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Chemie-Nobelpreisträger Prof. Dr. Karl Ziegler ging in Bettenhausen zur Schule

Chemie-Nobelpreistraeger Prof. Dr. Karl Ziegeler, 1963

Chemie-Nobelpreistraeger Prof. Dr. Ziegeler, 1963
Foto: Nobelstiftung, 1963

Die Verleihung des Nobelpreises an den Chemiker Prof. Dr. Karl Ziegler in 1963 hat in Kassel keine besondere Beachtung gefunden. Der in Helsa geborene Pfarrersohn hat in Bettenhausen zehn Jahre seiner Kindheit verbracht und die Bürgerschule 26 besucht. Ein Hinweis in dem Bändchen über die Evangelische Kirchengemeinde Kassel-Bettenhausen, verfasst von dem verstorbenen Pfr. Adalbert Römheld , hat den Verfasser veranlasst im Internet nach Karl Ziegler zu forschen. Die zahlreichen aufgerufenen Funde zeugen von einem aktiven und erfolgreichen Leben des Nobelpreisträgers, dass im folgenden Beitrag nur ansatzweise wiedergegeben werden kann.
Die Gemeinde Helsa ehrt den berühmten Sohn des Ortes mit einer Gedenktafel am Pfarrhaus, dem Geburtshaus von K. W. Ziegler.

Als die Evangelische Kirchengemeinde Bettenhausen am 1. Oktober 1900 wieder selbstständig wurde, bezog Pfarrer Carl August Ziegler (*01.09.1858, +18.02.1933) bei seinem Amtsantritt am 15.04.1901 eine Dienstwohnung im alten Schulgebäude an der Dorfstraße 8.

Dorfplatz mit Kirche und Pfarrhaus um 1900
Dorfplatz mit Kirche und Pfarrhaus um 1900  Foto: AK aus Sammlung H. Schagruen, Niestetal

C. A. Ziegler war zuvor 10 Jahre Pfarrer in Helsa gewesen und hatte am 18.06.1883 die aus Kassel gebürtige Caroline Helene Luise Rall (*1862 +1934) geheiratet.
In das Schulhaus aus 1817 zog die Pfarrfamilie mit den vier in Helsa geborenen Kindern
Wilhelmine Charlotte Hedwig (*1890 +1951), Luise Klara Auguste (*1892 +1947), Carl Otto Heinrich (*1894 +1927) und Karl Waldemar (*26.11.1898 +11.08.1973).
Für die damals durchaus übliche Zahl von vier Kindern waren die Wohn- und Lebensverhältnisse in dem alten Haus an der Dorfstraße 8 nicht zufriedenstellend, und so ist es aus heutiger Sicht verständlich, dass Pfarrer Ziegler sofort mit der Planung eines neuen Pfarrhauses auf dem kircheneigenen Grundstück an der Pfarrstraße 34 begann. Das repräsentative Gebäude im Stil der Gründerzeit konnte schon 1903 bezogen werden. Mit einem Vertag zwischen Pfarrgemeinde und Bürgermeister Müller als Vertreter der noch selbstständigen Gemeinde Bettenhausen wechselte das Gebäude 1905 für 64 000 Mark den Eigentümer und fiel in die Zuständigkeit der Kommune.

AK des Pfarrhauses in der Pfarrstrasse 34, ~1918 Repräsentatives Gebäude im Stil der Gründerzeit
AK des Pfarrhauses in der Pfarrstrasse 34, ~1918  Foto: Stadtteilzentrum Agathof e.V.

Die schulpflichtigen Kinder der Familie Ziegler wurden in Bettenhausen eingeschult. Der Jüngste, Karl Waldemar, kam 1905 in die sogenannte Volksschule.
Die schnell wachsende Gemeinde Bettenhausen hatte zu jener Zeit wegen anhaltender Raumnot drei Schulgebäude; seit 1817 das schon oben erwähnte Schulhaus an der Dorfstraße 8, das inzwischen zum Pfarr- und Gemeindehaus umfunktioniert worden war, das Zweite stand seit 1872 an der Einmündung der Ochshäuser Straße zur Leipziger Straße (später Kaysan und Wagner und inzwischen abgerissen) und schließlich ab 1893 den Klinkerbau an der Agathofstraße 48 dem heutigen Stadtteilzentrum. Es ist daher anzunehmen, das K. W. Ziegler seine ersten Schreibversuche ab 1905 in der Agathofstraße 48 gemacht hat.

Bettenhaeuser Schule in der Agthofstrasse 48, ~1960
Bettenhaeuser Schule in der Agthofstrasse 48, ~1960  Foto: Stadtteilzentrum Agathof e.V.

Die erneute Schulraumnot zwang 1904/05 die Dorfgemeinde Bettenhausen, noch vor der Eingemeindung nach Kassel, über einen Schulneubau nachzudenken. Sie erwarb in weiser Voraussicht vom Landwirt Müller ein 800 qm großes Gelände an der Ecke Osterholstraße /Eichwaldstraße. An der Eichwaldstraße 68 konnte am 3. Januar 1906 das Schulgebäude der Kasseler Bürgerschule 26 mit 14 Klassen für mehr als 700 Kinder eingeweiht werden. Von diesem Zeitpunkt an bis zum Wechsel in ein Kasseler Gymnasium war der spätere Chemiker und Nobelpreisträger Volksschüler in der Bürgerschule 26 im Kasseler Stadtteil Bettenhausen.

Buergerschule 26 in der Eichwaldstrasse 68, ~1912
Buergerschule 26 in der Eichwaldstrasse 68, ~1912  Foto: Stadtteilzentrum Agathof e.V.

Nach dem Umzug seines Vaters nach Marburg ging K.W. Ziegler ab 1910 auf das Martin Luther Realgymnasium. Schon als Gymnasialschüler beschäftigte er sich mit Chemie und richtete sich zuhause ein kleines Labor ein. 1915 machte vorzeitig sein Abitur und meldete sich als Kriegsfreiwilliger bei der Deutschen Süd-Armee in der Krankenpflege.
Als Ziegler 1916 sein Studium der Chemie mit Physik und Mineralogie als Nebenfächern an der Marburger Universität bei Professoren K. von Auwers und W. Strecker begann, hatte er den Ehrgeiz seinen akademischen Lehrern zu beweisen, dass er „den Stoff der ersten zwei Semester bereits beherrschte“, wie er später einmal bekannte.

Am 28. Jul.1920 promovierte er zum Dr. phil. der Universität Marburg über das Thema „Untersuchungen über Semibenzole und verwandte Verbindungen“ Seine weitere akademische Laufbahn kannte nur eine Richtung: steil nach oben.

Karl Ziegler, 1918
Karl Ziegler, 1918  Foto: Gesellschaft Deutscher Chemiker e.V. (GDCh)

Eine Kurzdarstellung seiner Laufbahn:

  • 1919 Mai-1925 März, Assistent im Chemischen Institut
  • 1923 am 18. Dez. Habilitation: „Zur Kenntnis „dreiwertigen“ Kohlenstoffs: Über Tetra-arylallyl Radikale und ihre Abkömmlinge“; Probevorlesung: „Über die Anwendung Wernerscher Ideen auf die Organische Chemie“
  • 1925-1926 Stellvertretender Abteilungs-Vorsteher am Chemischen Institut der Universität Frankfurt bei Julius von Braun
  • 1926-1928 Privatdozent, ab 24. März Assistent am Chemischen Institut der Universität Heidelberg; Antrittsvorlesung: „Über natürliche und künstliche Synthesen organischer Materie“, ab 12.1.1928 außerordentlicher Professor
  • 1936 Feb.-März Gast-Professor an der Universität Chicago, USA
  • 1936 Okt.-1943 Sep. Professor an der Universität Halle, ab 1.3.1938 ordentlicher Professor und Direktor des Chemischen Instituts
  • 1943 Okt.-1969 Jul. Direktor des (Kaiser-Wilhelm-) Max-Planck-Instituts für Kohlenforschung, Mülheim an der Ruhr
  • 1946 Sep.-1951 Dez. Erster Vorsitzender der neugegründeten Gesellschaft Deutscher Chemiker GDCh (bis 1949: Gesellschaft Deutscher Chemiker in der britischen Zone)
  • 1954-1957 Präsident der Deutschen Gesellschaft für Mineralölwissenschaft und Kohlechemie
  • 1963 Nobelpreis für Chemie (zusammen mit dem Italiener Giulio Natta).
Karl Ziegler mit Orden Pour le Mérite in 1969
Karl Ziegler mit Orden Pour le Mérite in 1969  Foto: E. Serwotke

Ein Auszug aus der Laudatio des Nobelpreiskomitees: „Die Plastikmaterialien bestehen aus sehr großen Molekülen, Makromolekülen, oft langen Ketten aus Tausenden von Atomen. Sie entstehen dadurch, dass Moleküle von gewöhnlicher Größe als Grundbausteine dienen, die miteinander verbunden werden. Diese Moleküle müssen reaktionsfreudig sein, aber häufig ist eine zusätzliche Unterstützung von außen notwendig, damit sie sich verbinden. Professor Ziegler jedoch hat völlig neue Methoden zur Polymerisation gefunden."
In seinem Nobel-Vortrag sagte Karl Ziegler u.a.: „Mein Weg glich einer Wanderung durch ein neues Land, bei der sich immer wieder interessante Ausblicke boten, bei der man auch häufig ein Stück des zu gehenden Weges übersehen konnte, bei der man aber doch nie wusste, wohin die Reise eigentlich ging. Ich habe jahrzehntelang nicht im Entferntesten daran gedacht, dass auch technische Erfolge an meinem Weg liegen würden.“

Zieglers Patente und Erfindungen haben der Volkswirtschaft Milliardenbeträge eingespart. Durch sein unternehmerisches Geschick brachte er es zu einem erheblichen Vermögen. Anlässlich seines 70. Geburtstags stiftete er einen Großteil seines Besitzes den "Ziegler-Fonds". 40 Millionen DM stellte er für die wissenschaftliche Forschung zur Verfügung. Größter Nutznießer ist das von ihm viele Jahre geleitete Max-Planck-Institut in Mülheim.
Ziegler war Weltreisender, liebte Musik und sammelte mit seiner Frau Bilder des 20. Jahrhunderts. Die kostbare Sammlung wurde an die Stadt Mülheim vererbt. Er starb am 11. August 1973 an Herzversagen und wurde in Mühlheim beigesetzt.

Text und Editor: Bernd Schaeffer, August 2015

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Kurzbeschreibung

Die Verleihung des Nobelpreises an den Chemiker Prof. Dr. Karl Ziegler in 1963 hat in Kassel keine besondere Beachtung gefunden. Der in Helsa geborene Pfarrersohn hat in Bettenhausen zehn Jahre seiner Kindheit verbracht und die Bürgerschule 26 besucht. Ein Hinweis in dem Bändchen über die Evangelische Kirchengemeinde Kassel-Bettenhausen, verfasst von dem verstorbenen Pfr. Adalbert Römheld , hat den Verfasser veranlasst im Internet nach Karl Ziegler zu forschen. Die zahlreichen aufgerufenen Funde zeugen von einem aktiven und erfolgreichen Leben des Nobelpreisträgers, dass im folgenden Beitrag nur ansatzweise wiedergegeben werden kann. Die Gemeinde Helsa ehrt den berühmten Sohn des Ortes mit einer Gedenktafel am Pfarrhaus, dem Geburtshaus von K. W. Ziegler.

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