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Es war einmal ein Hallenbad
- Autor: Erhard Schaeffer
- Zeit: 1930
- Ort: Hallenbad-Ost
- Vom: 11.11.2010
- Themen: Stadtentwicklung, Kommunale und staatliche Einrichtungen
Fast 80 Jahre war das Hallenbad-Ost an der Leipziger Straße 99 in Bettenhausen eine beliebte Adresse für die Bürger der Stadt Kassel und der Umland Gemeinden im Kasseler Osten. Im Sommer 2007 kam das endgültige Aus für das Hallenbad-Ost, es wurde wegen Baufälligkeit stillgelegt. Ein Blick zurück zeigt die Entwicklung dieser städtischen Einrichtung auf.
Anfang des 20. Jahrhunderts wuchs die Bevölkerung der Stadt Kassel schnell auf mehr als 100.000 Einwohner an. Stadt und Staat wetteiferten, Autorität, bürgerliche Kultur und Wohlstand durch Gebäude zum Ausdruck zu bringen. Von diesen Repräsentationsbauten sind heute noch die Gemäldegalerie an der Schönen Aussicht (1877), das Rathaus (1909), das Landesmuseum (1913) und die Stadthalle (1914) erhalten. In den zwanziger Jahren verlagerte sich das Schwergewicht auf Bauten der Gesundheitspflege, Sportstätten und Wohnsiedlungen. Hallenbad (Ost), Hessenkampfbahn, Kunigundishof und Rothenbergsiedlung waren der Ausdruck einer veränderten sozialen Einstellung.
Auf dem Gelände des, „Kleinen Forst" am, „Fackelteich" in der heutigen Nürnberger Straße wurde 1894 das Gaswerk in Betrieb genommen. Eng mit dem Gaswerk verbunden war das Hallenbad an der Leipziger Straße, das am 15. Juni 1930 eingeweiht wurde. Die überschüssige Wärmeenergie konnte zur Beheizung und Versorgung des Hallenbades durch einen 500 m langen Wärmekanal mit Dampf, Warm- und Kaltwasser eingesetzt werden. Die dicken Rohre verliefen entlang des Wahlebachs, unterquerten die Leipziger Straße und führten in Höhe der Einmündung der Sandershäuser Straße in das im Bauhausstil neu errichtete Backsteingebäude. Der Inhalt des Schwimmbeckens betrug 570 m³. Die Schwimmanlage bot ein Mehrzweckbecken mit angeschlossenem Nichtschwimmer-Teil (25 m x 12 m). Dieses Hallenbad war schon eine besondere Errungenschaft für die Einwohner der Stadt zu einer Zeit in dem im Altstadtbezirk drängende Enge unter hygienisch schlechtesten Bedingungen herrschte, viele Häuser noch über keine ausreichende Kanalisation verfügten und eine Badewanne nur in den Wohnungen der Bürgerhäusern des Vorderen Westen zur Ausstattung gehörten. Das wöchentliche Familienbad in der Zinkwanne in der Wohnküche konnte nun ins Hallenbad verlegt werden.
Das Bad war in den folgenden Jahrzehnten auch wichtig für den Schwimmunterricht vieler Kasseler Schulen und die Wassersport treibenden Vereine, die bis dahin ihren Sport nur in den Sommermonaten an der Fulda ausüben konnten. Viele Kindergenerationen lernten hier das Schwimmen. Heinz Vonjahr aus Salzmannshausen, Jahrgang 1932, schreibt in seiner Autobiografie: „Außerhalb des Schulsports tummelte ich mich wie ein Fisch im Wasser. Oft ging ich zum Schwimmen in das damals einzige Hallenbad Kassels, das heutige Hallenbad Ost im Stadtteil Bettenhausen. Es war für mich leicht zu erreichen, und jahrelang stieg ich dort auch einmal in der Woche in eine Volks-Badewanne, weil unsere häusliche Badewanne durch unsere Untermieter blockiert war. Dort absolvierte ich einen Rettungsschwimmer Kurs, den ich 1949 erfolgreich beendete.“
Mangels vergleichbarer Einrichtungen war das Hallenbad bei der Bevölkerung sehr beliebt und erfreute sich zunehmend hoher Besucherzahlen. In den Hallen- und Freibädern der Stadt erfrischten sich 1930, im ersten Jahr für das eine Zählung vorliegt, 230.000 Menschen. Im Jahr 1953 besuchten 238.524 Personen allein die Badeeinrichtungen des Hallenbades in Bettenhausen. Betrieben wurden und werden die Bäder von den "Städtischen Werken", die als erste kommunale Aktiengesellschaft 1929 gegründet wurden.
Im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs wurde das Badegebäude beschädigt. Das wiederhergestellte einzige Hallenbad der Stadt in der Leipziger Straße konnte 1949 wieder eingeweiht werden. Nach dem in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts in Kassel zwei weitere Hallenbäder, Mitte (1967) und Süd (1971), entstanden waren, bekam das alte Hallenbad an der Leipziger Straße die Bezeichnung Hallenbad-Ost. Zur Einrichtung gehörte inzwischen eine finnische Sauna, eine Blockhaussauna im Freigelände, ein Saunarum, Tauchbecken, Solarien, Ruheräume und eine Liegewiese. Aber in den 90er Jahren war der Glanz dieser Neuerungen verblasst. Inzwischen hatten sich die Ansprüche der Bevölkerung verändert. Jeder Haushalt verfügte längst über zeitgemäße sanitäre Einrichtungen. Öffentliche Bäder müssen seit dem immer mehr Abenteuer, Spaß und Wellness bieten. Die Besucherzahlen nahmen dementsprechend ab und das Bad wurde zunehmend renovierungs- und modernisierungsbedürftig. Das Hallenbad Ost sollte deshalb zu Beginn dieses Jahrhunderts wegen baulicher Mängel geschlossen werden. Da eine Sanierung nicht mehr wirtschaftlich schien, wollte die Stadt einen Neubau planen. Die Ortsbeiräte der Stadtteile Unterneustadt, Forstfeld, Waldau und Bettenhausen stellten dagegen 2007 beim Magistrat der Stadt Kassel gemeinsam den Antrag auf Erhaltung des Hallenbad-Ost. Eine Projektgruppe schlug 2008 in einem Ranking alternative Standorte für die Bebauung mit einem neuen Hallenbad vor:
- Auedamm
- Hallenbad Ost,
- Betriebshof Ost,
- Hauptbahnhof
- Park Schönfeld / Giesewiesen
Eine externe Beratungsgesellschaft befand dazu: „Ohne Not würde man heute ein modernes Sport- und Freizeitbad mit Saunaanlage nicht in einem Gewerbe- oder Industriegebiet platzieren.“ Man war auch der Ansicht, dass das Freizeitverhalten der Kasseler Bevölkerung sich nicht an der Stadtgrenze orientieren würde und dass die Menschen des Kasseler Ostens den Neubau eines Familien- und Freizeitbades in Niestetal bevorzugen werden. Damit kam das Aus für das Hallenbad-Ost mit der Schließung zur Sommerpause in 2007. Von der Stadtverordnetenversammlung wurde schließlich der Neubau am Auedamm beschlossen.
Zwischenzeitlich zeichnete sich eine neue Nutzung des denkmalgeschützten Backsteingebäudes aus dem Jahr 1930 ab. Die Kasseler Verkehrsgesellschaft (KVG) hatte Interesse das Bad an der Leipziger Straße zu übernehmen. Für die Erweiterung des Streckennetzes nach Vellmar und die Erneuerung des Straßenbahn-Fahrzeugparks hatte man Bedarf für Werkstätten und Büroräume an einem zentralen Ort unmittelbar neben dem Betriebshof Sandershäuser Straße.
Eine Umnutzung des unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes - Zeugnis der ausgehenden Moderne - ist aufwendig und mit hohen Kosten sowie Auflagen verbunden. Die Eigentümer Städtische Werke Kassel haben im Frühjahr 2014 das Objekt ohne eigene Nutzungsänderungen an den privaten Unternehmer Gotthard Fels verkauft. Nach seinen Plänen sollen nach Abriss der maroden Schwimmhalle in dem Objekt Büroflächen geschaffen werden. Einzelhandel und Wohnungen lehnt die Stadt an diesem Standtort ab, ebenfalls darf der Vorplatz mit den Beuys-Bäumen nicht bebaut werden. Nun muss sich zeigen ob nach sieben Jahren Stillstand diese Pläne verwirklicht werden.
2021 das Projekt von Unternehmer G. Fels ist gescheitert, die Kasseler Architekten Marc Köhler, Keivan Karampour und Thomas Meyer (KM Architekten) haben das Objekt erworben, die es nun nach der aufwendigen Sanierung der documenta 15 zur Verfügung stellen. Ein Blick in das Hallenbad Ost zeigt, das nach der Sanierung und Umgestaltung moderne Büros und Arztpraxen eingezogen sind. Die ehemalige Schwimmhalle mit Galerie steht auch für Konferenzen, Seminare, Kulturevents und private Feiern zur Verfügung.
Editor: Erhard Schaeffer, 2010, März 2014 und September 2021
Quellen:
- Kurt Klehm, Bettenhausen 1906 bis 1956
- Frank-Roland Klaube, Stadtgeschichte Kassel
- freizeitengel.de
- Abschlussbericht Projektgruppe „Standort Neubau Hallenbad“ - Stadt Kassel, 28.08.2008
- Artikel HNA-Kassel 22.01.2010, Thomas Simon
- Artikel HNA-Kassel 10.03.2014, Ellen Schwaab
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Kurzbeschreibung
Fast 80 Jahre war das Hallenbad-Ost an der Leipziger Straße 99 in Bettenhausen eine beliebte Adresse für die Bürger der Stadt Kassel und der Umland Gemeinden im Kasseler Osten. Im Sommer 2007 kam das endgültige Aus für das Hallenbad-Ost, es wurde wegen Baufälligkeit stillgelegt. Ein Blick zurück zeigt die Entwicklung dieser städtischen Einrichtung auf.
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