, Industrie und Gewerbe
Der Haferkakao, eine Erfindung des Jean Berlit, stand am Anfang einer erfolgreichen Firmengeschichte. Aus der Konditorei von A. Hausen in der Kasseler Innenstadt entstand 1898 die "Kasseler Haferkakaofabrik Hausen & Co, AG" in Bettenhausen an der Sandershäuser Str. 79. Nach vielen produktiven Jahren musste in 1954 die Firma liquidiert werden.
Die „Fabrik des Casseler Hafer-Cacaos “wurde 1892 von dem Kaufmann Walter Alexander Hausen gegründet. Als Firmensitz war zunächst sein damaliges Haus in der Orleansstraße 26 (heute Erzbergerstraße), vier Jahre später dann die Obere Carlstraße 24. Mit der Umbenennung zur Casseler Hafer -Cacao Fabrik Hausen & Comp. wurde die Fabrik in die Spohrstraße 2 verlegt .Dort hatten auch der General-Agent Sigismund Rahmer und der Kaufmann Georg Krüger ihren Geschäfts und Wohnsitz. Diese Häuser, alle im Zentrum der Stadt Kassel gelegen, wurden ausnahmslos im 2.Weltkrieg zerstört.
Die Firma bezog ihren Namen über das damals hergestellte Nahrungsmittel, den Hafer-Kakao. Dieses Getränk war eine Erfindung von Jean Berlit. J .Berlit wurde 1848 in Kassel geboren. Er war eine berühmte Persönlichkeit seiner Zeit, dem die Stadt Kassel vor allem im sozialen und politischen Bereich viel zu verdanken hat. Als Kaufmann besaß er von 1877 - 1897 ein Kolonialwaren und ein Delikatessengeschäft. Das besondere an seinem Getränk war zum einen die Verrpackung. Gegenüber herkömmlichen löslichen Kakaoprodukten wurden Würfel gepresst, die in etwa 1 ½ Tassen entsprachen. Diese waren in Stanniol eingeschlagen und zu je 27 Stück in einem blauen Karton verpackt. Zum anderen die Einzigartigkeit in dem Produkt selbst. Dem Kakao, Hafer unterzumischen, ließ diesen nahrhafter werden. Es gab Ärzte die bescheinigten darüber hinaus eine gesundheitsfördernde Wirkung.
Aus dem Jahr 1896 ist bekannt, dass die Fabrik in den Besitz der beiden Kaufleute S. Rahmer und G Krüger gelangte. Diese führten die Geschäfte in der Spohrstraße weiter und planten eine Vergrößerung durch einen Neubau in der Sandershäuser-Landstraße in Bettenhausen.
Am 31.10.1898 wurde der Betrieb der „Hafercacao-Fabrik“ in der Sandershäuser-Landstraße 134 in Bettenhausen eröffnet. Als Aktiengesellschaft hieß sie ein Jahr später „Kasseler Hafer-Kakaofabrik Hausen &Co. AG". Das ursprüngliche Feld- und Wiesengelände westlich der Losse war im Urkataster 1884 noch entsprechend der vorgefundenen Topographie aufgeteilt und unbebaut gewesen.
Die Katasterkarte aus dem Jahr 1899 zeigte eine neue orthogonale Aufteilung der Grundstücke, aufgrund deren sich eine 4-Teilung des Geländes ergab. Auf dem schmalen östlichen Grund, direkt an der Losse ,waren 5 Gebäude entstanden. Die Ordnung der Gebäude zueinander zeigte zum einem die bewusste Schaffung eines Innenhofes, was auf eine geplante Bebauung hinweist. Zum anderen lässt der Abstand der Gebäude zueinander und zu den Grundstückgrenzen von ca. 6 m auf bereits bestehendendes Baurecht schließen. Die beiden Gebäude parallel zur Sandershäuser Straße waren baugleiche repräsentative Bauten und schlossen die Gesamtanlage zur Straße hin ab. Sie waren zweigeschossig mit Mansardendach. Ein Zwischenbau mit mittig angelegter Toreinfahrt verband sie miteinander. Durch diese gelangte man in den Innenhof, auch die Eisenbahnschinen wurden kurze Zeit später hier hindurch verlegt. Im Adressverzeichnis von 1903 wurde u.a. ein Chemiker Dr. Wattenberg und Direktor Lauber benannt.
Um die Produkte der Firma bekannt zu machen, wurde seit 1900 mit Werbung gearbeitet. Diese bezog sich überwiegend auf den Hafer-Kakao und wurde in Zeitungen mit landesweiter Erscheinung veröffentlicht.
Auch mit dem Verlegen von „Hausens Sammelmappe für Naturwissenschaftlicher Bilder“ versuchte man die Umsätze zu steigern. Inhaltlich wurde überwiegend auf den guten Geschmack, aber auch auf die Nahrhaftigkeit hingewiesen. Adressat waren neben Kindern und Sportlern auch die geistig hart arbeitende Bevölkerung. Aber auch die Heimatverbundenheit der Kasseler wendete man an. Ärzte und Professoren bescheinigtem dem Produkt darüber hinaus auch eine heilende Wirkung. Es soll sogar eine Heilung von Unterleibstyphus aufgrund der Verabreichung von Hafer-Kakao gegeben haben. Verkauft wurde der Hafer-Kakao sowohl in Deutschland als auch in Österreich-Ungarn und in der Schweiz. Weitere Produkte der Fabrik waren 1902 die Hafer-Schokolade, Speise-Schokolade, entölter Kakao. Haushalts-Schokolade und Haushalts-Kakao.
Ein Brief vom14.05.1902 an das Bürgermeisteramt Bettenhausen verriet, das auch Kinder unter 14 Jahren im Betrieb beschäftigt waren. Sie schlugen die Haferkakaowürfel in Stanniol ein. Die Gemeinschaftsverwaltung der Casseler Hafekakao-Fabrik Hausen und Co. mit der Hohen-Loheschen Nährmittelfabrik AG in Kassel bestand seit 1903 .In der Generalversammlung vom 29.01.1916 wurde die Verschmelzung der beiden Unternehmen beantragt. Zweck war die Vergrößerung des Unternehmens in Kassel mit Produktionsstätten der Firma Hohenlohe.
Am 23.05.1918 wurde ein Antrag des Architekten Hölk für das alte Mühlengebäude geprüft. Es betraf einen Anbau mit elektrischer Luftanlage und Staubkammer.
Am 27.05.1916 gab es eine weitere Stellungsnahme der städtischen Baupolizei zu einer neu geplanten Fabrik für Dörrgemüse. Ein weiteres „Hafersuppengebäude" mit mehreren Geschossen stand im November 1916 in der Sandershäuser-Straße zum Bau.
Die Kasseler Hafer-Kakao-Fabrik Hausen & Co. AG änderte ihre Gesellschaftsform am 26.02.1917 auf eine GmbH .Es galten fortan Direktor Carl Lauber und Benno Claus, Major a.D. Christian Schrak und Adolf Stielen als Führungsmitglieder.
Am 05.11.1923 erschienen erstmals auch die J.F. Schüle. Eine Eierteigwarenfabrik aus Plüdershausen in Württemberg auf dem Briefkopf der Firma. Schon im Jahr 1922 arbeite sie in einer Verkaufsgemeinschaft mit der Hohenloheschen Nährmittelfabrik in Kassel zusammen. Zur einer Verschmelzung kam es dann 1923. Die Firma Jakob Friedrich Schüle begann 1854 mit einer Bäckerei.1863 wurde eine kleine Teigmaschine angeschafft, womit der Grundstein für die 1. Teigwarenfabrik gesetzt war. Sie wurde mit 700 Arbeitern zu der größten Teigwarenfabrik in Deutschland.
Nach dem Ersten Weltkrieg gab es im Ein- und Verkauf Schwierigkeiten, so dass eine Verschmelzung des Unternehmens mit Hohenlohe beschlossen wurde Die Verbindung der Firmen wirkte sich auf die Entwicklung des Unternehmens trotz Inflation bis 1929 sehr positiv aus. Es gab jetzt eine erweiterte Produktionspalette des Unternehmens mit Sitz in Kassel-Bettenhausen, Gerabronn und Plündershausen. Die J.F Schüle produzierte Eiernudeln, Makkaroniröhrchen und Suppeneinlagen. Die Hohenlohe hatte Haferflocken, Mehl, Grütze und Suppe, Paniermehl, Maismehl, Tapioka, Suppenwürfel und Kakao in ihrem Sortiment. Schließlich gab es auch noch den Hafer-Kakao der Kasseler Hafer-Kakaofabrik Hausen &Co. GmbH. Im Werk Kassel wurden Haferflocken, Suppen und Kindernährmittel hergestellt. Die Firma hatte im Jahr 1927 insgesamt 1000 Beschäftigte.1929 gab es einen Büroneubau an der Sandershäuser Straße. Noch im selben Jahr machte sich ein Konjunkturrückgang auf dem Weltmark bemerkbar. Die zunehmende Arbeitslosigkeit verringerte die Kaufkraft der Bevölkerung und wirkte sich negativ auf die Firma aus. Erst 1934 besserte sich die Geschäftslage wieder. Es entstanden noch zwei weitere Werke in Topiau (Ostpreußen) und in Straßburg (Elsass), die allerdings nach Ausgang des Krieges 1945 verloren gingen. Die Schüle-Hohenlohe vergrößerte ihr Sortiment nochmals und stellte in Kassel Haferflocken, Erbswurst, Suppenwürfel, Grünkernerzeugnisse, Tapioka und andere Suppeneinlagen, Kasseler Hafer-Kakao, Schokolade und Kakao her.
Die Kriegsjahre brachten dann wieder ,wie auch im Ersten Weltkrieg, erhöhte Produktionsaufträge auf behördliche Initiative. Zwecks Versorgung der Zivilbevölkerung gab es vorgeschriebene Anfertigungen von Hafernährmitteln. Es wurden im Auftrag der Armee bedeutende Mengen an Wehrmachtssuppenkonserven hergestellt. Das Unternehmen zählte „470 Köpfe“ allein in Kassel.
Das Werk Kassel wurde im zweiten Weltkrieg erheblich zerstört. Die Häuser an der Sandershäuser Straße, in denen sich die Verwaltung und Wohnungen befanden ,brannten bis auf den jüngsten Anbau aus. Aus diesem Grund wurde 1944 die Hauptverwaltung von Kassel nach Plüderhausen verlegt. Ebenso brannte das alte Mühlengebäude aus. Teile des Werkstattgebäudes, das Hühnerhaus und die Schlosserei und die Schreinerei wurden zerstört.
Doch selbst wenn am 25.02.1946 die Wiederaufnahme des Betriebes beim Amt für Wiederaufbau angemeldet wurde, so schnell und reibungslos waren die Schäden nicht zu reparieren, zumal das benötigte Baumaterial knapp war. Die Hauszeitung der Schüle-Hohenlohe berichtete von schweren Zeiten in Kassel. Es sollte noch bis Juni 1949 dauern, bis die aufwendigen Reparaturen erledigt waren. Insgesamt wurden später die Kriegsschäden mit 5 bis 6 Millionen DM angegeben.
Am 24.07.1945 hatte das Unternehmen in Kassel noch 40 Beschäftigte. Die ungenutzten Firmen-Gebäude und das Firmengelände wurden deshalb von verschiedenen weiteren Firmen mitgenutzt. Im Jahre 1949 waren die Zerstörungen im Kasseler Werk nahezu beseitigt und das Werk besaß die die modernste Mühlenanlage. Das Gesamtunternehmen beschäftigte wieder 1000 Arbeitskräfte. Ab 1950 wurde der Absatzmarkt für Produkte des Unternehmens immer kleiner. Die Kapazitäten der Betriebe, die in der Zeit von 1939 - 1949 weitgehend auf behördliche Initiative erheblich erweitert wurden, konnten nicht mehr ausgenutzt werden. Auch erwiesen sich viele Produkte, wie z.B. Suppen, als unverkäuflich.
In den Jahren 1950 - 1953 entstanden dem Werk große Verluste. Im Werk Kassel gab es noch eine 120 Mann starke Belegschaft. In der außerordentlichen Hauptversammlung am 27.Januar 1954 wurde dann schließlich die Liquidation des Gesamtunternehmens beschlossen. Noch im Jahr 1954 fanden sich mehrere Kaufinteressenten für die verbliebenen Bauten .Die Raiffeisen Warenzentrale „ Hessenland GmbH Kassel“, erwarb das Silo, die ehemalige Gemüsedarre und die ehemalige „Würzfabrik“. Die „Rhenania“ Allgemeine Speditions AG Duisburg erwarb den westlich gelegenen Gebäudekomplex.
Am 15.04.1957 wurde die Schlussrechnung für die Firma Schüle-Hohenlohe erstellt. Die letzte Eintragung im Handelsregister in Kassel verriet jedoch, dass die Kasseler Haferkakaofabrik Hausen & Co. GmbH ihren Sitz nach Hildesheim verlegt hatte.
Nach mehreren Umbenennungen und wechselnden Beteiligungen wurde auch sie am 13.12.1972 gelöscht.
Am 6. Juli 2011 berichtete die HNA in ihrer Stadtausgabe, dass nach Feststellung der Baufälligkeit wegen Hausschwamm, wesentliche Teile des Gebäudekomplexes der ehemaligen Haferkakaofabrik abgerissen werden müssen. Der Zeitungsartikel kann als pdf-Datei bei den unten stehenden Dokumenten heruntergeladen werden.
Durch die Unterstützung der Berichterstattung von h3(TV) und hr4(Radio) hat der Geschichtskreis "Bettenhausen früher und heute" im August 2011 versucht, den Wert der ehemaligen Haferkakaofabrik als Industriedenkmal in Bettenhausen einer breiten Öffentlichkeit zu vermitteln.
Die Chronik der Haferkakaofabrik aus der Broschüre "Industriestandort Bettenhausen" des Geschichtskreises Bettenhausen früher und heute kann weiter unten als pdf-Datei heruntergeladen werden.
Text: H. Schagrün; Niestetal, Mitglied im Geschichtskreis "Bettenhausen früher und heute"
Quellen:
Industriedenkmal Haferkakaofabrik, Denkmalbuch der Stadt Kassel, 1999, Hrsg. Mag. der Stadt Kassel
Privatarchiv H. Schagrün, Niestetal
Editor: Bernd Schaeffer
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Kurzbeschreibung
Der Haferkakao, eine Erfindung des Jean Berlit, stand am Anfang einer erfolgreichen Firmengeschichte. Aus der Konditorei von A. Hausen in der Kasseler Innenstadt entstand 1898 die "Kasseler Haferkakaofabrik Hausen & Co, AG" in Bettenhausen an der Sandershäuser Str. 79. Nach vielen produktiven Jahren musste in 1954 die Firma liquidiert werden.
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