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Spurensuche
- Autor: Bernd Schaeffer
- Zeit: 1953
- Ort: Pfarrstraße
- Vom: 05.07.2021
- Themen: Stadtteilkultur, Kirchliche Einrichtungen
Wenn ein Pfarrer mehr als 27 Jahre lang seine Gemeinde betreut hat, kann man auch 85 Jahre nach seiner Verabschiedung in den Ruhestand davon ausgehen, dass noch Spuren seines seelsorgerischen Wirkens vor Ort zu entdecken sind. Diesen Gedanken hatten im Juni 2021 drei ältere Damen aus Hannover. Bei ihrer Rückreise aus dem Italienurlaub planten sie einen Zwischenstopp in Kassel-Bettenhausen ein, um eigene Erinnerungen aufzufrischen und den Spuren ihres Großvaters Pfarrer Johannes Friedrich Hohmann nachzuspüren.
Johannes Friedrich Hohmann wurde als Sohn eines Landwirtes am 22.01.1869 in Hilgershausen, Kreis Witzenhausen geboren. Er studierte in Marburg, Erlangen und Halle evangelische Theologie und wurde am 23.08.1895 zum Pfarrer geweiht.
Am 15.02.1909 trat er als Nachfolger von Pfarrer Carl Ziegler seine Pfarrstelle in Kassel-Bettenhausen an. Hier blieb er Gemeindepfarrer bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand am 01.11.1936. Er wohnte mit seiner Frau Wilhelmine Hohmann geb. Duckmann aus Aurich in dem Pfarrhaus in der Pfarrstraße 34.
Mit ihr hatte er in 20 Ehejahren zehn Kinder, bevor sie, im Alter von nur 41 Jahre, am 15.11.1917 in Bettenhausen starb. Johannes Hohmann, Vater von sechs unmündigen Kinder, heiratete in zweiter Ehe im März 1919 die 43 jährige Hedwig Klara Sofie Vilmar aus Immenhausen.
Als Chronist der Evangelischen Gemeinde von Bettenhausen, schreibt Pfarrer Adalbert Römheld, der Johannes Hohmann noch persönlich gekannt hat, 1972 folgendes über seinen Amtsbruder:
„Pfarrer Hohmann hat durch viele Jahre der Gemeinde Bettenhausen in der ihm eigenen schlichten und eindringlichen Weise das Evangelium gepredigt. Unter seiner Amtstätigkeit entfaltete sich das gemeindliche Leben; das kirchliche Vereinsleben blühte auf oder gestaltete sich neu. Die Ausgestaltung des Gottesdienstes erfuhr durch die Gründung eines Kirchenchores eine erfreuliche Bereicherung. Lange Jahre hindurch stand er der Wohlfahrtpflege der Gemeinde vor und verwaltete dieses nicht leichte Amt in Unparteilichkeit und Gerechtigkeit. Die Baseler Mission hatte an ihm einen Freund und eifrigen Förderer. Ein Nähverein, der für die Bedürftigen nähte, versammelte sich regelmäßig im Pfarrhaus. Er gehörte in der Zeit des Kirchenkampfes der „Bekennenden Kirche“ an. Seinem unerschrockenen Zeugnis für die evangelische Wahrheit in einer öffentlichen Versammlung in Bettenhausen, von den „Deutschen Christen“ (DC) einberufen, ist es zu verdanken, dass die Gemeinde nicht in die damaligen kirchlichen Wirren mithinein gezogen und dadurch gespalten wurde, sondern in sich geschlossen blieb. Der in der Folgezeit gegen ihn einsetzenden Anfeindungen seitens der Partei (NSDAP) wusste er in der Kraft des Glaubens zu begegnen.“
Pfarrer Hohmann lebte nach 1936 als Ruheständler in Bad Wildungen, wo er am 03.05.1953 starb. Er wurde am 7. Mai 1953 um 12:30 Uhr auf dem Bettenhäuser Friedhof im Familiengrab der Familie Hohmann beigesetzt. Die Nachfolger als Gemeindepfarrer in Bettenhausen hat 1936 Hans August Zimmermann angetreten.
Anfang Juni 2021 meldete sich Johanna G. telefonisch bei Pfarrerin Beate Bachmann-Voss und erkundigte sich, ob sie ihr bei Nachforschungen über ihren Großvater, den Bettenhäuser Pfarrer Johannes Hohmann, behilflich sein könne. Sie, ihre Schwester und eine Schwägerin seien auf der Heimfahrt nach Hannover und hätten den Wunsch an der Wirkungsstätte ihres Großvaters in Bettenhausen eigene Kindheitserinnerungen aufzufrischen und, soweit vorhanden, Spuren zu finden, die an den ehemaligen Gemeindepfarrer erinnern.
Entgegenkommend und den Menschen zugewandt mochte Pfarrerin Bachmann-Voss den Hilferuf nicht ablehnen und verabredete ein Treffen im Innenhof der Marienkirche für den Nachmittag des 9. Juni 2021. Für eine ortskundige Führung und zur argumentativen Verstärkung der gewünschten Informationen lud sie die Bürgerhistoriker der Gruppe „Erinnerungen im Netz“ des Stadtteilzentrums Agathof e.V. Helmut Schagrün und den Verfasser des Textes ein.
Nach einer herzlichen Begrüßung nahmen die Teilnehmer/Innen unter Einhaltung der geltenden Hygieneregeln an einem Tisch im Innenhof der Marienkirche Platz. Im Anschluss an eine kurze Vorstellungsrunde näherten sich die Gesprächsinhalte recht schnell dem wirklichen Grund des Zusammentreffens nämlich, der Vita von Pfarrer Johannes Hohmann, seinem Wirken als Pfarrer in Bettenhausen und welche Spuren davon noch heute Zeugnis ablegen.
Die schon oben zitierten Aufzeichnungen von Pfarrer A. Römheld aus 1972 waren den Damen aus Hannover bisher unbekannt und sie zeigten sich sehr erfreut, als ihnen Frau Bachmann-Voss die dokumentierten Daten aus dem Leben ihres Großvaters überreichte. Außerdem konnte sie aus der Fotogalerie der ehemaligen Bettenhäuser Pfarrer noch ein Lichtbild des gesuchten J. Hohmann beisteuern.
H. Schagrün berichtete über die mehr als 200jährige Geschichte der Marienkirche und erläuterte dann, dass sowohl die Marienkirche als auch das Gemeindehaus nicht mehr dem Original entsprechen, wie sie zur der Zeit von Pfarrer Hohmann existierten. Die Besucherinnen warfen einen Blick in das Kirchenschiff, um einen Eindruck von der schlichten Schönheit dieser evangelischen Saalkirche mit Empore mitzunehmen.
Mit einem kurzen Bericht über die Geschichte Bettenhausens mit Schwerpunkt Kirchenleben endete die Begrüßungsrunde. Der gewünschte Ausflug zum Pfarrhaus in der Pfarrstraße 34 begann an der Infotafel am Dorfplatz. Über den Inselweg, dem Weg folgend, den in längst vergangenen Tagen die Trauerzüge von der Kirche zum Friedhof nahmen, führte der Spaziergang zur Pfarrstraße. An der Ecke Vogelsang wies H. Schagrün darauf hin, dass dort das im 2. Weltkrieg zerstörte älteste Pfarrhaus von Bettenhausen gestanden hat.
Die Freude war groß, als die Enkelinnen von J. Hohmann in der Pfarrstraße 34 das prächtige Pfarrhaus wiedererkannten, das ihnen von alten Fotos her vertraut war und sich mit ihren Erinnerungen verknüpfte. Nach einem kurzen Fotostopp wurde der Rundgang in Richtung Friedhof fortgesetzt.
Die aus Anlass des angekündigten Besuches kurzfristig durchgeführten Nachforschungen hatten ergeben, dass sich auf dem Bettenhäuser Friedhof ein Grab der Familie Hohmann befindet, in dem 1953 auch Johannes Hohmann seine letzte Ruhe gefunden hat. Das von der tiefstehenden Abendsonne in ein mildes Licht getauchte, gepflegte Familiengrab der Hohmanns schuf einen Augenblick der stillen Andacht und Ruhe. Die weitgereisten Enkelinnen des Pfarrers verweilten einige Zeit schweigend am Grab ihres Großvaters und nahmen die friedvolle Stimmung als Erinnerung in sich auf. Später entdeckte Johanna G. auf dem Obelisken zum Gedenken an die Gefallenen des 1. Weltkrieges noch den Namen ihres in 1917 in Flandern gefallenen Onkels Albert Hohmann, den sie nie persönlich kennengelernt hatte.
Ein aufziehendes Gewitter mahnte zur Rückkehr. Mit dem Geläut der Marienkirche, um 18:00 Uhr, verließen die drei Frauen den Dorfplatz von Bettenhausen in Richtung Hannover.
In einer E-Mail, bedankten sich am folgenden Tag die Enkelinnen von Pfarrer Johannes Hohmann für die herzliche Aufnahme in Bettenhausen sowie die bewegenden Eindrücke und die große Freude, die sie auf ihrer Spurensuche erfahren hatten. Zusätzlich übersanden sie einige digitalisierte schwarzweiß Fotos aus den Fotoalben ihrer Familie.
Text: Bernd Schaeffer, im Juni 2021
Quellen:
- Römheld, Adalbert, Pfr. i. R., Die evangelische Kirchengemeinde in Kassel-Bettenhausen,
Ev. Presseverband Kurhessen-Waldeck, Kassel, 1972 - Private Fotos der Familie Hohmann
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Kurzbeschreibung
Wenn ein Pfarrer mehr als 27 Jahre lang seine Gemeinde betreut hat, kann man auch 85 Jahre nach seiner Verabschiedung in den Ruhestand davon ausgehen, dass noch Spuren seines seelsorgerischen Wirkens vor Ort zu entdecken sind. Diesen Gedanken hatten im Juni 2021 drei ältere Damen aus Hannover. Bei ihrer Rückreise aus dem Italienurlaub planten sie einen Zwischenstopp in Kassel-Bettenhausen ein, um eigene Erinnerungen aufzufrischen und den Spuren ihres Großvaters Pfarrer Johannes Friedrich Hohmann nachzuspüren.
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