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Kein Auge ist wie das andere
- Autor: Bernd Schaeffer
- Zeit: 1948
- Ort: Leipziger Straße < Leipziger Platz
- Vom: 30.04.2023
- Themen: Firmen- und Industriegeschichte, Handel und Dienstleistungen
Am 22. November 1948 eröffnete Heinrich Osterberg (*16.03.1917 +05.09.1996) als Optikermeister sein Geschäft in der Leipziger Straße 153. Es war der Start für eine beachtenswerte Erfolgsgeschichte als Unternehmer. In den folgenden 50 Jahren eröffnete er unter seinem Firmennamen „Optiker Osterberg“ acht Ladengeschäfte mit Werkstatt in Kassel und Nordhessen. Als anerkannter Fachmann erhielt er höchste Auszeichnungen und für seine wirtschaftlichen Erfolge das Bundesverdienstkreuz am Bande.
Das Geburtshaus von Heinrich Osterberg stand am Inselweg in Bettenhausen direkt an der Losse. Hier wurde er im Ersten Weltkrieg am 16. März 1917 geboren und ging in die örtliche Bürgerschule. Nach erfolgreicher Ausbildung zum Augenoptiker machte er schon mit 23 Jahren seine Meisterprüfung. Gemeinsam mit seiner Frau Anneliese Osterberg geb. Pfeiffer (*10.11.1921 +21.03.1995) eröffnete er kurz nach dem Zweiten Weltkrieg am 22.November 1948 in der Leipziger Straße 153 seinen ersten Laden.
Anfänglich noch für Photo und Optik konzipiert, spezialisierte er sich wenig später auf die Herstellung und den Verkauf von Gläsern und Brillen. Sein Markenname wurde „Optiker Osterberg“. In dieser Zeit hat er direkt über dem Geschäft in der Leipziger Straße gewohnt.
Um auch die Kunden aus der Kasseler Innenstadt zu gewinnen, eröffnete er 1955 eine Filiale direkt Am Stern. Seinen Wohnsitz verlegte Heinrich Osterberg in 1953 in den Inselweg Haus Nummer 16.
Als die Fläche des Geschäftes mit angeschlossener Werkstatt im Sinnigschen Haus zu klein wurde, baute H. Osterberg 1960 ein mehrstöckiges Wohn- und Geschäftshaus in der Leipziger Straße 115. In die 1. Etage zog 1964 der Augenarzt Dr. Peter Zwecker ein. Im Nebenhaus Nr. 113 betrieb die Apothekerin Erika Burmester die Dr. Gaze´s Alte Apotheke.
Eine internationale Ehrung erfuhr H. Osterberg im September 1956. Für seine bahnbrechenden Entwicklungen auf dem Gebiet der Augenuntersuchung erhielt er als erster Deutscher in Berlin den „Deutschen Preis für Optometrie“ verliehen von der „Deutschen Gesellschaft für Optometrie“. Die Entwicklung für Instrumente zur Feststellung und Behandlung von Sehschwächen waren sein Spezialgebiet. Dazu gehörten u.a. Apparate mit den Namen Antikorrekt nach Osterberg, Prismenkompensator, Heterophorometer, Stielprismenkompensator und Zwei-Farben-Nahprüfgerät. Alle genannten Geräte waren in der damaligen Zeit notwendig, das richtige Glas für ein fehlsichtiges Auge zu finden.
Während Heinrich Osterberg als Obermeister der Innung seine Kraft in die Weiterentwicklung und Anwendung der optischen Instrumente steckte, kümmerte sich seine Frau Annelise als Prokuristin in erster Linie um die geschäftliche Seite des Unternehmens. Ein On-dit welches in Bettenhausen schnell die Runde machte, berichtet über eine verbale Auseinandersetzung der geschäftstüchtigen Prokuristin mit einem für sie zuständigen Finanzbeamten. So soll sie dem Beamtem beim Verlassen der Amtsstube zugerufen haben. „Glauben sie denn, wir hätten einen Dukatenscheißer?“
Nachdem 1964 Am Altmarkt in einem markanten Eckgebäude eine moderne Filiale eröffnet worden war, konnte das Geschäft Am Stern geschlossen werden. Es kamen in der Folgezeit Filialen in Bad Arolsen, Wolfhagen, Kaufungen, Lohfelden, Ihringshausen und in Kassel in der Wilhelmshöher Alle 294 dazu.
„Optiker Osterberg“ war eine erfolgreiche und etablierte Marke in Kassel und Nordhessen. Heinrich Osterberg engagierte sich als Verbandsfunktionär in Kasseler und hessischen Innungsämtern und war zeitweise Vorstandsmitglied im Bundesinnungsverband der Augenoptiker. Für seine berufspolitischen Aktivitäten, die wissenschaftliche Entwicklungen und den geschäftlichen Erfolg erhielt H. Osterberg im November 1980 aus der Hand des Präsidenten der Handwerkskammer, Kassel Richard Wurbs, das Bundesverdienstkreuz am Bande. Mit 63 Jahren war H. Osterberg auf dem Höhepunkt seines Erfolges. Er war Arbeitgeber von mehr als 30 Mitarbeitern und zahlreichen Auszubildenden, von denen einzelne sich später mit Erfolg selbstständig machen konnten.
Bei der Eröffnung der Filiale in der Wilhelmshöher Alle in 1987 unter der Geschäftsleitung des Sohnes Heinrich, gen. Heiner, Osterberg zeigte der Designer Luigi Colani die „größte Brille der Welt“. Sie war 10 m lang, 3 m hoch und wog etwa eine 1 t. Sie war aus massivem Mahagoniholz gefertigt und sollte ein Zeichen setzen für die exklusive Brillen-Kollektion und die Erfüllung höchster Kundenansprüche an diesem Standort. Mit fast 70 Jahren zog sich Heinrich Osterberg aus dem operativen Geschäft zurück und überließ die Führung des Unternehmens seinem Sohn Heiner. Dieser versuchte in den folgenden Jahren durch künstlerische Akzente der Firma ein neues Image zu verleihen. Im Rahmen der Erweiterung von Dienstleistungen am Kunden kam die Anpassung von Kontaktlinsen und der aufstrebende Bereich der Hörakustik hinzu. Gleichzeitig entstand eine tiefgreifende Wandlung der Augenoptikerbranche durch die Tätigkeit bundesweit agierender Anbieter wie z.B. Apollo-Optik und der Fielmann AG.
Der Augenoptikermeister Heinrich Osterberg überlebte seine Frau Anneliese und starb am 5. September 1996. Er wurde auf dem Hauptfriedhof in Kassel beigesetzt. Zu den Trauenden zählten außer seiner Familie viele langjährige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Den Nachfolgern war es nicht vergönnt sein Lebenswerk, die „Osterberg-Gruppe“ mit 50 Mitarbeitern, erfolgreich weiterzuführen. Am 30. September 2005 wurde beim Amtsgericht in Kassel der Insolvenz-Antrag gestellt. Vorläufiger Insolvenzverwalter wurde der Rechtsanwalt Carsten Koch. Die Folgen der Gesundheitsreform 2003/2004 waren schließlich ausschlaggebend für das Ende des Handwerkbetriebes nach mehr als 50 Jahren. Brillengestelle waren nach der Reform nicht mehr verschreibungsfähig, es gab die ungeliebten „Kassengestelle“ nicht mehr.
Ambitionierten Mitarbeitern und dem Insolvenzverwalter gelang es, den Betrieb und die Fortsetzung des Verkaufs in fünf Filialen sicher zu stellen, und damit Arbeitsplätze zu retten und ein breites Angebot an Seh- und Hörhilfen für die Patienten in Kassel und Nordhessen zu erhalten.
In der Leipziger Straße 115, dem ehemaligen Hauptgeschäft der Fa. „Optiker Osterberg“ werden auch in 2023 von engagierten Augenoptikern in der Firma „Optic Wagner & Nicolaus GmbH“ moderne Brillen und Hörgeräte angeboten.
In der Leipziger Straße 187 betreibt Heiner Osterberg die „Optic-Osterberg Ltd“ mit Firmensitz in Birmingham.
Text und Editor: B. Schaeffer, April 2023
Quellen:
- Archiv der HNA mit Ausgaben der Jahre 1948, 1956, 1964, 1979, 1980, 1987, 1989, 1995, 1996 und 2006
- Klehm, Kurt, Eine Chronik, Bettenhäuser Verlag, Kassel-B, 1956
- Fotos: J. Schmidt, Kassel
- optic-osterberg.de
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Kurzbeschreibung
Am 22. November 1948 eröffnete Heinrich Osterberg (*16.03.1917 +05.09.1996) als Optikermeister sein Geschäft in der Leipziger Straße 153. Es war der Start für eine beachtenswerte Erfolgsgeschichte als Unternehmer. In den folgenden 50 Jahren eröffnete er unter seinem Firmennamen „Optiker Osterberg“ acht Ladengeschäfte mit Werkstatt in Kassel und Nordhessen. Als anerkannter Fachmann erhielt er höchste Auszeichnungen und für seine wirtschaftlichen Erfolge das Bundesverdienstkreuz am Bande.
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