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Die vergessene Eisenhütte mit 350jähriger Geschichte
- Autor: Bernd Schaeffer
- Zeit: 1650-1699
- Ort: Leipziger Straße < Leipziger Platz
- Vom: 15.12.2019
- Themen: Firmen- und Industriegeschichte, Industrie und Gewerbe
Bettenhausen dient seit über dreihundert Jahren als Gewerbestandort. Anfänglich nutzen die hessischen Landgrafen die Kraft der Losse als Antrieb für eine Vielzahl von Mühlen, später kamen Investoren, die die Lage des Dorfes nahe der Stadt Kassel und den frühen Eisenbahnanschluss (1879) positiv bewerteten und sich in Bettenhausen niederließen. Der Bürgerhistoriker Bruno Jacob hat in seiner Chronik von 1927 den Versuch unternommen, die industrielle Entwicklung Bettenhausens von den Anfängen bis zur 800 Jahrfeier mit vielen Einzelheiten nachzuvollziehen, die Nennung der Maschinenfabrik und Eisenhütte F. Uhlendorff sucht man jedoch in seiner Chronik vergebens. Auf der Spurensuche nach der Firma Franz Uhlendorff entstand dieser Beitrag.
1663 verlegte Landgraf Wilhelm VI eine der ältesten hessischen Eisenhütten von Knickhagen nach Veckerhagen an der Weser. Hier glaubte er den idealen Standort für eine Hütte gefunden zu haben, aus dem Reinhardswald kam die Holzkohle, der Hemelbach lieferte die nötige Wasserkraft, in dem nahen Hohenkirchen wurde Eisenerz abgebaut und das Dörfchen hatte gleich zwei Häfen zur Weser.
Von Landgraf Karl (1654–1730) gefördert, erfuhr die Eisenhütte eine stürmische Entwicklung. Um 1850 hatten die Anlagen der Eisenhütte in Veckerhagen eine größere Ausdehnung als die Henschel-Werke in Kassel. Zusätzlich zu den hohen wirtschaftlichen Erträgen lockte sie bedeutende Wissenschaftler an. Um 1706 entwickelte z.B. der Physiker Denis Papin (1647-1713) in Veckerhagen den ersten Dampfzylinder. Der Chemiker Robert Wilhelm Bunsen (1811-1899) erforschte und analysierte 1838 in der Eisenhütte die Hochofengase das sogenannte Gichtgas.
200 Jahre nach der Gründung arbeiteten etwa 200 Männer in dem Werk an der Weser. Speziell die Öfen (Stubenöfen, Kochherde, Kamine, Herdplatten) und der Guss von Kunstgegenständen dieser kurhessischen Eisenhütte fanden wegen ihrer guten Qualität Abnehmer in ganz Europa.
1883 – inzwischen war Kurhessen Geschichte und die Preußen hatten das Sagen – kaufte der Bergrat Franz Uhlendorff die Eisenhütte in Veckerhagen. Er verließ sich darauf, dass Veckerhagen an das Schienennetz der Wesertalbahn angeschlossen werde. Nachdem der Anschluss von der preußischen Staatsregierung nicht genehmigt wurde, verlegte er ab 1887 die Eisenhütte nach Bettenhausen an die Leipziger Straße 144 – zwischen dem Pfaffenstieg im Westen und den Ton- und Steinzeugwerken im Osten. Hier gab es den gewünschten Eisenbahnanschluss bis auf das eigene Grundstück, einen Fernsprechanschluss und leistungsfähige Kunden in direkter Nachbarschaft. Franz Uhlendorff bezog mit seiner Familie eine Wohnung in der Weinberstraße 1.
Der Standort in Veckerhagen diente noch einige Zeit als Lager und wurde danach an einen Farbenfabrikanten verkauft.
Trotz aufwendiger Werbung hatte Uhlendorff mit seiner Fabrik inklusive Eisenwarenhandel in Kassel auf Dauer wenig Erfolg. Schon vor dem Ersten Weltkrieg ergaben sich wirtschaftliche Schwierigkeiten. Die benachbarten Ton- und Steinzeugwerke versäumten es jedoch 1909 den Grund und Boden zu erwerben, um ihr Areal nach Westen zu erweitern.
Bis 1934 wird die Eisenhütte im Adressbuch noch unter der Bezeichnung Uhlendorff, Hans, Erben geführt. Danach wurde das Gelände an den Metallwarenhändler Röttger verkauft. Mitbenutzer des Grundstücks und der Gebäude wurden Hans Vetter, Brauereiingenieur mit seinem Treber-Trockner- und Apparatebau und außerdem das Büro der Ortsgruppe Bettenhausen der NSDAP unter der Leitung von Karl Wirsing. Es ist anzunehmen, dass einige der ausgebildeten Metallfacharbeiter von der Maschinenfabrik Uhlendorff in der Firma von Hans Vetter neue Arbeitsplätze gefunden haben. Die Firma Vetter ist seit 1906 in der Leipziger Str. 106 ansässig und heißt heute VetterTec, sie exportiert ihre Produkte weltweit.
Entlang des Pfaffenstiegs entstanden in den Folgejahren neue Wohnhäuser und Gewerbeansiedlungen. Die Firma Röttger betrieb auf dem Gelände bis zum Verkauf an die Firma Glinicke einen großen Metallwarenhandel.
Wenn man heute (2019) das Gebiet an der Leipziger Straße rund um die Niederlassung eines namhaften Sportwagenherstellers näher betrachtet, fällt auf, dass im Lauf der Zeit alle Spuren der ehemaligen Eisenhütte und des Schrotthandels beseitigt wurden. Auch ältere Zeitzeugen können sich nicht daran erinnern, dass an der Leipziger Straße in der Nähe des Pfaffenstiegs einst eine Eisengießerei und Maschinenfabrik stand, die auch mit Eisenwaren aller Art handelte.
Die Eisenhütte zählt also zu den vergessenen Orten in der Mitte des Stadtteils Bettenhausen. Mit dem vorstehenden Beitrag wurde der Versuch unternommen, die wenigen Belege zusammenzutragen, mit denen die Existenz des Industriestandortes nachgewiesen werden konnte.
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Text und Editor: Bernd Schaeffer, Dezember 2019
Quellen:
- Siegfried Lotze, Die Eisenhütte in Veckerhagen- 1666 – 1903, Kassel, 1985
- Adreßbuch der Residenzstadt Cassel von 1908 und 1911,
- https://orka.bibliothek.uni-kassel.de/viewer/image/1382947338432_1911 aufgerufen am 15.12.2019
- http://regiowiki.hna.de/Ehemalige_Eisenh%C3%BCtte_in_Veckerhagen aufgerufen am 15.12.2019
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Kurzbeschreibung
Bettenhausen dient seit über dreihundert Jahren als Gewerbestandort. Anfänglich nutzen die hessischen Landgrafen die Kraft der Losse als Antrieb für eine Vielzahl von Mühlen, später kamen Investoren, die die Lage des Dorfes nahe der Stadt Kassel und den frühen Eisenbahnanschluss (1879) positiv bewerteten und sich in Bettenhausen niederließen. Der Bürgerhistoriker Bruno Jacob hat in seiner Chronik von 1927 den Versuch unternommen, die industrielle Entwicklung Bettenhausens von den Anfängen bis zur 800 Jahrfeier mit vielen Einzelheiten nachzuvollziehen, die Nennung der Maschinenfabrik und Eisenhütte F. Uhlendorff sucht man jedoch in seiner Chronik vergebens. Auf der Spurensuche nach der Firma Franz Uhlendorff entstand dieser Beitrag.
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