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Ursprung der Straßennamen der ehemals eigenständigen Gemeinde Bettenhausen

Blick über die Losse auf Schule und Marienkirche am Dorfplatz ca. 1900

Schule und Marienkirche am Dorfplatz ca. 1900
Foto: @Stadtteizentrum Agathof e. V.

Bettenhausen wurde erstmals 1145 erwähnt und behielt Jahrhunderte bis zur Eingemeindung in die Stadt Kassel 1906 seine Selbstständigkeit. Der durch seine Mühlenbetriebe an der Losse geprägte Ort, umschlossen von den Handelswegen Leipziger Straße, Nürnberger Straße, Hannoversche Straße und Ochshäuser Straße besaß bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts nur wenige eigene befestigte Straßen. Mit dem Eintritt in das Stadtgebiet Kassels stieg die Bevölkerungszahl rasch an und es entstanden vor allem in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts viele neue Wohnsiedlungen. Neue Straßennamen wurden vergeben und die alten zum Teil geändert. Hier sollen nur die alten Namen und ihre Entstehung erklärt werden:

Der Dorfplatz im Zentrum von Bettenhausen liegt zwischen dem ehemaligen Schulhaus von 1817 neben der Marienkirche und der Losse. Hier befand sich auch das Gemeindehaus, in dem der letzte Bürgermeister bis 1906 seinen Amtssitz hatte. Der früher unbefestigte Platz war schon immer der Mittelpunkt der Gemeinde. Die Dorfstraße (heutige Erfurter Straße), an der früher große Bauernhöfe lagen, führte durch das Dorf hierhin.

Die Agathofstraße im Stadtteil Bettenhausen (ehemals Schulstraße, wegen des 1893 an ihr neu errichteten Schulhauses) verläuft von der Sandershäuser Straße bis zur Leipziger Straße. Die Bezeichnung leitet sich von dem gleichnamigen Mühlenbetrieb ab. Richtiger würde sie Achatstraße heißen, denn sie verdankt ihren Namen einer Achatschleiferei, die in der Lossemühle außerhalb des Ortskerns ihren Sitz hatte. Die Schreibweise „Agathof“ ist seit über 200 Jahren üblich.

Die Buttlarstraße (ehemals Blaue Pfütze) verläuft von der Miramstraße bis zur Osterholzstraße entlang der Losse. Sie heißt nach der zur hessischen Ritterschaft gehörigen Familie von Buttlar, die früher in Bettenhausen Güter besaß. Diese hatte sie von der 1536 ausgestorbenen Familie von Elben, deren Stammsitz Elbenberg war, geerbt.

Die Ringhofstraße zweigt im Ortskern von der Leipziger Straße ab. Ein mitten im Dorf liegender Hof hat diesen Namen Pate gestanden. In einer Urkunde von 1388 wird dieser Hof „der Königin Lehen“ genannt, nach der Königin Adelheit von Polen, einer Tochter des Landgrafen Heinrich II des Eisernen, die 1341 den König Kasimir III von Polen heiratete.

Die Königinhofstraße (ehemals Bettenhäuser Hafenstraße), die heute von der Sandershäuser Straße abzweigt, leitet ihre Bezeichnung ebenfalls vom dem Lehen der Königin Adelheit ab. Bis 1855 wurde der Hof vom Scharfrichter Rathmann als Abdeckerei genutzt. Die Straße begann damals neben dem Hof an der Ringhofstraße.

Die heutige Burgstraße, vermutlich nach einem alten Burgstandort benannt, hieß bis zur Eingemeindung Obere Dorfstraße und danach Elbenweg.

Karte von Bettenhausen um 1835
Karte von Bettenhausen um 1835  Foto: Amt für Vermessung und Geoinformationen Kassel

Der Pfaffenpfad, späterer Pfaffenstieg, führte durch den Kasseler Forst über den Wahlebach nach Waldau. Bis 2009 erinnerte die Straße "Pfaffenstieg" an die Zeit von 1550 bis 1900, in der die Waldauer Pfarrer diesen Weg zu ihrer Filialkirche in Bettenhausen genommen haben. Nach dem Wegeeinziehungsverfahren hält seit dem 19.01.2011 eine Messingtafel auf dem Grundstück an der Leipziger Straße die Erinnerung an diese Zeit aufrecht.

Der Dormannweg, der über die Losse zum Leipziger Platz führt, hieß vor der Eingemeindung Stiftstraße und davor Landgrafenstraße. Sie erinnerte daran, dass das Stift Kaufungen hier früher begütert war. Der Name Dormannweg ist mit großer Wahrscheinlichkeit von dem Flurnamen Dormannswiesen abgeleitet.

Die Miramstraße, die an der Agathofstraße beginnt, ist nach dem Zündholzfabrikanten Otto Miram benannt. Er gründete bereits 1836 seine erste Zündholzfabrik an der Buttlarstraße im Ortskern von Bettenhausen und trug damit zum Aufblühen der Industrie in Bettenhausen bei.

Die Rinaldstraße (ehemals Elbenstraße) erhielt ihren Namen nach Brendel Rinald, 1822-1907, Joseph Rinald, 1826-1910, Gründer der Brendina-Rinald-Stiftung 1911. Die Stiftung diente der Unterstützung aller untergeordneten Beamten und Arbeitern, die für das öffentliche Wohl, die Ordnung und die Sicherheit der Stadt Kassel arbeiteten. Früher hieß der Abschnitt von der Pfarrstraße bis zur Burgstraße Friedhofsweg der zum Friedhof führte.

Die Salzmannstraße in der Siedlung Salzmannshausen bezieht sich auf den Besitzer der einstigen großen Schwertextilweberei Heinrich Salzmann. Mit der Gründung einer Wohnsiedlung Salzmannshausen für die Beschäftigten seiner Firma ab 1903 erhielten 1910 die neuen Straßen Namen, die einen Bezug zu ihm, der Herkunft seiner Familie oder dem Standort seiner Firmen hatten. So entstanden die Ellenbacher-, Spangenberger-, Rauschenberger-, Einbecker-, Melsunger- und Öderaner Straße.

Die Huthstraße, vor der Eingemeindung hieß sie in Bezug auf den Firmengründer Heinrichstraße, danach Weberstraße und ab 1908 Huthstraße. Sie liegt ebenfalls in der Siedlung Salzmannshausen. Den Namen trägt sie nach dem hessischen Artillerie-General Heinrich Wilhelm von Huth (1717-1806), der sich in der Schlacht auf dem Sandershäuser Berg im Siebenjährigen Krieg am 23.07.1758 auszeichnete.

Die Leipziger Straße hieß so, wegen der für Kassel zuständigen Gerichtsbarkeit in Leipzig. Sie war schon von alters her ein wichtiger Handelsweg, der von Kassel Richtung Osten durch die sogenannte Leipziger Vorstadt an Bettenhausen vorbei leitete. Bereits seit 1884 führte eine Linie der Pferdebahn (Vorläufer der elektrischen Straßenbahn) von der Hedwigstraße (Königsplatz) zum Bahnhof Bettenhausen, der 1874 an der Leipziger Straße errichtet worden war.

Blick in die Leipziger Straße mit Straßenbahn an der Endstation Kirchgasse um1900
Leipziger Straße mit Straßenbahn an der Endstation Kirchgasse um1900  Foto: Verlag Robert Bäcker, Cassel

Nach ihrer Lage im Ort oder der Richtung in die sie führen heißen die Eichwaldstraße, der Umbachsweg, die Heiligenröder Straße, die Ochshäuser Straße, die Kirchgasse, die Lossestraße, die Sanderhäuser Straße, der Inselweg, der Ohlebachweg und die ehemalig Dorfstraße heutige Erfurter Straße.

Im Ortskern von Bettenhausen führte der Inselweg, der zwischen dem Dorfplatz und der Burgstraße verläuft, früher entlang des Mühlgrabens. Heute ist der Graben verfüllt. Der Weg ist nach der Lage im Ort auf der früheren Losseinsel, die zwischen dem Graben und der Losse lag, benannt.

Umbachsweg ist nach dem dort fließenden Umbachsgraben und der weiter östlich liegenden Wüstung Umbach benannt.

Die Bunte Berna verläuft rechts und und links des Umbachsgrabens von der Heiligenröder Straße bis zur Autobahn im Siedlungsgebiet Eichwald. Der Begriff leitet sich von einer jahrhunderte alten Flurbezeichnung ab.

Die Steinbreite führt von der Miramstraße bis zur Heiligenröder Straße. Sie lag in der Ackerflur des ehemals landwirtschaftlich geprägten Dorfes und leitet sich von einer alten Flurbezeichnung ab.

Die Osterholzstraße führte zum Osterholz, eine Waldparzelle am Wege nach Heiligenrode (jetzt ein Ortsteil von Niestetal). Noch  zu Beginn des 20. Jahrhunderts hieß sie Neue Straße, entstanden im Rahmen der Ortserweiterung, der Verlegung des Losseverlaufes und dem Bau von neuen Brücken.

Die Sandershäuser Straße hieß noch im 19. Jahrhundert Hannöversche später Hannoversche Straße, so wie sie heute außerhalb der Stadtgrenze von Kassel in Sandershausen (Ortsteil von Niestetal) noch benannt ist. Mit der Ansiedelung von Gewerbe und Industrie ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entlang dieses alten Handelsweges bekam sie besondere Bedeutung.

Sandershäuser Straße vor dem Gebäude der Fabrik Salzmann & Comp. ca 1900
Sandershäuser Straße vor dem Gebäude der Fabrik Salzmann & Comp. ca 1900  Foto: @Stadtteilzentrum Agathof e. V.

Die Pfarrstraße (ehemals Oberdorf), die die Eichwaldstraße kreuzt, führt ihren Namen auf das dort neben der Mühle vor dem Dorf gelegene alte und das 1903 weiter östlich neu erbaute Pfarrhaus zurück.

Die Pfingstweide mitten im Ort und der Vogelsang nahe der ehemaligen Mühle Ernst sind alte Flurbezeichnungen. Pfingstweiden gibt es bei vielen Orten, sie waren gehegt und wurden zu Pfingsten als Weide aufgetan.

Vogelsang ist ein häufig vorkommender Flurname. Der Vogelsang hieß eine Zeit lang im Volksmunde „Eisfeld“. Dieser Name findet sich auch in anderen Orten und ist überall aus „Eichsfeld“ (Feld neben Eichen) entstanden. Hier ist aber das ehemals mainzerische Eichsfeld in Sachsen gemeint, weil in dem dort gelegenen Häuschen früher die aus dem Eichsfeld zugewanderten Saisonarbeiter (Sachsengänger) untergebracht waren.

Die Jacobsgasse hat ihren Namen nach dem in ihr einst wohnenden Privatmann Jacob Menkel erhalten. Er war Vorsteher des Gemeindevorstandes von Bettenhausen, der 1817 das erste Schulgebäude am Dorfplatz errichten ließ.

Der Fasanenweg führt von der Eichwaldstraße bis zur Autobahn entlang des Eichwaldes. Der Name erinnert an die um 1740 durch Landgraf Wilhelm VIII entstandene Fasanerie im Eichwald. Der Eichwald ist der westlichste Ausläufer des Kaufunger Waldes. Bis zur Gründung des Dorfes Heiligenrode und der Wüstung Umbach war er noch eine zusammenhängende Waldfläche.

Die Enge der Altstadt und die aufblühende Industrie zwang die Stadtplaner mit Beginn des 20. Jahrhunderts zu weiterem neuen urbanem Wohnungsbau u. a. am östlichen Stadtrand wie dem Forstfeld, dem Lindenberg und dem Eichwald. Daneben entstand auch der Siedlungsbau vor allem für die Arbeiter der naheliegenden Industrie. Der alte Ortskern von Bettenhausen mit seinen kleinen Straßen und Gassen, an denen auch viele neue Miethäuser in der Gründerzeit entstanden waren, reichte dafür nicht mehr aus.

An die zahlreichen Mühlen, die es an der Losse gab, erinnern andere Straßennamen im Stadtteil Bettenhausen: Herwigsmühlenweg, Ölmühlenweg, Drahtmühlenweg, Zobelmühlenweg, Lohmühlenweg, Faustmühlenweg, Pulvermühlenweg, Walkmühlenstraße, Kupferhammerstraße, Eisenhammerstraße und die Straße „Am Messinghof “. Sie wurden nach der Eingemeindung der Gemeinde 1906 in das Stadtgebiet Kassel für neuangelgte Straßen in Gewerbegebieten und Wohnsiedlungen, die vor allem in den 20er und 30er Jahren des letzten Jahrhunderts entstanden, vergeben.

Der Ölmühlenweg z. B. ist nach der früher nahegelegenen Mühle benannt, die sich an der Grenze zum älteren Stadtteil von Kassel der Unterneustadt befand. Der von der Losse am Dorfplatz in Bettenhausen für diese Mühle und den Agathof, einer Achatschleiferei, abgeleitete Mühlgraben mündete kurz hinter der Anlage in den Wahlebach.

Kunigundishof lässt sich auf die Kunigunde von Luxemburg, um 980 - 1033, Kaiserin, Gemahlin Kaiser Heinrichs II., Gründerin des Nonnenklosters in Kaufungen zurückführen. Die gleichnahmige Wohnsiedlung entstand um die Kirche St. Kunigundis. Die Hessische Heimstätte begann 1928 in Zeiten großer Wohnungsnot mit dem Bau der ersten 136 Wohnungen an der Leipziger Straße, dem Kunigundishof, der Melsunger- und der Großalmeröder Straße. Die Melsunger- ersetzte die ehemalige Bezeichnung Salzmannstraße.

Die Yorckstraße, die von der Leipziger Straße südwestlich abzweigt, gehört bereits zur Unterneustadt. Johann David Ludwig Graf Yorck von Wartenburg 1759-1830 war Preußischer Generalfeldmarschall.

Eine Aufzählung der neuen Straßenbezeichnungen kann u. a. dem Amtlichen Straßenverzeichnis Kassel entnommen werden.

 

Editor: Erhard Schaeffer, Oktober 2016

 

Quellen:

  • Zolldirektor August Wochinger, Hessenland 1906
  • Amtlichen Straßenverzeichnis Kassel, 2016
  • Bettenhausen früher und heute, Stadtteilzentrum Agathof

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Kurzbeschreibung

Bettenhausen wurde erstmals 1145 erwähnt und behielt Jahrhunderte bis zur Eingemeindung in die Stadt Kassel 1906 seine Selbstständigkeit. Der durch seine Mühlenbetriebe an der Losse geprägte Ort, umschlossen von den Handelswegen Leipziger Straße, Nürnberger Straße, Hannoversche Straße und Ochshäuser Straße besaß bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts nur wenige eigene befestigte Straßen. Hier sollen nur die alten Straßennamen und ihre Entstehung erklärt werden:

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