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Die wilden Zeiten des Freien Radio Kassels
- Autor: Erhard Schaeffer
- Zeit: 1997
- Ort: Salzmann & Comp.
- Vom: 26.02.2023
- Themen: Fotos, Tonaufnahmen und Videos, Menschen erzählen
Sie war Geburtsstätte eines Trickfilm Oscars, eines europaweit berühmten Techno-Clubs und des Freien Radio Kassels (FRK) - die Kulturfabrik Salzmann war das kulturelles Zentrum der 1990er Jahre im Kasseler Osten. FRK-Mitgründer Frank Weißenborn lässt in einem Interview mit Simon Meding vom Campusradio die "wilden Zeiten" des Radios zwischen Aufstieg und Niedergang der heutigen Bauruine Revue passieren.
Simon: Campus Radio Kassel im Freien Radio Kassel auf 105,8 und im Webstream Hallo und herzlich willkommen im neuen Jahr beim Campus Radio Kassel. Ich hoffe, ihr habt eure Feiertage gut verlebt und wenn das mit der Familie immer so ein bisschen stressig ist, dann hoffe ich, dass ihr möglichst wenig Stress hattet. Bei uns gab es ja das letzte Jahr etwas zu feiern, nämlich sechs Jahre Campus Radio Kassel und wir feiern quasi jetzt gleich weiter, weil unsere Sendelizenz für das Freie Radio Kassel, auf der wir senden auf der Welle 105,8 oder im Webstream, diese Sendelizenz wurde auch verlängert und das war für uns Grund genug, für das Campus Radio Kassel mal so ein bisschen die Geschichte des Freien Radios aufzuarbeiten. Und bei mir sitzt jetzt Frank Weißenborn. Frank, ich gelte im Campus Radio Kassel immer so ein bisschen als der Campus Radio-Opi. Bist du der Opi des Freien Radio Kassels?
Frank: So ist es, Simon, und der Opi wird heute vom Krieg erzählen. Nein, es ist so dass ich wirklich dadurch, dass ich schon seit fast Anfang an dabei bin, einer der etwas betagteren Mitarbeiter des Freien Radios inzwischen bin. Es gibt nur einige Kollegen, die auch ungefähr in der Zeit angefangen haben, also vor inzwischen über 25 Jahren, aber ich bin natürlich auch schon einer von denen, die zur ersten Generation zählen. Inzwischen sind wir hier, keine Ahnung, die dritte Generation von Leuten, die Radio machen, aber der Begriff Radio-Opi ist vielleicht nicht so ganz aus der Luft gegriffen.
Simon: Ja, also bei uns im Campus Radio gibt es halt auch eigentlich immer diesen Spruch, wenn man nicht weiter weiß, geh doch zu Frank.
Frank: Gibt es nicht nur bei euch im Campus Radio.
Simon: Ja, genau, ich komme da auch gleich noch mal zu. Im Verlauf der Sendung können wir die ganzen Anekdoten mal durchgehen. Ja, das Freie Radio, was ist eigentlich Radio? Also wir haben das Jahr 1923, es wird gerade durch die Feuilletons rauf und runter diskutiert, dass das Jahr 1923 ein wahnsinnig geschichtsträchtiges Jahr ist, weil es ein 100-jähriges Jubiläum des Jahr 1923 ist und 1923 ist auch das Jahr, in dem Radio erstmals deutschsprachig auf Sendung gegangen ist, Frank?
Frank: Ja, das ist richtig, Simon. Das Jahr 23 war ohnehin ein sehr geschichtsträchtiges Jahr, Inflation Ruhrkampf und so weiter. Also das war ein Jahr, wo quasi bestimmte Weichen auch schon gestellt worden sind für das, was danach kam. Und tatsächlich im Jahr 1923 ist erstmals in Deutschland offiziell ein Radioprogramm auf den Sender gegangen. Das war damals noch was ungewöhnliches, eigentlich eher so eine Geschichte für ein paar Nerds und Technikexperten. Es konnten auch nur wenige Leute empfangen, weil nur wenige Leute so ein Empfangsgerät hatten. Aber tatsächlich ist im Jahr 23 zum ersten Mal in Deutschland Radio ausgestrahlt worden. In Amerika gab es es schon vorher, schon seit den Jahren zuvor. Aber in Deutschland auch hat es sich dann relativ schnell verbreitet, sodass dann in den nächsten Jahren das eigentlich zu einem Massenphänomen wurde, zu einem Massenmedium, bei dem auch viele Leute dann eben zugehört haben. Vorher war es ja so dass es im Prinzip nur die Zeitungen gab als Massenmedium, Film, Stummfilm damals noch. Aber die Zeitungen waren eben das wichtigste Medium zum Transport von Informationen und Kultur und Unterhaltung. Und das Radio hat dann eben relativ schnell sich einen wichtigen Platz erarbeitet. Und diesen wichtigen Platz in der Mediengesellschaft hat das Radio eigentlich über die letzten 100 Jahre mehr oder weniger behalten. Es gab immer Hochs und Tiefs, aber letzten Endes ist das Radio immer noch da und es wird wahrscheinlich auch eine ganze Weile existieren, wenn auch möglicherweise dann in Zukunft nicht mehr über terrestrische UKW-Frequenzen, sondern auf digitalem Weg und vielleicht auch nicht mehr als lineares Radio, sondern dann eher on demand sozusagen, zeitsouverän, aber das Radio als solches, also dass man eben akustisch Beiträge hören kann, das wird es auch noch weiter hingeben, da bin ich ziemlich sicher.
Simon: Und was haben sie da, weißt du das zufällig, was Sie da damals so am Anfang in den Dinosaurier-Jahren des Radios gemacht haben? Also heute haben wir ja hauptsächlich so Musiksender. War das damals auch schon das Ding oder wurde da eher gelabert oder was war da los?
Frank: Ja, das ist eine sehr gute Frage. Es gibt leider keine Aufzeichnungen aus dieser Zeit, weil in den ersten Jahren gab es noch nicht die Möglichkeit, das mitzuschneiden in irgendeiner Form, aber was die Technik betrifft, da müssten Sie sich an unseren Cheftechniker wenden, der kann dir da sehr ausführlich Auskunft geben. Erst ab Ende der 20er Jahre gibt es die ersten Aufzeichnungen, da wurden dann auch schon Hörspiele produziert die dann später gesendet wurden und am Anfang wurde eben live gesendet und auch relativ schnell hat die Politik Einfluss genommen, weil man natürlich auch die Angst hatte, dass so ein Medium wie das Radio, das eben von vielen Leuten gehört werden kann, dass es auch Einfluss nehmen kann, politischen Einfluss nehmen kann und es war am Anfang ein sehr bildungsbeflissenes Programm. Es gab also sehr viele Vorträge, sehr viele Professoren, die irgendwelche Ratschläge gegeben haben. Musik, meistens klassische Musik, die dann auch live gespielt wurde oder auch Unterhaltungsmusik teilweise. Oft waren die Sendungen auch nicht jetzt 24 Stunden rund um die Uhr, sondern nur zu bestimmten Zeiten. Aber so mit der Zeit, gab es dann eben auch Reportagen, also dass beispielsweise irgendein Reporter sich irgendwo hingestellt hat, auf die Straße berichtet hat oder von Sportveranstaltungen es gab auch schon Übertragungen von Sportereignissen, Fußballspielen und so weiter. Also im Prinzip schon so was ähnliches wie heute, natürlich mit anderen Schwerpunkten, aber vor allem das Wichtige war damals und da kommen wir sicherlich auch noch drauf, es war sozusagen ein Staatsfunk. Das heißt der Staat, die Regierung hat den Daumen drauf gehabt und es wurde auch zensiert. Alles was nicht, oder was ja ansatzweise nur, nicht ins Konzept passte und gefährlich schien, das wurde nicht gesendet und da hat man dann später auch gewisse Schlüsse raus gezogen, aber da kommen wir dann vielleicht auch später noch zu.
Simon: Genau, also mir fällt jetzt sofort, dass diese propagandistische Instrumentalisierung des Nationalsozialismus ein, der ja das Radio auch als das Propagandamedium schlechthin überhaupt benutzt hat.
Frank: Genau, man hat ja dann, als die Nazis '33 an die Macht kamen der Goebbels hat ja im Prinzip einen komplett funktionsfähigen Radioapparat dann deutschlandweit übernommen, weil das ja alles wie gesagt zentralisiert war und die Nazis mussten nur die entsprechenden Stellen dann besetzen mit ihren Leuten und hatten quasi den Zugriff auf die kompletten Programme. Und Goebbels hat schon im, ich glaube, Frühjahr '33 bei einer Rede vor den Programmdirektoren, Programmverantwortlichen der Radiostationen gesagt, wir machen keinen Hehl daraus: "Der Rundfunk gehört uns und den werden wir in den Dienst unserer Idee stellen und keine andere Idee soll hier zu Worte kommen", Zitat Ende. Und das haben die Nazis dann auch die nächsten zwölf Jahre komplett und konsequent durchgesetzt und die haben den Rundfunk wirklich wie du es eben schon gesagt hast, als Propagandainstrument genutzt, so wie das vorher und nachher wahrscheinlich nie der Fall gewesen ist, so konsequent. Und man hat dann eben nach dem Krieg die Konsequenzen daraus gezogen und hat gesagt, es darf nie wieder so sein, dass der Rundfunk in irgendeiner Form von der Politik vereinnahmt und instrumentalisiert wird und für Propagandazwecke genutzt wird, aber das hat natürlich dann letzten Endes wirklich nicht funktioniert oder nicht wirklich funktioniert, denn es gab ja immer dann wieder Leute, die den Rundfunk als Propagandainstrument genutzt haben, nicht nur im Osten, sondern auch in anderen Ländern
Simon: Genau und wir haben deswegen diese Rundfunkstruktur, wie wir sie heute alle kennen manche mögen sie, manche mögen sie nicht. Genau, wir hier in Hessen sind Angehörige des hessischen Rundfunkgebietes. Genau und dann gibt es ja irgendwie noch diese, ja die Outlaws sage ich jetzt mal, die freien Radios. Wann kamen die denn dazu?
Frank: Also das ist richtig, Simon, in Deutschland ist nach dem Krieg eine föderale Rundfunkordnung geschaffen worden, das heißt, Rundfunk ist Ländersache, Medien sind Ländersache und die Rundfunkstationen sind formal unabhängig, aber faktisch haben natürlich die politischen Kräfte Einfluss, indem sie beispielsweise Programmdirektoren oder Intendanten, die ihre jeweiligen politischen Couleur entsprechend auf die Plätze setzen. Und es ist klar, dass natürlich ein Sender wie beispielsweise der Bayerische Rundfunk bekanntermaßen durchaus staatsnah ist, also CSU-nah und andere Sender, wie zum Beispiel lange Zeit war das der Westdeutsche Rundfunk, weil da die SPD Mehrheiten hatte, die hatten die dann auch von der Rundfunkpolitik her natürlich Einfluss genommen. Also von daher gesehen, in der Staatsferne ist das immer so eine Geschichte. Es gab bis 1985, oder so, in Deutschland nur öffentlich-rechtliche Sender dann, das war sozusagen ein Ergebnis auch der Kohl-Regierung damals, der politischen Wende als dann die CDU in die Regierung kam, hat man auch kommerzielle Radios zugelassen, also das was heute eben Radio FFH ist und andere, kommerzielles Radio, kommerzielles Fernsehen und gleichzeitig hat man auch gesagt, man muss auch die Bürger beteiligen. Es gab in anderen Ländern, in den USA schon seit den 30er Jahren glaube ich, dann wirklich freie Radio Stationen die teilweise ehrenamtlich unabhängig, ohne Werbung, Sendungen gemacht haben. In Deutschland gab es das zunächst nur in Form von Piratenradios in den frühen 80er Jahren schon, beispielsweise auch im Zusammenhang mit Umweltbewegungen, damals Anti-Atom-Bewegungen und so weiter. Und die haben sich dann einfach irgendwo hingestellt und haben einen natürlich illegalen Radiosender gebaut das ist kein großes Problem offenbar, mit dem man dann über UKW-Frequenzen zumindest in einem bestimmten Raum senden kann und das war wie gesagt illegal, die sind dann teilweise auch dann von der Polizei gesucht worden und so weiter. Und etwa Mitte der 80er Jahre gab es noch die ersten legalen Fernseh- und Radiosender, es ging glaube ich in Rheinland-Pfalz los, da gab es Testprogramme. Man war natürlich damals auch noch ein bisschen vorsichtig, weil man Angst hatte, wenn jetzt der normale Bürger die Möglichkeit hat, Radio und Fernsehen zu machen, was erzählt er da? Also ein Programm, das quasi nicht kontrolliert und nicht gefiltert wird durch Chefredaktionen oder durch kommerzielle Erwägungen, da waren viele Politiker erst mal sehr sehr skeptisch und es hat auch eine ganze Weile gedauert, bis beispielsweise bei uns hier in Hessen die ersten freien Radios auf Sendung gegangen sind. Bei uns war das Mitte der 90er Jahre. Es gab zunächst mal die Offene Kanäle in Hessen, hier auch der Offene Kanal Kassel, die sind 1992 auf Sendung gegangen, auch teilweise gegen erbitterten Widerstand aus der Politik und dann Mitte der 90er Jahre ging es dann mit den freien Radios los. Da ist dann das Gesetz geändert worden, sodass es die Möglichkeit gab in Hessen auch an bestimmten Stellen solche nicht kommerziellen Lokalradios zu installieren und wir hier in Kassel haben 1994 angefangen einen Verein zu gründen, der sich zum Ziel gesetzt hat, eben auch in Kassel ein freies Radio auf die Schiene zu setzen und das hat dann eine Weile gedauert noch, bis die Frequenz gefunden war und sich alles dann auch politisch organisiert hatte und wir konnten dann schließlich im Frühjahr 1997 anfangen zu senden.
Simon: Ja Frank, lass uns noch mal ganz kurz innehalten, weil ich finde du hast da gerade einen ganz spannenden Punkt gesagt mit dem erbitterten Widerstand aus der Politik und zwar finde ich das deswegen so spannend, weil es ja gleichzeitig in der gleichen Zeit von der Politik ein, ich sag das jetzt auch mal, erbittertes Vorantreiben der Privatsender gegeben hat und hat euch dieses... war das ein Argument für die freien Radios oder ist das quasi eine Parallel-Entwicklung gewesen und man hat einerseits den privaten Rundfunk supportet und den BürgerInnenfunk versucht unter der Decke zu halten?
Frank: Ja das hatte miteinander zu tun, das ist auch eine zeitliche... zeitgleich gewesen. Das war im Prinzip eine Art Kompensation dafür, dass man dann den Privatrundfunk zugelassen hat, indem man gesagt hat gut, aber wenn jetzt die privaten, die Firmen also das sind ja alles private Firmen, alles Konzerne, ob das jetzt Springer ist oder Sat Kirch und so weiter, wer damals, Bertelsmann, wer damals diese Privatsender auf die Schiene gesetzt hat, da muss man eben auch den Bürgern die Möglichkeit geben Radio zu machen auf lokaler Ebene, also im regionalen Bereich kleine Sender zu machen, die dann eben sozusagen auch dem einfachen Bürger die Möglichkeit geben das zu machen. Man hat, du hast es richtig gesagt man hat die kommerziellen supported, aber natürlich mit dem Hintergedanken, ein kommerzieller Radiosender, der wird zum einen von einem Konzern getragen und das sind eben auch natürlich Leute die auch politisch dann bestimmte Richtungen vertreten, also die waren alle konservativ ob das jetzt Leo Kirch ist oder wie sie alle hießen, Reinhard Mohn, die ganzen Leute die in den 80er Jahren kommerzielle Radio Stationen gemacht haben, das waren Leute die CDU nahe waren und deswegen ist das eben von der CDU auch supported worden, weil sie auch wussten dass sie von denen nichts zu befürchten haben, weil die natürlich wie gesagt rein kommerziell orientiert waren und das heißt auf Unterhaltung hin. Von denen waren keine widerständigen Geschichten oder so zu erwarten, obwohl es das dann teilweise im Radiobereich auch gab. Aber jedenfalls waren die nicht kommerziellen, die Bürgerradios, bei denen war das eben nicht so viele nicht kommerzielle Radios sind dann teilweise auch aus den beispielsweise aus Anti-Atom-Bewegungen oder so entstanden und da hat man dann gesagt, wenn jetzt die Anarchisten und die Linken und die Grünen die Möglichkeit haben, auf Sendung zu gehen und Radio zu machen dann ist sozusagen "Polen offen" und dann ist, ja dann bricht die Welt zusammen und von daher gesehen gab es da schon Widerstand. Es gab aber merkwürdigerweise auch aus ganz anderen Ecken Widerstände, das glaubt man heute gar nicht mehr und zwar war es damals, als wir angefangen haben im Mitte der 90er Jahre so, dass wir Widerstand von Seiten der Gewerkschaften hatten, von Seiten der IG Medien, das ist heute verdi, damals war das noch die IG Medien, also die Journalistengewerkschaft weil die gesagt haben, Journalismus ist ein anerkannter Beruf, der bezahlt werden muss und wenn nun Leute kommen, Hobby-Journalisten, Bürger, die sagen so, ich will einfach Radiosendungen machen, ich will journalistisch tätig sein, ich will Beiträge machen zu irgendwelchen lokalen regionalen, politischen Themen oder ich will Musiksendungen machen, dann untergräbt das sozusagen den professionellen Journalismus unter Umständen und deswegen gab es tatsächlich auch von Seiten der Gewerkschaften Widerstände. Es gab auch hier in Hessen aus einigen Ecken von der SPD, gab es Widerstände, weil die SPD damals in den 90er Jahren sehr stark auf Seiten des hessischen Rundfunks gewesen sind und da gab es Leute, einflussreiche Leute von der SPD, die gesagt haben also keine Frequenz und kein Pfennig Geld für irgendwelche Hobbyfunker, was dann dem hessischen Rundfunk fehlt. Die haben also voll auf den HR gesetzt und haben uns als kleine Radiomacher sehr skeptisch gesehen und zunächst mal sehr distanziert betrachtet. Also von daher gesehen eine interessante Gemengelage aus heutiger Sicht und eigentlich eine Sache, die vielleicht auch wissenschaftlich erarbeitet werden müsste.
Simon: Ja, vor allen Dingen, weil diese Debatte, die du jetzt gerade beschreibst mir sehr bekannt vorkommt in Bezug auf heutige InfluencerInnen und sowas, da wird ja auch im Grunde genau die gleiche Debatte immer noch anscheinend geführt, wie du sie schon damals beschrieben hast. Und genau, und ihr habt dann halt quasi Anfang, Mitte der 90er Jahre einfach gesagt: "wir wollen jetzt auch".
Frank: Genau, es ging dann durch die Presse, dass die Hessische Landesregierung die damals rot-grün war unter Hans Eichel, dass die auch wie in anderen Bundesländern wie gesagt in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz gab es das ja ohnehin schon, auch in Bayern und wir wollen das auch in Hessen haben. Es gab immer wieder dann auch die Anforderungen, es hatten sich in verschiedenen Städten schon in den 80er Jahren teilweise Vereine gegründet, die gerne Lokalradio machen wollten, nicht kommerziell das Lokalradio machen wollten und irgendwann hat die Politik dann sich bereit gefunden, das auch dann ins Gesetz zu schreiben und das zu ermöglichen. Das lief dann über die Landesmedienanstalt hier oben, die bei uns in Kassel sitzt. Und wir haben dann ja einen Verein gegründet, das war quasi auch eine Ausgründung, deswegen passt das auch ganz gut mit dem Campus Radio hier. Aus der Kassel-Uni, am Anfang war das ein reines Studentenprojekt also wir waren damals alle Studis, die das gemacht haben, die den Verein gegründet haben und ich glaube so die erste Zeit waren das auch weitgehend Studenten, die das betrieben haben, wenn ich mich recht erinnere, aber so nach und nach, es ging dann auch durch die Presse, es wurden in den HNA-Artikel veröffentlicht und so weiter, dass wir eben planen ein Radio aufzumachen und da kamen dann eben auch Leute aus anderen Bereichen, teilweise ältere Leute, die gerne Radio machen würden die alle dann ihre Ideen hatten, was sie eben im Radio verbreiten wollten. Die einen wollten Musik-Sendungen machen, die anderen politische Sendungen, es gab dann keine Ahnung, Greenpeace und Amnesty International und keine Ahnung wer alles dabei war, die dann eben auch ihre Sendungen machen wollten und wir haben aber dann, wie gesagt, noch ungefähr drei Jahre gebraucht bis dann eine UKW-Frequenz gefunden war und bis dann eben auch die Politik wirklich im Gesetz das so fest verankert hatte, dass es auch möglich war dann diese Frequenzen auszuschreiben, da gab es Ausschreibungsfristen und so weiter, wir mussten dann fette Anträge stellen und das hat auch noch sich hingezogen und wir mussten dann mit denen reden und so weiter, bis dann letzten Endes die Frequenzen verteilt wurden und vergeben wurden und wir dann starten konnten.
Simon: Okay, wie muss ich mir denn diese wilde Anfangszeit vorstellen? Also hattet ihr Räumlichkeiten? Wie habt ihr auch schon Beiträge produziert, wenn du sagst ihr hattet noch keine Sendelizenz, oder habt ihr euren ganzen, ganze Energie darauf verwendet eine Sendelizenz zu bekommen? Wie waren diese wilden Anfangsjahre?
Frank: Die Anfangsjahre, Simon, waren richtig wild, das kann man wirklich sagen, wie gesagt das war ja auch noch eine politisch sehr aufgeladene Zeit und das Radio, die Leute die damals beim Radio dabei waren am Anfang, das waren zum großen Teil Leute aus der, ich will mal sagen "linksalternativen Szene", also als ich dazu kam, ich hatte mit dieser Szene überhaupt nichts zu tun, ich kannte davon keinen, ich wollte einfach Musik-Sendungen machen und ich habe mich da erst mal wie soll ich sagen, etwas einsam gefühlt, weil ich da mit Leuten zu tun hatte, die ich auch mit Strukturen und Zusammenhängen zu tun hatte, mit denen ich überhaupt noch nie zu tun hatte vorher das waren Leute, die dann beispielsweise damals die Bauwagenplätze ja illegal bewohnt haben oder die aus dem autonomen Zentrum kamen oder die aus sehr autonomen und alternativen Kultureinrichtungen gekommen sind bis hin zu Leuten, die teilweise, ja sagen wir mal, auch schon polizeilich in Erscheinung getreten waren wegen, keine Ahnung, Widerstand gegen die Staatsgewalt und solchen Geschichten, also es war eine sehr bunte und sehr heterogene Truppe und entsprechend gab es auch am Anfang sehr heftige Debatten über beispielsweise, also als wir noch gar keine Lizenz hatten, ist dann in langen und ausführlichen Sitzungen stundenlang debattiert worden über das, was man mit dem Radio machen darf, ob man da auch Gesetze brechen darf, oder ob man da, keine Ahnung, sich gegen die Regierung stellen muss, und ob man notfalls auch, keine Ahnung, juristische Probleme in Kauf nehmen sollte und so weiter. Also darüber ist dann debattiert worden und gestritten worden und es war eine sehr sehr wilde und sehr aufregende Zeit damals. Und es war zum einen natürlich, was du gesagt hast die Bestrebung natürlich mit der Politik und mit den Verantwortlichen, mit der Verwaltung mit der LPR und so weiter, Landesmedienanstalt zu reden, weil wir ja nun Lizenz brauchten. Dafür war ich dann zuständig. Ich habe mich dann wirklich in mein Anzug-Jackett geschmissen bin zu denen da hochgefahren und habe versucht, mit denen eben ernsthaft zu reden über die Geschichten, während natürlich dann in der Gruppe, in der Radio-Gruppe, dann die Köpfe heiß geredet wurden über die Frage, ob man denn die kurdischen Aktivisten von der PKK bei uns auch im Radio sprechen lassen dürfte und denen eine Sendezeit geben musste, oder ob man die aus Sicherheitsgründen lieber doch draußen lassen sollte. Also wie gesagt, es war eine sehr wilde und sehr spannende Zeit teilweise auch mit Rückschlägen, weil Frequenz-Ausschreibungen dann wieder zurückgenommen worden sind und so weiter. Also war eine spannende Sache. Und als wir dann auf Sendung gegangen sind, im Frühjahr 1997 übrigens parallel zu Documenta damals, am gleichen Tag wo die Documenta 97 gestartet ist, sind wir auf Sendung gegangen und da war noch ein ziemliches Chaos und es war noch ein ziemliches Durcheinander, aber das hat eine Weile gedauert, bis sich das dann alles so ein bisschen entspannt hatte.
Simon: Ja, wart ihr denn dann... also ich versuche mir gerade so ein bisschen diese Zeit vorzustellen, in der ich selber ja ein kleiner Dötzke war.
Frank: Ja, Opa, das warst du...
Simon: Und für die noch jüngeren HörerInnen unter euch, das ist eine Zeit, ich weiß nicht, die allerwenigsten hatten glaube ich ein Handy.
Frank: Nee, das gab es glaube ich noch gar nicht. Ja, doch, ich glaube das gab es, glaube ich schon. Dieses C-Netz, das waren so riesige Dinger, die musst du so am Ohr festschweißen oder so.
Simon: Genau, so Knochen.
Frank: Genau diese Knochen.
Simon: Und Internet hat, glaube ich, wenn man das immer ins Internet gehen wollte, erst mal so ein Gedudel gemacht mit dem Modem und war unfassbar teuer.
Frank: Ja.
Simon: Und dann kamt ihr da an mit so Technik-Shit. Wart ihr die Coolen?
Frank: Wären wir gerne gewesen, ja. Wir haben damals einen Raum gehabt, wir hatten einen Kollegen, der Mark, der war damals im AStA, übrigens der AStA war auch sehr stark mit uns verbandelt damals, damaliger AStA. Und es gab einen Raum, das ist wie ich das, ich habe neulich gesehen, das ist inzwischen ein ganz schnöder Seminarraum, der ist da an der, ich glaube an der Nora-Platiel-Straße, da auf dem Uni-Gelände. Und den hatten wir sozusagen requiriert, das war der AStA Medienraum und da haben wir so eine Art provisorisches Büro gemacht Wir haben ja damals noch Räumlichkeiten gesucht und haben dann letzten Endes die alte Salzmann-Fabrik gefunden, wo wir ja dann die ersten 15 Jahre drin waren und gesendet haben. Das war schon irgendwie cool. Und ich muss sagen, ich habe damals auch teilweise überhaupt nicht verstanden, was die eigentlich machen, weil es gab dann auch schon diese Gruppe von Nerds, ne, von wegen Computer Da gab es dann solche, sagen wir mal, auch bisschen linken Computernetzwerke. Das war damals auch noch lange vor Google und so, das gab es alles noch gar nicht, aber es gab eben schon Leute, die eben sich mit Vernetzungen beschäftigt haben und da schon angefangen haben und das hat natürlich schon auch ineinander gegriffen und die waren dann eben auch dabei beim Radio und wir waren damals auch schon relativ früh, ich glaube, das war auch schon ein bisschen Pioniergeschichte gab es dann schon die Möglichkeit, z.B. E-Mails zu verschicken oder so, aber dann eben, wie gesagt über solche Netzwerke, die dann da irgendwie zusammengebastelt worden sind. Das war, wie gesagt auch schon durchaus eine Verbindung zwischen der alten Technik, Radio, also UKW-Sendungen machen und der neuen Digitaltechnik, die ja damals noch ein bisschen in Kinderschuhen war, aber es gab eben auch bei uns im Radio schon Leute, die sich damit auskannten und die dann auch schon, keine Ahnung mit Windows 95 und so angefangen haben. Und weil ich dann damals auch schon, weil ich der einzige war, der so ein bisschen Ahnung von Verwaltung und von Finanzen und so hatte, deswegen ist das mehr oder weniger auf mich zugekommen für mich als Wirtschaftsstudent. Man hat mir gesagt, du machst das einfach jetzt, du kümmerst dich um den ganzen Verwaltungskram, weil das wollte keiner machen. Das waren ja alles, keine Ahnung, Kunststudenten und Musiker und Soziologiestudenten und Politologen und so weiter, und die wollten sich mit irgendwelchen Tabellen und Listen und Anträgen und Steuererklärungen, wollten die sich gar nicht abgeben und deswegen ist das an mich dann delegiert worden, mehr oder weniger, und ich musste dann eben auch lernen, wie man eben eine Excel-Datei macht oder wie man mit dem Computer einen Brief schreibt, was ich vorher gar nicht wusste und da bin ich dann gezwungen worden, mir das anzueignen halbwegs, was für mich sehr sehr schwer war, aber mit der Zeit hat es dann auch funktioniert.
Simon: Und wie zur Hölle habt ihr Beiträge gemacht? Das ist was, was ich mich ja sehr oft tatsächlich frage, weil also für die HörerInnen da draußen, die selber nicht so die Berührungspunkte mit Radiotechnik haben, wir haben heute eigentlich ja so ein kleines Aufnahmegerät und damit machen wir unsere Aufnahmen, nehmen unsere Interviews auf, wenn wir draußen sind und dann setzen wir uns hier an den Computer und haben hier ein Schnittprogramm, da kann man alles fünfmal oder sechsmal oder zehnmal anhören, bis man den Schnitt richtig gesetzt hat und so dann Stück für Stück den Beitrag bauen. Wie war das damals? Also seid ihr mit irgendwelchen Tonbändern losgezogen und habt dann wirklich also Schnitt im wirklich materiellen Sinne, Schnitt mit Schere, Schnitte gesetzt oder wie muss ich mir das vorstellen?
Frank: Jetzt wirst du furchtbar lachen Simon, aber genauso war es. Wir haben unseren Experten, den Michael gehabt, der tatsächlich mit alten Tonbandmaschinen gearbeitet hat. Wir haben damals, das war lange bevor wir auf Sendung gegangen sind, hatten wir die Möglichkeit, ich glaube in Berlin oder so vom damaligen Rundfunk Ostdeutschland, keine Ahnung Ostzonen-Radio, haben die haben irgendwie ausgeräumt ihre ganzen alten Sachen aus der Ostzonenzeit und die haben dann irgendwie alles neu gemacht und da haben wir einen ganzen Transporter voll alles Gerümpel gekriegt, also alle Geräte, Tonbänder und so weiter und da sind die Kollegen hingefahren haben das alles abgeholt und wir hatten richtig fette große Tonbandmaschinen, die waren irgendwie keine Ahnung einen halben Meter breit und keine Ahnung 30 Kilo schwer und damit haben wir aufgenommen und haben dann, wie du sagst, richtig geschnitten. Da konntest du so einen Schnitt setzen und so weiter und konntest das wieder zusammenkleben, das Band. Wir hatten aber dann auch Kassettenrecorder es gab so diese Aufnahmegeräte mit Kassette, Kassettenrecorder mit dem Mikrofon dran, die hatten wir uns damals schon gekauft und ich glaube damals auch schon MD Minidisc, das war damals gerade das neue Medium und da haben wir damals auch schon Sendungen, wir haben dann auch schon Workshops gemacht, teilweise auch hier zum Beispiel mit der Stadt Kassel zusammen, mit dem Jugendamt und so weiter und haben da auch schon Beiträge gemacht, Interviews geführt, Seminare gemacht wo man schon lernen konnte, wie geht Interview machen, wie kann man einen gebauten Beitrag machen wie schreibt man Texte, also wir haben uns im Prinzip schon darauf vorbereitet, dass es irgendwann losgeht mit dem Senden. Einige Leute haben sich auch zu Hause dann ihre Studios schon eingerichtet und haben da so kleine Aufnahmeplätze gemacht und haben da schon ihre Sendungen produziert sodass wir dann eben, als es dann losging mit dem Senden, wie gesagt im Frühjahr 97 schon auf ein gewisses Reservoir an fertig produzierten Sendungen zurückgreifen konnten. Und wir mussten ja dann quasi von heute auf morgen 24 Stunden Sendezeit pro Tag füllen und wir hatten also, wir waren gut vorbereitet muss ich sagen, wir hatten also schon unsere Redaktionen und die Leute, die eben dann schon wussten, welche Sendungen sie machen wollten, wir haben schon die Sendezeiten verteilt, also wir waren schon sehr gut vorbereitet, wobei es natürlich dann letzten Endes überhaupt nicht so geklappt hat wie wir uns das vorgestellt hatten, sondern es gab dauernd irgendwas, was schief gelaufen ist es gab permanent Pannen, es gab technische Probleme. Wir waren, als wir dann angefangen haben zu senden, noch überhaupt nicht fertig mit dem Einrichten, es ist noch gebaut worden wir mussten noch Wände ziehen, wir mussten noch Studios einrichten, es waren noch kistenweise eingepackte Geräte da, CD-Spieler, Computer und so weiter, es gab dann auch einige Monate nachdem wir auf Sendung gegangen sind, unseren großen Diebstahl und es hat irgendjemand nachts das Studio aufgebrochen, sondern er hatte wohl irgendeinen Schlüssel und hat da Geräte im Wert von 30.000 Mark rausgeholt und mitgenommen, wir wissen bis heute nicht, wer es war und das war natürlich dann schon sehr problematisch, aber es hat sich dann alles so nach und nach allerdings sehr langsam und unter großen Bauchschmerzen auch und mit großen Verwerfungen, hat sich das dann so nach und nach eingespielt und eingepegelt und eingependelt, so dass der Sendebetrieb dann halbwegs in Gang kommen konnte.
Simon: Das heißt, als ihr quasi in die Salzmann-Fabrik umgezogen seid wir sind jetzt glaube ich im Jahr 1997, war schon auch diese Struktur oder der Gedanke diese Struktur einmal zu bekommen, dass wir als Freies Radio ein Einschaltradio sind mit quasi, ich sage immer: "ganz viele Sender auf einer Welle". Die Idee war schon von Anfang an da?
Frank: Genau, das Konzept "Einschaltradio", ein Flickenteppich von ganz vielen verschiedenen Programmbestandteilen das war von Anfang an da. Das war von vornherein eine bewusst gesetzte Gegenbewegung zu den kommerziellen Radios, weil die kommerziellen Radios, die waren ja damals wie gesagt wir sind Mitte der 90er Jahre, hier in Hessen war das FFH, es gab auch FFN und es gab dann diese ganzen anderen kommerziellen Radiostationen, die waren damals schon ziemlich populär und auch das Problem war, dass auch die öffentlich-rechtlichen, HR3, HR4 und so weiter dass die sich auch nach und nach dem Konzept angepasst haben. Und viele Sendungen, die es auf HR3 gab, zum Beispiel Musiksendungen, spezielle Musiksendungen, Musikspezialsendungen, keine Ahnung, Heavy Metal und Country und Jazz und so weiter, die sind nach und nach alle rausgeflogen beim HR, weil der HR auch ganz klar dann als Konkurrenz zu FFH quasi auf Höhrer-Zahlen geschielt hat und wir haben das sozusagen alles übernommen. Wir haben teilweise dann Sendungen gemacht, wir haben teilweise auch Leute bei uns, die früher bei HR waren, die da rausgeflogen sind weil ihre Sendungen nicht mehr gefragt waren und die haben dann natürlich ohne Bezahlung aber trotzdem immerhin bei uns Sendungen gemacht. Das heißt, wir haben ein Programm gemacht, wie klassisches Radio in den 40er, 50er, 60er Jahren gewesen ist, 70er Jahren auch noch, das haben wir dann sozusagen übernommen und viele Programmbestandteile, die eben bei den anderen nicht mehr möglich waren, weil sie einfach zu wenig Hörer generieren, die sind bei uns dann gewesen. Und das hat sich ja bis heute gehalten, wir haben ja bis heute dieses System. Und das was wir jetzt hier machen, Simon, seit keine Ahnung, wie viele Minuten, 30 Minuten oder so, ohne Musik vor uns hin schwätzen, das gibt es heute auch kaum noch, bestenfalls noch beim Deutschlandfunk oder so. Aber das war damals eben von vornherein das Konzept, dass eben Leute zu uns kommen konnten, die abseits des Mainstreams, das war immer so das Schlagwort, abseits des Mainstreams, Radio machen und wir haben dann noch Leute, die zu uns kamen und die gesagt haben, wir würden aber gerne mal ein Pop-Programm machen, würden so die aktuellen Hits spielen, denen haben wir gesagt, tut uns leid, dafür kannst du dir FFH anhören oder HR3, das musst du nicht bei uns auch noch machen und denen haben wir dann gesagt, tut mir leid, es geht nicht bei uns, dass du bei uns Sendungen machst. Aber alle anderen, die zu uns gekommen sind oder fast alle anderen, haben wir eigentlich reingelassen, weil die kamen dann es waren auch noch Leute, hat sich auch rumgesprochen natürlich, was für ein Konzept wir haben. Und das waren dann eben ganz bunte Vögel und ganz merkwürdige Gestalten teilweise, die aber zum Teil hochspannende Sendungen produziert haben.
Simon: Das ist tatsächlich auch etwas, was ich sehr am freien Radio schätze und allen HörerInnen da draußen, die uns das Campus Radio Kassel nur über das Podcast-Format kennen, lege ich auch ganz wärmstens ans Herz, schaltet mal einfach diese Welle ein 105,8 und ja genau ruhig auch mal zu unterschiedlichen Zeiten, ruhig auch mal zu unterschiedlichen Tagen und ich bin mir ganz sicher, dass ihr da sehr, sehr spannende Inhalte zu hören bekommt. Und genau, ich mache das teilweise ganz oft, dass ich einfach nur mal so reinschalte und mal gucke, finde ich das gerade spannend, finde ich das interessant und wenn ich es nicht spannend und interessant finde, kann ich ja immer noch wieder ausschalten, aber mir hilft das immer ganz viel auch einfach Sachen zu entdecken, auf die ich sonst so nie gekommen wäre.
Frank: Ja, vielleicht würde man noch sagen, die Leute die du jetzt ansprichst, also gerade jetzt auch die Hörer vom Campus Radio, ihr habt wahrscheinlich alle wahrscheinlich gar kein UKW-Radio mehr mit 105,8, sondern vielleicht ein Daddelautomat oder ein Rechner oder ein Tablet oder keine Ahnung was und da gibt es natürlich auch ein Livestream freies-radio.org, da ist dann unser Livestream zu hören und da kann man sich natürlich dann auch einklicken und auch noch zu dem, was du eben gesagt hast, Simon, von wegen man kann auch abschalten, das ist eben genau das Konzept, was wir haben. Bei den anderen Radios gibt es die sogenannte Durchhörbarkeit, das heißt, die haben permanent Angst vor dem Ausschaltimpuls, das heißt die Leute schalten das Radio ein und die werden quasi permanent durch lockere Musik und so weiter und entsprechende Moderation dazu gebracht, weiter zuzuhören. Bei uns ist das so, man schaltet ein hört sich eine Sendung an und schaltet danach auch wieder aus, weil dann eben eine Sendung kommt die einem überhaupt nicht gefällt, das ist überhaupt kein Problem. Wir wollen nicht, dass jetzt die Leute unbedingt permanent zuhören, sondern wir wollen, dass sie eben zwischendurch mal einschalten, wenn genau das kommt, was sie interessiert, wie du es eben gesagt hast man kann sich über die Webseite informieren, was läuft, welche Sendungen jeweils laufen und kann dann eben gezielt einschalten und dann eben... wir hatten mal den Effekt, das ist auch schon lange her, dass wir, wo uns neben der Salzmann-Fabrik war, im Agathof-Zentrum, so ein Stadtteilzentrum hat sich so ein Seniorenkreis getroffen und mit denen habe ich dann irgendwann gesprochen und gesagt, ja, sag mal, bei euch im Freien Radio, was ist denn das für Musik, die bei euch läuft nur Krach. Jedes Mal, wenn wir einschalten, läuft da Krach, ganz furchtbares Zeug. Wir treffen uns immer da und dann schalten wir zwischendurch mal ein, aber es ist völlig unhörbar. Dann habe ich gesagt, wann trefft ihr euch denn? Ja, immer Sonntagabends. Dann habe ich gesagt, na gut, jeden Sonntagabend läuft bei uns Heavy Metal. Das ist für euch wahrscheinlich nicht das Richtige. Ihr müsst mal zu einer anderen Zeit einschalten. Und dann hat sie gesagt, gut, dann schalte ich mal zu einer anderen Zeit ein. Und da hat sie dann plötzlich eine andere Sendung gefunden und gemerkt das ist eben schon eher ihr Geschmack gewesen. Man muss einfach, wie gesagt, sich vorher informieren was läuft. Ansonsten, es gibt ja Leute, die sagen, bei euch läuft nur türkische Musik weil sie einfach immer zu der Zeit einschalten, wenn eben die türkische Musik läuft. Aber das ist natürlich dann auch, man muss sich halt informieren.
Simon: Genau, das ist ja tatsächlich auch eine Besonderheit meines Wissens, dass wir... ich weiß nicht, der einzige Sender in Hessen oder weiß ich nicht, der türkischsprachig sendet?
Frank: Ja, also die freien Radios. Es gibt sieben freie Radios in Hessen insgesamt und das sind die einzigen tatsächlich, die noch fremdsprachige Sendungen haben. Ist auch eine Sache, wie eben erzählt. Früher gab es im hr eine Sendung, das hieß damals für Gastarbeiter, damals nannte man die Leute Gastarbeiter, in verschiedenen Sprachen, also auf türkisch, spanisch, italienisch, griechisch, also wo die meisten Zuwanderer herkamen. Die liefen dann keine Ahnung, ein, zwei Mal in der Woche. Das ist schon lange gestrichen, gibt es schon lange nicht mehr. Und wir machen das noch. Wir machen nicht nur türkischsprachige Sendungen jeden Tag, sondern wir haben auch Sendungen auf Tigrinya, spanische Sendungen... wir hatten auch russische Sendungen, auf griechisch und so weiter. Also in verschiedenen Sprachen, jetzt hatten wir ukrainische Sendungen beispielsweise auch, in verschiedenen Sprachen, die sich quasi an die Migrantengruppen hier in Kassel wenden. Es sind natürlich dann immer nur kleine Communities, aber die haben auch ihr Recht auf ihr Radioprogramm. Und die türkische Sendung beispielsweise, naja, der Kollege Talat der macht jeden Tag eine Nachrichtensendung. Was macht der? Der berichtet über das, was hier in Kassel und in Deutschland passiert. Also der erzählt nicht über, was der Erdogan in der Türkei macht sondern was hier in Kassel passiert. Und die Leute, jetzt nochmal aus der ersten Generation die vielleicht nicht so gut Deutsch können, die werden hier sozusagen über das informiert was hier abläuft. Wenn zum Beispiel jetzt, keine Ahnung, Seuchenzeit ist, eine Pandemie wer erzählt denen dann, welche Geschäfte noch geöffnet haben, welche Straßenbahnen fahren und wo Lockdown ist und wie die Abstandsregeln sind und so weiter. Ja, das hat der Kollege Talat ihnen erzählt. Der hat in seinen Sendungen darüber berichtet und hat sie informiert, wie die Situation ist, weil sonst gibt es niemanden, der sie da in ihrer Muttersprache informiert. Und das sind dann eben auch Serviceleistungen, die so ein Radio auch leisten kann.
Simon: Genau, ich finde das eine unfassbar geile Sache, was der Talat da macht. Ich will nochmal, ja, es ist jetzt ein kleiner gedanklicher Sprung. Ich bin immer noch bei Salzmann...
Frank: Ich gedanklich auch.
Simon: ...und möchte da ja, so eine kleine, weiß ich nicht, Randnotiz. Ich finde es eigentlich gar nicht so eine Randnotiz sondern eine ziemlich große Story. Ihr wart ja in direkter Nachbarschaft zum Stammheim. Wem das jetzt von den jungen HörerInnen nichts sagt, das war der, der(!) Techno-Club in Deutschland. Also hier sind alle hin gepilgert, um einmal im Stammheim zu feiern. Wie war das, Frank?
Frank: Ja, das war eine wilde Zeit. Hab ich schon mal gesagt, ne, mit der wilden Zeit. Wenn ältere Leute von ihren Jugendzeiten sprechen, dann reden sie immer von den wilden Zeiten. Also es ist so, wir waren ja damals in die Salzmann-Fabrik gegangen, unter anderem auch wegen des Umfelds. Das Umfeld war einfach also die Salzmann-Fabrik war, das können sich die jüngeren auch nicht mehr vorstellen, das war damals das größte Kulturzentrum in Kassel. Es gab unfassbar viele kulturelle Einrichtungen. Das ging wirklich von irgendwelchen Maler-Ateliers und, keine Ahnung, Architektenbüros. Bandübungsräume waren im Keller und alles Mögliche, wirklich ein Kulturzentrum allerersten Ranges. Und es gab dann die Kulturfabrik, also den Verein Kulturfabrik, der Veranstaltungen gemacht hat, Lesungen, Kabarett, Musik Konzerte und so weiter. Also es war wirklich das absolut ideale Umfeld für ein freies Radio und das vermisse ich auch so gerne. Ich jetzt hier bin in den neuen Räumlichkeiten am Opernplatz und es ist völlig klar, dass es auch ein Aufstieg in eine ganz andere Liga ist, auch so von der Ambiente her und so weiter. Aber wir vermissen halt immer noch, gerade auch die etwas älteren, die Salzmann-Fabrik. Und es gab den Club Stammheim, der jedes Wochenende da Techno gemacht hat und da war wirklich unglaublich was los. Da gab es dann wirklich teilweise die Situation, dass die Besucherschlangen dann bis hinten zur Straße und bis zum Hallenbad standen, weil die Leute rein wollten und die haben da wirklich Partys gefeiert. Unglaublich. Und das war wirklich einer der ersten Clubs damals in Deutschland, du hast es richtig gesagt, und ich glaube sogar in Europa, die ausschließlich auch Techno gesetzt haben. Die haben also nicht mal dann so, keine Ahnung, abends zwei Stunden Techno gemacht oder so, wie das andere gemacht haben, sondern die haben eine reine Techno-Disco gemacht und haben entsprechend dann auch massig Publikum gezogen. Und die Jungs, die das gemacht haben, das waren unsere Nachbarn auch. Wir hatten also, wir hatten ihr Büro direkt neben unserem Büro, deswegen gab es da auch enge Kontakte. Wir haben teilweise auch von oben dann übertragen, live, weil da waren Leitungen dann direkt nach oben. Und die Jungs, die haben sich dann in der Zeit wirklich dumm und dämlich verdient. Leider haben sie das Geld auch mit vollen Händen zum Fenster rausgeworfen, denn als dann die große Techno-Ära vorbei war, dann so Anfang der 2000er Jahre da waren sie plötzlich pleite und mussten von heute auf morgen Hals über Kopf den ganzen Laden zumachen und dicht machen und haben da auch einige Außenstände noch hinterlassen. Also das war dann irgendwann vorbei, aber das war natürlich schon eine tolle Zeit und es war schon interessant, wenn man dann am Sonntagmittag mal zufällig ins Radio gekommen ist und da lief immer noch Musik weil dann auch Chillout war und so weiter. Das ging dann wirklich teilweise über 10, 12, 14 Stunden am Stück, wo dann gefeiert wurde. Und die Leute kamen wirklich aus ganz Europa. Man hat das an den Nummernschildern dann gesehen, um da eben beim Stammheim zu feiern.
Simon: Ja, Wahnsinn! Und die wahnsinnige Sause war, wie du gerade eben schon gesagt hast, 2002 dann plötzlich vorbei.
Frank: Ja.
Simon: Für euch ging es noch ein paar Jahre weiter bei Salzmann.
Frank: Ja.
Simon: Und dann war es auch irgendwann vorbei. Was war da los?
Frank: Ja, ja, sprichst du eine traurige Geschichte an. Also das Problem, dass das Gebäude die alte Salzmann-Fabrik, die ja inzwischen über 120 Jahre alt ist, das ist ein wirkliches Schmuckstück, ein ganz wichtiges und bedeutendes Industriedenkmal, steht auch unter Denkmalschutz. Aber die Frage wie das Gebäude genutzt werden sollte, da gab es immer wieder Probleme und Fragen und es gab Ideen und Pläne und so weiter. Der jetzige Investor, der jetzige Eigentümer hatte alle möglichen Ideen was er machen wollte. Er sollte einen Schwimmbecken rein und eine Multifunktionshalle und die Stadt wollte Räume anmieten und so weiter. Ist nie was draus geworden. Und im Jahr 2012 hieß es dann ja, die Fabrik wird umgebaut, wird saniert und danach wird sie wieder neu entstehen und es sollen auch wieder neue Räume rein. Die Stadt wollte Räume anmieten. So und es mussten alle Mieter raus. Wir haben dann sehr kurzfristig unsere Kündigung bekommen und mussten dann in diesem Sommer 2012 innerhalb von drei Monaten neue Räume finden, was eine ganz große Herausforderung war. Wir haben Glück gehabt. Wir haben diese wirklich super tollen neuen Räume hier am Opernplatz gefunden, die in jeglicher Hinsicht absolut ideal für ein Radio sind. Ich meine, Simon du weißt es, hier für uns ist was Besseres, das gibt es gar nicht. Und das auch noch mitten in der Innenstadt. Also das ist wirklich unglaublich. Hätten wir uns nie träumen lassen. Aber viele andere Mieter, die damals in der Fabrik drin waren, die haben nicht so viel Glück gehabt und haben dann weniger geeignete Räume gefunden. Beispielsweise auch der Verein Kulturfabrik der diese ganzen Konzerte macht und so weiter. Die sitzen jetzt hin in der Leipziger Straße am Stadtrand sozusagen. Und andere haben auch teilweise aufgehört, weil sie keine Räume mehr gefunden haben. Also es war sehr, sehr traurig und ich finde es jetzt noch schade es ist inzwischen über zehn Jahre her. Die Fabrik verfällt ja weiterhin. Aus der Sanierung wurde nichts, wurde bis heute nichts. Und die Idee, die jetzt schon seit einigen Jahren schon wieder kursiert, dass da Studentenwohnungen rein sollen und alles mögliche, Arztpraxen und so weiter, das glaube ich erst dann, wenn es wirklich umgesetzt wird. Bisher hat sich nichts getan. Angeblich soll der Bauantrag inzwischen gestellt sein oder bewilligt sein. Aber es gibt wohl immer noch Probleme und es tut sich immer noch nichts. Also die Fabrik verfällt weiterhin. Jetzt während der Documenta-Zeit, die Documenta hätte die Fabrik auch gerne genutzt, aber das ging nicht, weil da einfach keine Infrastruktur mehr vorhanden ist. Es gibt keinen Strom mehr, kein Wasser und wie gesagt, die Fenster sind alle kaputt und es ist also wirklich eine reine Ruine. Und ob da noch mal was draus wird, ob wir das noch mal erleben, Simon, da habe ich meine großen Zweifel.
Simon: Ja ich glaube es tatsächlich auch nicht, weil ja, wie du schon sagst, es ist eine absolute Bauruine. Und wenn man das wieder fit machen möchte, da muss man ja unfassbar viel Geld in der Hand nehmen, damit das irgendwie wird. Aber also ihr seid da rausgeflogen, ne? Wie war da so die Stimmung? Also ihr wart ja dann schon eine Institution hier in Kassel, sage ich jetzt einfach mal so. Euch kannte man. Gab es da irgendeine Unterstützung von Seiten der Stadt oder wart ihr einfach völlig auf euch allein gestellt?
Frank: Ja, Simon, jetzt nach zehn Jahren kann ich da etwas offener darüber reden, als es vielleicht früher der Fall war. Es war so, es gab da zwei Ebenen. Die erste Ebene war, dass wir massiv unterstützt worden sind. Alle Leute haben gesagt, ja toll was ihr macht, es muss weitergehen. Also nicht nur wir, sondern eben auch die anderen Salzmann-Mieter. Und wir unterstützen euch und wir helfen euch und so weiter von der Politik, von der Stadt von der LPR, von der Stavo, vom Oberbürgermeister, mit dem wir mehrfach gesprochen haben. Das war damals noch der Herr Hilgen, der Stadtbaurat, der Herr Nolda, der jetzt auch noch im Amt ist. Die haben uns alle zugesagt, dass sie uns unterstützen wollen. Als es dann aber so weit war und als es um konkrete Unterstützungsmaßnahmen ging, da standen wir alleine da. Das muss ich echt mal ganz klar sagen. Von den Versprechungen, die uns gemacht worden sind, auch von Seiten des Vermieters... also der Vermieter, der Herr Rossing, dem die Fabrik ja heute noch gehört, der hat uns schon Jahre vorher gesagt, jaja klar, wenn ihr eines Tages mal hier raus müsst und ich baue um dann werde ich euch da unterstützen und da reden wir drüber, reden wir über Konzepte, wie man das dann alles machen kann, dass ihr auch später wieder zurückkommt in die Fabrik und Übergangszeit und so weiter. Das klären wir alles. Der Herr Rossing war in dieser Zeit, in dieser Phase für uns nicht zu sprechen. Wenn man da angerufen hat, bei dem Büro, hat man gesagt, "jaja also wendet euch an den Hausmeister". Und wenn man den Hausmeister gesprochen hat, hat der gesagt, "ich weiß von nichts, wende dich an Rossing". So, und von der Stadt, wenn man dann mit dem Oberbürgermeister gesprochen hat, hieß es, nein, ja klar gerne aber finanziell können wir nicht, wir haben da nichts und gibt keine Möglichkeiten. Der Stadtbaurat... wir haben dann versucht zumindest eine Verlängerung der Kündigungsfrist hinzukriegen, dass wir ein bisschen mehr Zeit haben, was Neues zu finden und da hat der Stadtbaurat dann in einer Sitzung hier gesagt, "tut mir leid, das kann ich nicht machen, weil die Verhandlungen mit dem Investor über diese städtischen Einrichtungen, über die städtischen Büros, die da rein sollten, die sind ohnehin schon sehr kompliziert und die dürfen nicht durch weitere Forderungen jetzt nach Verlängerung von Kündigungsfristen und so weiter noch weiter verkompliziert werden. Außerdem ist das eine private Angelegenheit des Investors, er hat das Recht, da die Räumlichkeiten zu kündigen, das ist ja alles gerechtens und wir als Stadt können uns da nicht einschalten und finanzielle Möglichkeiten euch dazu unterstützen gibt es auch nicht". Und von der LPR kam auch nicht sonderlich viel, das heißt wir waren wirklich auf uns alleine gestellt, mussten dann mit den finanziellen Rücklagen die wir zum Glück gebildet hatten für den Fall, weil wir das ja schon wussten, dass es irgendwann auf uns zukommt, mussten wir dann den ganzen Umzug und die Neueinrichtung hier und so weiter bewerkstelligen. Zum Glück hat der neue Vermieter jetzt in den Räumlichkeiten, wo wir jetzt sind hier am Opernplatz, hat uns sehr stark unterstützt, hat uns die ganzen Leitungen gelegt und so weiter. Das war sehr schön, aber wie gesagt, ich war damals schon durchaus angefressen, dass eben gerade auch von Seiten der Stadtpolitik, von Seiten der Leute, die uns immer formal unterstützt haben, jedenfalls haben sie es gesagt, dass dann wirklich faktisch nichts kam. Und das ist für mich auch ein bisschen eine Warnung eigentlich, dass man in solchen Situationen nicht alles glauben darf, was einem vorher versprochen wird.
Simon: Ja, ich habe auch mal in Vorbereitung zu der Sendung hier so ein bisschen in der Chronik des Freien Radio Kassels herum gelesen und das liest sich halt schon auch diese Zeit so ein bisschen wie ein "Wir sind zerstört, wir sind am Boden und wir wissen überhaupt nicht, wie es weitergeht". Ich habe das tatsächlich, als ich da so ein bisschen herum gelesen habe, nicht ganz verstanden. Waren diese Räumlichkeiten hier sofort da oder habt ihr dann irgendwo noch so Provisoria hier gehabt?
Frank: Ja, es war so, dass wir, wir hatten das große Glück hier in diesen Räumlichkeiten hier am Opernplatz war früher eine Ärztin drin und ist in Rente gegangen und die hat dann gehört, wir haben eine Anzeige in der Zeitung aufgegeben, dass wir neue Räume suchen und die hat das gelesen und hat uns dann angerufen und gesagt, hier, ich habe Räume die für euch wahrscheinlich geeignet sind. Und da waren wir hier, der Michael, unser Cheftechniker und ich, wir sind hier rein und haben uns das angeguckt und haben gesagt, wenn wir das nicht nehmen, dann gehören wir gehängt, weil das ist wirklich der ideale Standort von Radio, auch der Zuschnitt der Räume und so weiter. Das war alles für uns, wie für uns gemacht. Aber das Problem war, dass die Ärztin dann eben noch einen Monat länger drin war, die musste auch mal ausziehen und so weiter. Und es war wirklich dann eine Phase von einigen Monaten, das waren insgesamt waren das dann letzten Endes sogar glaube ich vier, fünf Monate oder so, in denen wir dann nicht senden konnten. Und da ist das Programm aus dem Computer gesendet worden. Also es war dann immer so Wiederholungen, die konnte man noch einprogrammieren vorher und der Computer stand oben bei der Telekom wo dieser Sendemast ist und von dort aus ist dann das Programm aus dem Rechner gesendet worden. Wir haben zum Glück dann von der Landesmedienanstalt die Genehmigung bekommen, dass wir eben für einige Monate kein neues Programm produzieren müssen, sondern dass man eben auf Wiederholungen zurückgreifen kann. Und dann erst so, wie gesagt, nach einiger Zeit ist dann eben auch hier so nach und nach dann das wieder so eingerichtet worden, dass wir dann auch wieder die Studios nutzen konnten und das Programm ist dann so nach und nach auch über Wochen immer weiter dann vervollständigt worden Und letzten Endes konnte man dann eben von hier aus auch wieder live senden. Aber das war natürlich auch noch mal eine große Aufgabe eben, die Räume einzurichten. Vor allem haben wir dann bei der Einrichtung der Räume hier Fehler vermieden, die wir beim ersten Mal gemacht hatten. Also beispielsweise wenn es um Schalldämmung geht oder solche Geschichten, da haben wir beim ersten Mal teilweise ja einige Fehler gemacht, die wir damals, ja weil wir es nicht besser wussten einfach. Und die Erfahrung hat uns dann klug gemacht und beim zweiten Mal, dann beim zweiten Versuch hat es dann funktioniert hier.
Simon: Und wie lange hat es dann gedauert, bis es hier fertig war? Weil also... genau für alle Leute da draußen an den Endgeräten, es ist, würde ich sagen, wirklich ein wunderschönes Radio geworden Es sieht ja für jetzt Leute, die noch nicht jetzt unfassbar im professionellen Radio-Journalismus unterwegs sind, tatsächlich aus wie ein kommerzielles Radiosender auch. Unsere Technik ist ein bisschen älter als sie jetzt vielleicht bei Hit Radio FFH ist. Wir arbeiten hier noch mit analogen Pulten, aber es ist eigentlich alles da, was man braucht, um eine gute Radiosendung zu machen mit, ja, liebevollen Tischen, mit teilweise Nummern auf Mikrofonen, dass man auch weiß, was man genau ansteuern kann. Das sieht alles sehr wahnsinnig aufwendig aus. Frank, wie lange hat das gedauert?
Frank: Also bis wir endlich wirklich fertig waren hier, hat das noch einige Monate gedauert. Also ich würde mal sagen, wir sind eingezogen damals hier im Dezember 2012 und die ersten Live-Sendungen hier aus diesen Studios sind dann glaube ich im März gewesen. Und richtig fertig mit allem drum und dran weil wie gesagt, wir haben uns dann auch mehr Zeit genommen. Die Schalldämmung zum Beispiel das haben wir von Experten machen lassen, das hat dann auch eine Weile gedauert. Wir haben gesagt wir lassen sie lieber noch einen Monat länger Zeit und haben es auch wirklich gut und richtig und perfekt und müssen nicht wieder anfangen herum zu basteln. Und das hat sich auch bewährt aber ich würde mal sagen, so ab April oder so 2013 sind wir dann wieder komplett auf Sendung gewesen. Da waren alle Studios fertig, da waren die Geräte alle angeschlossen und es hat alles funktioniert.
Simon: Ich habe in der gerade eben schon zitierten Chronik den schönen Satz gefunden. "Im Gesamtbild hat sich das Freie Radio Kassel von einem hässlichen Entlein zu einem wirklichen Schwan entwickelt." Ich finde, das ist ein sehr schönes Bild.
Frank: Wobei das mit dem hässlichen Entlein auch Geschmackssache ist, Simon. Es gibt Leute, die bis heute sagen, dass es bei Salzmann eigentlich besser war, weil es ist eine Frage, was willst du? Willst du eben dieses wirklich perfekte und professionell aussehende Studio, das wir jetzt haben, das auch schön sauber ist und alles richtig schön wirklich edel aussieht, mit den Balkonen und so weiter. Es gab aber Leute die sagen, also bei Salzmann, da war zwar alles ein bisschen versiffter und ein bisschen dreckiger und ein bisschen improvisierter, aber es war einfach cool. Es war urig, man hat sich da irgendwie richtig so wohlgefühlt. Es war richtig so ein bisschen heimelig auch und man musste nicht unbedingt aufpassen, ob man da nur einen Plastikbecher stehen lässt oder ob man mit einem Kaffee kleckert oder so. Das hat eben einigen Leuten einfach... die Atmosphäre war eine andere Es war irgendwie alles ein bisschen lockerer und so ein bisschen, wie soll ich sagen naja, also ich würde mal sagen, wie ein selbstverwaltetes Jugendzentrum. Und hier ist es eben schon ein bisschen eher wie richtiges Radio. Aber es ist Geschmackssache.
Simon: Naja, und wenn man älter wird...
Frank: Ja, da sagst du was.
Simon: Wir haben jetzt noch knapp drei Minuten. Lass uns mal so ein bisschen nochmal in die Zukunft gucken. Wie siehst du die Zukunft des Freien Radios? Wir haben jetzt eine Sendelizenz-Verlängerung. Wie geht es weiter?
Frank: Ja, das ist eine interessante Sache, Simon. Sendelizenz-Verlängerung tatsächlich, du hast es eben schon gesagt. Wir haben jetzt vor kurzem von unserer Aufsichtsbehörde, von der Landesmedienanstalt unsere Sendelizenz bis 2027 bekommen, also für die nächsten fünf Jahre. Und im Rahmen dieser Lizenzverlängerung ist zu unserer Überraschung auch, muss ich sagen, gesagt worden, dass die Freien Radios eine ganz wichtige Rolle spielen, dass man die Freien Radios stärken und weiter unterstützen und langfristig auch absichern will. Man denkt jetzt immer, na gut, Radio, das ist so das alte Medium, das ist so ein bisschen von gestern oder so. Heute machen alle Podcast und Livestream und keine Ahnung was. Aber das Radio als Medium, egal ob das jetzt über UKW ausgestrahlt wird oder digital, ist weiterhin aktuell. Auch wenn man vielleicht nicht jetzt linear hört sondern beispielsweise in Form von Sendungen, die man nachhören kann, Podcast und so weiter. Die Sendungen müssen ja produziert werden, egal ob ein Podcast oder eine Livesendung. Es muss jemand hier am Mischpult sitzen und muss hier mal die Texte schreiben, Interviews führen, Musik auswählen und so weiter. Und das wird auch weiterhin passieren hier im Radio. Und es kann eventuell sein, dass wir in ein paar Jahren dann nicht mehr über UKW, sondern nur noch über DAB laufen oder nur noch über digitale Verbreitungskanäle. Aber das Prinzip des Radios, dass eben jemand hier in der Sendung produziert, die andere anhören, das wird es wahrscheinlich so lange geben, solange Leute Ohren haben. Und von daher gesehen sind wir doch schon sehr angetan davon, dass es wohl auch von Seiten der Politik und der Verantwortlichen so gesehen wird, dass das Radio Zukunft hat und dass wir auch hier als freie Radios, als Bürger-Radios die Möglichkeit haben, dann weiterzumachen Übrigens im Gegensatz leider zu den offenen Kanälen im Fernsehbereich, da gibt es wohl demnächst einige Einschränkungen, weil man die zumindest hier in Hessen nicht mehr unbedingt so in der Form unterstützen will, wie das bisher der Fall ist. Aber das ist dann auch wie gesagt eine politische Angelegenheit. Wir als Radios, als freie Radios in Hessen können erst mal sehr optimistisch in die Zukunft gucken. Das war nicht immer so, aber jetzt inzwischen ist das so und wir hoffen darauf dass es auch in Zukunft dann weiter Unterstützung findet und so erst mal noch eine ganze Weile weiterläuft.
Simon: Ja, das erleichtert mich. Ich glaube auch, dass wir ein Medien mit Zukunft sind. Das heißt auch, auch das Campus Radio läuft weiter auf dieser Frequenz.
Frank: Ja, das hoffe ich auch sehr dringend, dass sich immer wieder auch Leute finden, liebe Studenten da draußen, die mitmachen beim Campus Radio und die sich hier bei euch einfinden und Sendungen machen. Denn man kann hier auch lernen, Radio zu machen, journalistisch zu arbeiten, wenn man beispielsweise später das Ganze mal beruflich machen will.
Simon: Genau, Frank, du machst nämlich die genau richtige Überleitung Mir bleibt jetzt nicht mehr die richtige Zeit dafür, aber schaut mal in dem Internet nach uns wenn ihr uns kontaktieren wollt und bei uns mitmachen wollt. Wir sind jetzt raus!
Editor: Dennis Schaeffer, 2023
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Wo spielt dieser Beitrag?
Kurzbeschreibung
Sie war Geburtsstätte eines Trickfilm Oscars, eines europaweit berühmten Techno-Clubs und des Freien Radio Kassels (FRK) - die Kulturfabrik Salzmann der 1990er Jahre im Kasseler Osten. FRK-Mitgründer Frank Weißenborn lässt in einem Interview mit Simon Meding vom Campusradio die "wilden Zeiten" des Radios zwischen Aufstieg und Niedergang der heutigen Bauruine Revue passieren.
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