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Mit der Kleinbahn aus der Söhre nach Bettenhausen
- Autor: Erhard Schaeffer
- Zeit: 1912
- Ort: Bahnhof Bettenhausen der Söhrebahn
- Vom: 12.10.2025
- Themen: Firmen- und Industriegeschichte, Industrie und Gewerbe
Söhrebahn Lok V4 auf freier Strecke
Foto: Geschichtskreis Söhrewald e. V.
Die Söhrebahn brachte den Aufschwung für die Menschen in den Gemeinden und die Region Söhrewald. Wer 2025 mit dem Fahrrad von Kassel Richtung Söhrewald fährt, der ist an vielen Stellen dieser Bahn auf der Spur, auch wenn deren Gleise längst verschwunden sind. 51 Jahre zuckelte die Bahn mit durchschnittlich 25 Kilometern pro Stunde über die bergige Strecke. Sie transportierte Personen und Materialien, vor allem Kohle und Basalt zwischen Wellerode und Bettenhausen.
Hermann Dippel, Pfarrer der Gemeinde Vollmarshausen, kann als Vater der Söhrebahn bezeichnet werden. Er setzte sich ab 1902 vermehrt für den Bau einer Bahnstrecke nach Kassel ein. Die Söhrebahn AG wurde am 07. Mai 1910 mit einem Gründungskapital von 102500 Mark und dem Eintrag in das Handelsregister so zu sagen aus der Taufe gehoben. Bei der Gründung wurde Hermann Dippel zum Aufsichtsratsvorsitzenden der Söhrebahn AG gewählt. Das Ziel war die bessere Anbindung der Bewohner der Söhre und die effektiverer Belieferung der Kasseler Industrie mit den Rohstoffen wie Braunkohle, Basalt und Holz. Die Eröffnungsfahrt fand am 22.08.1912 statt. Der erste Betriebsleiter und späterer Direktor war Otto Frenzel aus Wellerode.
Die Strecke der Kleinbahn von Kassel Bettenhausen in die Söhre war auf 10,6km Länge mit einem Höhenunterschied von insgesamt 183m stark ansteigend. Die Spurweite der eingleisigen Gleisführung entsprach mit 1435mm der Norm der deutschen Eisenbahn, wodurch der Übergang in das Netz der Reichsbahn möglich war. Sie führte vom:
- Bahnhof in Bettenhausen über
- Haltepunkt Eisenhammer
- Bahnhof Lohfelden-Ochshausen
- Bahnhof Vollmarshausen
- Bahnhof Wellerode Ost
- zum Bahnhof Wellerode Wald
Am Ende wurde sie über eine Seilbahn mit Braunkohle aus der Zeche Stellberg beschickt.
Am Endpunkt der Strecke in Kassel stand der Bahnhof Bettenhausen auf dem Gelände des großen Forst. Er lag hinter dem Bahnhof der Cassel-Waldkappeler-Eisenbahn, der bereits im Dezember 1879 eingeweiht wurde. In Sichtweite hinter der Söhrestraße stand seit 1894 das Gaswerk Bettenhausen. Zwischen den beiden Bahnhöfen in Bettenhausen befand sich das 1989 eingeweihte Raiffeisen-Kornhaus. Mit dem Standort war der Söhrebahnhof in die sich entwickelnde Industriestruktur von Bettenhausen gut eingebunden.
Der Bauentwurf zum Bahnhof wurde wie bei allen anderen Söhrebahnhöfen durch den Architekten Julius Eubell aus Kassel erstellt und durch den Maurermeister Mess aus Kassel erbaut. An das massive Bahnhofsgebäude schloss sich ein Güterschuppen an. Daneben rechts gab es noch ein separates Abortgebäude für Damen und Herren getrennt. Im Bahnhof befand sich ein Schalterraum mit Fahrkartenschalter und der Warteraum. Der Bahnhof Bettenhausen war der einzige mit gemauerter Bahnsteigkante. Der Haltepunkt Eisenhammer, nahe dem alten Schindeleichsweg und dem späteren Zwangsarbeiterlager von Junkers bei Kilometer 2,2 hatte nur einen Bahnsteig aus Split.
Von der Firma Henschel & Sohn, Cassel wurden 1912 die zwei ersten Dampflokomotiven der Baureihe T13, später Baureihe 92 für den Fahrbetrieb beschafft. Bei der Söhrebahn bekamen die Tenderloks die Nummern 1 und 2. Später wurden beide Lokomotiven in Heißdampfloks nach dem Verfahren der "Schmidtschen Heißdampf" umgebaut. 1939 kaufte die Söhrebahn noch eine Dampflok der Firma Henschel & Sohn, die Söhrebahnlok 3 der Bauart ELNA 6.
Die erste Diesellok Typ DH 850D mit einem Heizkessel für die Personenwagen kaufte die Söhrebahn 1958 wieder bei der Firma Henschel GmbH Kassel. Eingereiht wurde sie als Lok V4. 1961 wurde die zweite Diesellok Typ DH 850D von Henschel gekauft (Söhrebahn V5). Die Söhrebahn hatte ab 1917 in der Regel drei Loks im Fahrzeugbestand. Zwei waren im Einsatz und die dritte Lok stand als Reserve bereit. Die Züge für Personen- und Güterverkehr fuhren nach einem Takt-Fahrplan. Ihre Fahrten dauerten bei einer Geschwindigkeit von 25km/h ca. eine halbe Stunde. An Werktag verkehrten 7 Züge, an Sonn- und Feiertagen 6 Züge. Es war immer nur ein Zug auf der Strecke. Deshalb hatten Züge nach Bettenhausen ungerade und in Gegenrichtung gerade Nummern.
Kurze Zeit betrieb die Bahngesellschaft auch einen elektrischen Triebwagen-Zug, den sie als dreiteiligen Edison Akku-Triebwagen 1926 vom Baseler Bahnbetriebswerk erworben hatte. Die Steigungen im Anstieg nach Wellerode-Wald verlangte den Akkus aber oft zu fiel ab, so das der Triebwagen auf der Strecke legen blieben. Er wurde deshalb später in einen diesel-elektrischen Triebwagen bei Grede in Kassel umgebaut.
Pro Tag wurden von Montag bis Freitag ca. 200.000 Tonnen Rohbraunkohle transportiert. Abnehmer waren vor allem das Gaswerk Kassel und die Spinnfaser AG. Andere Transporte gab es ab 1913 aus dem Ziegelwerk Vollmarhausen GmbH über dessen Anschluss an die Söhrebahn. Angeliefert wurde Kohlegruß, abgefahren die fertigen Ziegelsteine. Diese dürften unter anderem ab 1915 zum Bau der Munitionsfabrik im Forst bei Kassel verwendet worden sein. Ein zweiter Gleisanschluss zur Sandgrube Rüdiger bestand bei Kilometer 4,6. Sand aus dieser Grube wurde ebenfalls zum Bau der Munitionsfabrik verwendet. Von dem Gleisanschluss der Muni profitiert ab 1935 die Spinnfaser AG, die auf dem Gelände an der Lilienthalstraße sich ansiedelte. Über Jahre wurden weitere Firmen entlang der Ochshäuser Straße und der Lilienthal Straße an die Gleise der Söhrebahn angeschlossen. So z.B die Fieselerwerke, die Sauerstoffwerke, die Ambi Werke, die Gelbgießerei, Wegmann + Co Werk 2, die Firma Junkers und später die Firma AEG. Mitte der 30er Jahre konnte man die Söhrebahnbrücke über die Ochshäuser Straße und den Wahlebach bei Kilometer 3,1 ebenfalls als Anschluss bezeichnen. hier wurden Stahlträger zum Bau der Autobahnbrücke mit einem Spezialkran entladen und auf den Widerlager abgelegt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg konnten Firmen wie Raab-Karcher, die Aral-Logistik Service GmbH, Thyssen Krupp Schulte und das Glaskontor Kassel auf dem Gelände des Fieseler Werk 1 und auf dem Areal der Spinnfaser (später ENKA) der Unternehmenspark Kassel die bestehenden Gleise übernehmen. Ein wichtiger Anschluss zu den Streckengleisen der Deutschen Bahn befand sich am Bahnhofsgebäude Bettenhausen. Hierüber war der Verkehr zum gesamten bestehenden Streckennetz in Deutschland gewährleistet. Das Gebäude wurde durch Bomben im Zweiten Weltkrieg zerstört und nur behelfsmäßig wieder aufgebaut.
Vom Personentransport profitierten vor allem die vielen Arbeitskräfte in der Kasseler Industrie, aber auch die Marktfrauen und die Schüler, die die weiterführenden Schulen und Berufsschulen in Kassel besuchten. Sie ersparten sich lange beschwerliche Fuß- oder Radwege. 1949 wurde ein Höhepunkt der Personenbeförderung mit 844.272 Fahrgästen erreicht. Die Gütertransporte schlugen mit 521.606t zu Buche. 1960 wurden 750 Tausend Personen und mit Bus 165 Tausend Fahrgäste transportiert, an Gütertransport 608.000 Tonnen per Bahn und 80.000 Tonnen per LKW. Durch den Einsatz von eigenen Bussen mit weiteren Haltestellen reduzierte sich die Beförderung per Schiene schnell. Zusätzlich wirkte sich auch der zunehmende Individualverkehr per eigenem Auto auf die Transportzahlen negativ aus. Am 30.09.1966 fand die letzte Fahrt der Personenbeförderung auf der Schiene statt. Es dauerte noch bis zum 08.03.1971 an dem der letzter Gütertransport statt fand, nach dem die Zeche Stellberg schon 1967 geschlossen wurde.
1970 übernahm bereits die Deutsche Bundesbahn die Söhrebahn und baute ein neues Industriegleis am Bettenhäuser Bahnhof. Darüber besteht bis heute (2025) die Anbindung des Industriegebiets Waldau. Mit der Übernahme durch die Deutsche Bahn wurden die sechs Busse samt der Fahrer in die Tochtergesellschaft, Regionalverkehr Kurhessen (RKH) eingegliedert.
Die Diesellokomotiven übernahm die Deutsche Bahn, musterte sie aber schon 1971 als Einzelgänger im System aus. Die Dampflok und der Rest der Personen- und Güterwagen wurden verschrottet.
Nach dem die Gleisanlagen vollständig zurückgebaut wurden erinnern heute nur noch wenige Gebäude und Bauwerke an die ehemalige Söhrebahn. Beispiele: In Vollmarhausen gibt es noch das ehemalige Bahnhofsgebäude, heute in Privatbesitz. Auf der alten Trasse verläuft ein Fuß- und Radweg. In Lohfelden ist das Bahnhofsgebäude auch in Privatbesitz. In Kassel führt ein Fußweg mit Brücke über die Streckengleise in die Wohnstraße.
Editor Erhard Schaeffer, Oktober 2025
Quellen:
- Die Söhrebahn, "Auf den Spuren einer Hundertjährigen", Geschichtskreis Söhrewald e. V., 2012
- Söhrebahn brachte Aufschwung, HNA 14.07.2022
- Klehm, Kurt, Eine Chronik, Bettenhausen 1906 – 1956, Bettenhäuser Verlag, 1956
- Die Geschichte des Dorfes (und Stadtteiles von Kassel) Bettenhausen, Bruno Jacob, 1926
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Kurzbeschreibung
Die Söhrebahn brachte den Aufschwung für die Menschen in den Gemeinden und die Region Söhrewald. Wer 2025 mit dem Fahrrad von Kassel Richtung Söhrewald fährt, der ist an vielen Stellen dieser Bahn auf der Spur, auch wenn deren Gleise längst verschwunden sind. 51 Jahre zuckelte die Bahn mit durchschnittlich 25 Kilometern pro Stunde über die bergige Strecke. Sie transportierte Personen und Materialien, vor allem Kohle und Basalt zwischen Wellerode und Bettenhausen.
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