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Pfaffenstieg- Der Weg des Pfarrers von Waldau nach Bettenhausen
- Autor: Bernd Schaeffer
- Zeit: 2009
- Ort: Pfaffenstieg
- Vom: 15.09.2010
- Themen: Stadtteilkultur, Kirchliche Einrichtungen
Bis 2009 erinnerte die Straße "Pfaffenstieg" an die Zeit von 1550 bis 1900, in der die Waldauer Pfarrer diesen Weg zu ihrer Filialkirche in Bettenhausen genommen haben. Nach dem Wegeeinziehungsverfahren in 2008 soll zukünftig eine Tafel die Erinnerung an diese Zeit aufrecht erhalten.
Als am 26. Februar 2000 das Haus Leipziger Straße 138, Ecke Pfaffenstieg, abgerissen wurde, hatte die dort nach Süden abzweigende Sackgasse ihre Bedeutung als Straße verloren. Von diesem Zeitpunkt an diente die verbleibende Straßenfläche des Pfaffenstiegs nur noch als Zufahrt zu den angrenzenden Gewerbegebieten. Die Vergabe des amtlichen Straßennamens "Pfaffenstieg" basierte auf einer volkstümlichen Bezeichnung und diente der Erinnerung an den Fußweg zwischen der Waldauer Kirche und der Bettenhäuser Marienkirche.
Nachdem sich Bettenhausen schon 1505 aus dem Filialverhältnis zu Waldau gelöst hatte und von da an zum Dekanat Kirchditmold gehörte, wurde 1550 der alte Zustand wieder hergestellt. Waldau wurde erneut Sitz der Pfarrei für Bettenhausen. Für den Waldauer Pfarrer bedeutete dies, er musste um nach Bettenhausen zu kommen den Kasseler Forst, lange Zeit das Übungsgelände der Kasseler Garnison, durchqueren, um nicht weite Umwege in Kauf nehmen zu müssen.
Der bekannte Heimatforscher und Zolldirektor August Woringer (1855 – 1945) hat in seinen Aufzeichnungen die folgende Anekdote überliefert:
„Dem nach Bettenhausen wandernden Pfarrer aus Waldau begegnete einst auf dem Forste der Landgraf (die Sage nennt Friedrich den II.) mit seinem Gefolge. Als der Fürst ihn fragte, woher er komme und wohin er gehe, und der Pfarrer ihm Auskunft gab, benutzten die Hofherren die Gelegenheit, den Pfarrer mit allerlei Fragen aufzuziehen. Als sie schließlich auch fragten, warum er den weiten Weg zu Fuß zurücklegte, und er antwortete, dass seine Pfarreieinkünfte das Halten eines Pferdes nicht gestatten, meinte einer der Hofherren, dann könne er sich ja einen Esel halten. „Das geht auch nicht gut“, erwiderte der Pfarrer, „denn die kleinen Esel haben die Müller, und die großen Esel (Maultiere) sind bei Hofe.“ Der Landgraf, den die zweideutige Antwort zu herzlichem Lachen brachte, soll dann dem Pfarrer die Ration für ein Pferd bewilligt haben.“
Ab 1900, als Bettenhausen wieder eine eigene Pfarrstelle hatte und der Pfarrer seine seelsorgerische Arbeit auch ohne den Pfaffenstieg zeitgerecht leisten konnte, wandelte sich die Bedeutung des Pfades. Inzwischen hatten auch die Bettenhäuser Bürger den Vorteil einer kurzen, fußläufigen Verbindung zwischen den beiden Dörfern für sich entdeckt und machten davon zunehmend Gebrauch. Dabei mussten sie die Gleise der im Dezember 1879 gegründeten „Cassel Waldkappeler Eisenbahn“ (CWE) überqueren, um z. B. vor dem 1. Weltkrieg zu den großen Flugsportveranstaltungen auf dem Forst zu kommen.
Die während des 1. Weltkrieges entstandene Munitionsfabrik und spätere die Deutsche Werke AG boten vielen Bettenhäusern Arbeit auf dem ehemaligen Forstgelände. Die Arbeiter mussten auf dem Weg durch das Forstgelände zu ihren Arbeitsplätzen außer den Gleisen der Cassel Waldkappeler Eisenbahn auch noch die Schienen der 1912 in Betrieb genommenen Söhrebahn AG überwinden. Zur Minderung der Unfallgefahr wurden deshalb die Gleisanlagen ab 1915 mit einer einfachen, vier Meter hohen Holzkonstruktion überbrückt.
Diese Brücke hielt zehn Jahre lang und musste dann wegen Baufälligkeit abgerissen werden.
Am Montag, den 12. April 1926 berichtete die Kasseler Post unter der Überschrift „Der neue Pfaffenstieg“ über den Neubau der Brücke über die Eisenbahngleise.
Die Stadt Kassel hatte als Bauherrin der Firma Kaiser u. Co. die Ausführung übertragen. Wie glücklich die Firma den Auftrag erledigte, ohne den Eisenbahnbetrieb zu stören, bewies das Aufmontieren der neuen Brücke am Sonnabend nach 10 Uhr abends. Nach dem der letzte Zug die Strecke passiert hatte, wurde ein gut verstrebter hoher Mast in die Mitte der beiden Endpfeiler gebracht und die 21 Meter lange und 2 Meter breite Brücke, die, in Eisenkonstruktion ausgeführt, auf zwei Bahnloren angerollt kam, durch starke Flaschenzüge an dem Mast hochgewunden.···Zwei helle Bogenlampen beleuchteten die frei hochschwebende, etwa 6,5 Tonnen schwere Brücke.····Um Mitternacht war das schwierige Werk vollbracht.“
Auf der Bettenhäuser Seite erhielt die sieben Meter hohe Brücke einen Treppenaufgang mit 42 Stufen unterteilt durch drei Absätze.
Ab 1939 ging der Brückenneubau in die Unterhaltung der Spinnfaser AG über, denn der Pfaffenstieg und die Brücke dienten fast ausschließlich als Zugang zu den Werksanlagen. Die Eisenkonstruktion hat die Bombenangriffe des 2. Weltkrieges überstanden und wurde in den 1950er Jahren abgetragen. Die fußläufige Verbindung von der Leipziger Straße zur Lilienthalstraße führte ab dieser Zeit von der Ochshäuser Straße abzweigend über einen Fußweg mit Eisenbahnbrücke zur Wohnstraße. Nachdem der Pfaffenstieg seinen Nutzen eingebüßt hatte, und viele Jahre als Sackgasse ohne Hausnummer existierte, benötigte im Jahr 2008 ein Autohändler die Straßenfläche für einen großflächigen Neubau. Mit einem öffentlich rechtlichen Wegeeinziehungsverfahren wurden der Name und die Fläche entwidmet.
Der Geschichtskreis „Bettenhausen früher und heute“ im Stadtteilzentrum Agathof möchte mit der am 19 Januar 2011 am alten Standort angebrachten Messingtafel an den Pfaffenstieg und seine Bedeutung erinnern. Im Stadtteil Waldau hat der Arbeitskreis Waldauer Geschichte(n) am Beginn des ehemaligen Pfaffenstiegs die untenstehende Erinnerungstafel angebracht.
Editor: Bernd Schaeffer, 09/2010, 01/2011, 11/2011
Quellen:
Kasseler Post vom 12.04.1926
HNA, Ein Blick zurück Nr. 680, vom 11.04.1977
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Kurzbeschreibung
Bis 2009 erinnerte die Straße "Pfaffenstieg" an die Zeit von 1550 bis 1900, in der die Waldauer Pfarrer diesen Weg zu ihrer Filialkirche in Bettenhausen genommen haben. Nach dem Wegeeinziehungsverfahren in 2008 soll zukünftig eine Tafel die Erinnerung an diese Zeit aufrecht erhalten.
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