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Obdachlosenheime der Heilsarmee im Kasseler Osten

Einige Treppenstufen führen zum Überdachten Eingang. Über dem Eingang ein Schild Sozial-Center Kassel Heilsarmee

Eingang des Sozial-Centers Kassel der Heilsarmee
Foto: Joachim Schmidt, Mai 2023

 

Der Anstoß zu diesem Artikel.

Im März 2023 erschien in der Hessischen Allgemeinen ein Artikel über einen Obdachlosen, der drei Jahrzehnte auf der Straße lebte und darüber ein Buch geschrieben hat. In diesem Buch mit dem Titel „Kein Dach über dem Leben“ berichtet der Autor Richard Brox sehr anschaulich über sein Leben auf der Straße und wie es dazu kam. Im Heim der Heilsarmee in Kassel wurde er als Mensch geachtet und wertgeschätzt, was nicht in allen Unterkünften der Fall war. Er betreibt einen digitalen Ratgeber für Wohnungslose, indem er Ratschläge für Übernachtungsmöglichkeiten gibt und die Heime bewertet.

Wer oder was ist die Heilsarmee?

Die Heilsarmee wurde 1865 von dem Methodistenpastor William Booth (1829–1912) in London gegründet. Er sah sich bereits in seiner Kindheit mit Armut konfrontiert. Die erschütternde soziale und seelische Not seiner Mitmenschen hat ihn tief berührt. Um den zu den Randgruppen der Gesellschaft gehörenden Menschen zu helfen, erkannte Booth schon früh: Die Kirche muss zu den Leuten gehen! So nahm er seine Arbeit auf den Straßen der Ostlondoner Slums auf. Doch die Menschen, die er dort erreichte, waren bei den bestehenden christlichen Kirchen alles andere als willkommen. Mit maßgeblicher Unterstützung von seiner Frau Catherine rief Booth daher 1865 die "Ostlondoner Christliche Erweckungsgesellschaft" ins Leben, die 1878 in "Die Heilsarmee" umbenannt wurde und die Uniformen eingeführt.  Die Versammlungen (Gottesdienste) wurden in Tanzlokalen, Theatern, vor Kneipen, auf Plätzen, Straßen und in Gassen abgehalten.

1976 In einer Gaststätte wird die Frohe Botschaft verkündet und Geld gesammelt.
1976 In einer Gaststätte wird die Frohe Botschaft verkündet und Geld gesammelt.  Foto: HNA Baron

Um ihre Arbeit effektiver durchführen zu können, bedurfte es einer straff organisierten Bewegung. Darum nahm die Missionsbewegung nach und nach eine militärische Struktur an. 1878 erhielt sie schließlich ihren Namen „Die Heilsarmee“ (The Salvation Army). Die Gemeindeniederlassungen nannte man nun „Korps“, die hauptamtlichen Mitarbeiter „Offiziere“, die Mitglieder „Soldaten“ und William Booth war ihr „General“. Eine eigene Fahne und die Uniform wurden eingeführt. Die Uniform der Heilssoldaten ist noch heute ein sichtbares Bekenntnis ihres Glaubens. Sie macht Heilssoldaten als Ansprechpartner für Menschen erkennbar, die seelische, geistliche oder materielle Nöte haben. Als Dienstkleidung hat sie eine Schutzfunktion und lässt bei den Mitgliedern keine gesellschaftlichen Unterschiede sichtbar werden. Schon in der Gründungsakte wurde festgelegt, dass Frauen die gleichen Rechte (Führungspositionen, Predigen und so weiter) haben wie Männer. So bestand die Heilsarmee schon im 19. Jahrhundert darauf, dass Frauen in allen intellektuellen und gesellschaftlichen Beziehungen Männern gleichgestellt sein sollten. Frauen haben bei der Heilsarmee seit Gründung der Organisation den gleichen Status wie Männer.

1886 startete die Heilsarmee in Deutschland. Fritz Schaaff begann in Stuttgart mit der Pionierarbeit der Heilsarmee in Deutschland. Nach anfänglichen Schwierigkeiten breitete sich die Armee bald aus. Im Jahre 1894 arbeiteten bereits 84 Heilsarmeeoffiziere in 24 Korps (Gemeinden) und am Nationalen Hauptquartier (Hauptverwaltung) in Stuttgart. Mit der Eröffnung des ersten Mädchenheims in Berlin am 19. November 1897 begann offiziell die soziale Tätigkeit der Heilsarmee in Deutschland, die sich anschließend im ganzen Land ausbreitete. In den folgenden Jahrzehnten wurden die Heilssoldaten eine bekannte Erscheinung im Straßenbild der Großstädte.

4 Frauen und ein Mann singen auf dem Opernplatz mit Gitarre und Akordeon
1986 Gruppe der Kasseler Heilsarmee auf dem Opernplatz  Foto: HNA Herzog

Im Dritten Reich wurde die Heilsarmee verfolgt und unterdrückt.

In der DDR war die Heilsarmee nach dem zweiten Weltkrieg verboten.

1. Heim im ehemaligen Forstgut in der Ochshäuser Straße 6

Am 05.01.1953 bespricht der Chef der Heilsarmee in Deutschland Oberst Woods mit dem damaligen Oberbürgermeister Willi Seidel den Bau eines Übernachtungsheims. „Wir haben nicht nur eine geistige Aufgabe zu erfüllen, sondern auch eine soziale Verpflichtung“: sagt Oberst Woods. Im Jahr 1952 eröffnete die Heilsarmee vier neue Heime. 
Am 01.September 1962 übernahm die Heilsarmee das Obdachlosenasyl in der Ochshäuser Straße im ehemaligen Forstgut, allerdings unter der Bedingung, dass die Unterkünfte vorher in Ordnung gebracht werden müssten. Der 130 Quadratmeter große dunkle Männerschlafsaal in dem bisher 60 Feldbetten standen soll unterteilt und gestrichen werden. Aus den engen Frauenschlafsälen sollen saubere Räume für Dauerbewohner entstehen. Die Bettenzahl wird von 90 auf 80 verringert. Ein großer heller Aufenthaltsraum und eine moderne Küche sind geplant.
                                                                                                                                                       

Gruppe von Personen vor dem Obdachlosenheim im Forstgut
Feierstunde zur Übernahme des Obdachlosenheims im Forstgut  Foto: HNA Baron

Bereits am 04.Oktober 1962 wird das neu gestaltete Heim feierlich eingeweiht. 80 neue Betten sind aufgestellt. 20 ältere Männer sind als Dauerbewohner eingezogen. 40 bis 50 Betten sind wechselnd belegt. Schon vor dem 2. Weltkrieg waren im Forstgut Wanderarbeiter untergebracht. Bei Wanderarbeitern handelte es sich um Personen, die mit dem Zug von einer anderen Wanderarbeitstätte kamen. Sie blieben in der Regel nur einen Tag und arbeiteten vormittags ca. 4 – 5 Stunden unter der Aufsicht der Arbeiterkolonie. Beschäftigt wurden sie mit Holzhacken, Haus- und Gartenarbeiten oder sie wurden zur Arbeitsleistung an Landwirte oder an die Stadt Kassel abgegeben. Konnte ihnen an diesem Tag keine feste Arbeit vermittelt werden oder sie fanden selbst keine Arbeit, wurden sie an die nächste Wanderarbeitsstätte übergeben. Ihre Arbeitspapiere wurden per Post an diese gesandt, sie selbst mussten mit dem Zug dorthin reisen. Mit der Meldung bei einer Wanderarbeitsstätte hatten die Wanderer den Vorteil, bei der damaligen strengen Gesetzeslage nicht als wohnungsloser Landstreicher zu gelten.

Das 2. Heim in der Eisenacher Straße 18

Im Dezember 1972 wurde der Neubau an der Nürnberger Straße (Heute Eisenacher Str.18) nach nur 11 Monaten Bauzeit eingeweiht. Das Heim bietet 121 Menschen Obdach und ist seiner Zeit die modernste Anlage in der BRD. Es verfügt über Zehn-Bett-Zimmer, Drei-Bett-Zimmer und Einzelzimmer. Für Frauen gibt es einen Raum mit sieben Betten. Ferner gibt es Aufenthaltsräume und eine Großküche.

Ein dreistöckiges großes helles Gebäude. Das 1972 erbaute Sozial-Ceter Kassel der Heilsarmee
Das 1972 erbaute Sozial-Ceter Kassel der Heilsarmee  Foto: Joachim Schmidt, Mai 2023

Die Angebote des Sozial-Centers-Kassel

Übernachtung, Beratungsdienst, Wohnheim, Dezentrales Stationäres Wohnen, Sozialtherapeutische Wohngemeinschaft, Übergangseinrichtung für Frauen, Betreutes Wohnen, Eingliederungshilfe §113SGBIX, Housing First Kassel und Essensausgabe.

2015 feierte die Heilsarmee ihr 150-jähriges Bestehen.

Text und Editor: Joachim Schmidt, Juni 2023

 

Quellen:

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Kurzbeschreibung

Der Anstoß zu diesem Artikel.

Im März 2023 erschien in der Hessischen Allgemeinen ein Artikel über einen Obdachlosen, der drei Jahrzehnte auf der Straße lebte und darüber ein Buch geschrieben hat. In diesem Buch mit dem Titel „Kein Dach über dem Leben“ berichtet der Autor Richard Brox sehr anschaulich über sein Leben auf der Straße und wie es dazu kam. Im Heim der Heilsarmee in Kassel wurde er als Mensch geachtet und wertgeschätzt, was nicht in allen Unterkünften der Fall war. Er betreibt einen Ratgeber für Wohnungslose, indem er Ratschläge für Übernachtungsmöglichkeiten gibt und Heime bewertet.

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