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Der Siechenhof vor den Toren der Stadt
- Autor: Erhard Schaeffer
- Zeit: 1350-1399
- Ort: Siechenhof
- Vom: 25.11.2010
- Themen: Stadtentwicklung, Krankenhäuser / Altenpflegeheime
Der Siechenhof wurde im 14. Jahrhundert (Ersterwähnung 1383) als Hospital für Aussätzige errichtet. Im Dreißigjährigen Krieg wurden die Gebäude fast völlig zerstört. Wieder aufgebaut fielen sie im Siebenjährigen Krieg einem Brandanschlag zum Opfer. Die zum Siechenhof gehörende Kapelle „Zum Heiligen Geist“ musste im Lauf der Geschichte mehrmals instand gesetzt werden. Sie blieb, als eine der wenigen Kasseler Kapellen aus dem Mittelalter, bis nach dem Zweiten Weltkrieg der Nachwelt erhalten.
In der Schrift "-Cassel in historisch-topographischer Hinsicht nebst einer Geschichte und Beschreibung von Wilhelmshöhe-" erschienen 1805 in der neuen akademischen Buchhandlung Marburg steht: „Der Siechenhof liegt vor dem Leipziger Tore, am diesseitigen Ende der Leipziger Vorstadt. Ehemals wurde er Sonder Siechenhof genannt. Ringsum ist er mit einer Mannshohen steinernen Mauer umgeben und hat eine besondere Kapelle, worin der zweite Prediger der Unterneustädter Gemeinde den Gottesdienst hält. Die Kapelle stand schon im Jahre 1383 in dem Forste vor Cassel, welcher sich zu der Zeit in diese Gegend erstreckt hat.“ Eindeutig zum Mal erwähnt wird der Siechenhof am 24.07.1383, als der Kasseler Bürger Johann Forstenstein sein kleines Bett den Bewohnern des Leprahospitals außerhalb der Neustadt Kassels vermacht. In einer Urkunde vom 2.09.1383 steht die Formulierung "Capellen des Sychenhusis in dem vorest vor Cassele" als Standortsbeschreibung. Das Hospital hatte seinen Platz wenige hundert Meter vor dem Unterneustädter Tor an der Leipziger Straße. In unmittelbarer Nähe des Leprsoriums floss der s. g. Faule Graben, ein aus dem Fackelteich sich ergießender Nebenarm des Wahlebaches. Über ihn führte die Bettelbrücke, deren Name sich von den Hospitalinsassen, die hier zum Einsammeln von Almosen Aufstellung nahmen, ableitet.
Der Siechenhof eine Stiftung von Landgraf Hermann dem Gelehrten
Die Entstehung der Unterneustadt geht auf Landgraf Heinrich I (1247 - 1308) zurück, der das in der heutigen Karlsaue gelegene Dorf Feldhagen - auch Feldrain genannt - an das Fulda-Ufer gegenüber der Altstadt umsiedelte und die "Neustadt" gründete. Mit der Errichtung der Hugenottenstadt (Oberstadt) wurde die Neustadt 1688 in "Unterneustadt" umbenannt. In der Neustadt wurde der Siechenhof als Lepra-Hospital eingerichtet. Das Hospital Siechenhof war eine Stiftung von Landgraf Hermann dem Gelehrten vom 12.09.1383 und diente bis Ende des 16. Jahrhundert als Aufenthaltsort für Menschen mit unheilbaren, ansteckenden Krankheiten. Man versuchte zu dieser Zeit, die Ausbreitung von Krankheiten zu verhindern, indem man die Hospitäler außerhalb einer Stadt anlegte. Nachdem das Elisabeth-Hospital seit 1330 in den Stadtgrenzen lag, war somit ein neues Siechenhaus weit ab der Stadt vonnöten gewesen. Durch eine Reihe von testamentarischen Verfügungen von Kasseler Bürgern und Stiftungen der Landgrafen wird das Hospital zum Heiligen Geiste, wie es damals genannt wurde, ausgebaut und unterhalten. Ab dem 17. Jahrhundert wurden Aussätzige im Hospital nicht mehr untergebracht, es diente als Krankenhaus zur Aufnahme kranker und altersschwacher Menschen. Die Alten kauften sich in dieser Zeit im Hospital ein, wie z. B. 1605 der Stadtschlosser Gauck und seine Ehefrau. Über die ältere spätgotische Anlage weiß man nur wenig. Man muss annehmen, das diese in den Stürmen des Dreißigjährigen Krieges 1626 unterging. Die Eigentumsrechte an der landgräflichen Stiftung blieben aber auch zukünftig immer beim Staat.
Die Zerstörung im siebenjährigen Krieg und der Wiederaufbau
Berichtet wird vom Siechenhof auch in den Schilderungen über den Siebenjährigen Krieg (1756-1763): „Prinz Isenburg, der Kassel verteidigen sollte, weichte mit seinen Einheiten den schnell vordringenden französischen Truppen nach Sandershausen aus. Kassel war bereits geräumt worden. Das vorliegende Dorf Bettenhausen blieb von hessischen Jägern und Husaren besetzt. Nach dem die Spitze der französischen Infantrie von Kassel bis zum Siechenhof vorgerückt war, attackierte sie sogleich die in Bettenhausen befindlichen Jäger. Die sich hinter den Lossebach zurückzogen“. Es kommt 1761 zur Schlacht am Sandershäuser Berg. Aber erst in der Schlacht bei Wilhelmstal 1762, die zur Kapitulation der Franzosen in Kassel führte, wurde die Siechenhofanlage und die benachbarte Ölmühle von den Belagerten in Brand gesetzt. Der Schaden war erheblich und belief sich auf 10.524 Taler. Die Kapelle wurde nach 1763 wieder instand gesetzt und eine kleine Orgel eingebaut. 1789 bestand der Siechenhof aus drei kleinen Häuschen in der Flucht der Leipziger Straße, einem mittleren zurückliegendem Gebäude und der Kapelle.
Die Kapelle lag an der Leipziger Straße vor der Leipziger Vorstadt, die hauptsächlich aus Gasthöfen bestand und Reisende vor und nach dem Besuch der Stadt Cassel zur Übernachtung dienten. Der weitere Neubau erfolgte nur langsam erst mit Beginn des 19. Jahrhunderts. Zur Anlage gehörten auch ein Brunnen, der aus der Eichwasserleitung gespeist wurde und ein kleiner Friedhof hinter dem Chor der Kapelle. Der Siechenhof lag dicht an der Hochwasserzone der Fulda, die über die Schwanenwiese, auf der lange öffentlichen Hinrichtung stattfanden, verlief, deshalb war er bei Hochflut oft nur mit kleinen Booten erreichbar. Das belegten auch die Hochwassermarken an der Umfriedungsmauer.
Die Nutzung als Altenheim bis zum Abriss
Mit der Einweihung der Charité 1785, die beim Dorf Bettenhausen lag, verlor der Siechenhof seine Bedeutung als Hospital für Kranke und war nur noch Altenheim. Ein Neubau nach Plänen von Jussow im Jahre 1866 kam nicht zur Ausführung. Am 19.6.1866 marschieren die preußischen Truppen, die zum Teil im Siechenhof und in der Unterneustadt Quartier beziehen, nach Kassel ein.
Der Hof überstand das 19.Jahrhundert und die beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts fast unbeschadet. Die Kapelle blieb, als eine der wenigen Kasseler gotischen Kapellen aus dem Mittelalter, bis nach dem Zweiten Weltkrieg der Nachwelt erhalten, um dann 1954 der Verbreiterung der Leipziger Straße weichen zu müssen. Zu diesem Zeitpunkt lag der Siechenhof in der Leipziger Straße 63 schon lange nicht mehr vor den Toren von Kassel, sondern war, nicht zuletzt mit der Eingemeindung von Bettenhausen (1906), in die Stadt eingegliedert. In der heutigen Unterneustädter Kirche, Hafentraße 13, hängt die Glocke der Siechenkapelle, die Landgraf Moritz im Jahre 1613 stiftete. Somit schlägt diese Kirche, die aus den alten Steinen der zerstörten Kirche am Unterneustädter Kirchplatz 1953 errichtet wurde, eine Brücke in die Vergangenheit.
Editor: Erhard Schaeffer, 2010
Qellen:
- Bruno Jacob, Festschrift zur Feier des 800jährigen Bestehens von Bettenhausen, 1927
- Geschichte des siebenjährigen Krieges/books.google.de
- Cassel in historisch-topographischer Hinsicht/books.google.de
- Die Unterneustadt -Kassels Quartier am Fluss- unterneustadt.de/stadtteil/historie
- Siechenhäuser und Hospitäler in Kassel, Alois Holtmeyer: Alt Cassel, Marburg 1913
- Bildband Bettenhausen von Claus Feldner und Peter Wieden, 1989
- 725 Unterneustadt vom Ortsbeirat Unterneustadt, 2008
- Verein Hessische Geschichte und Landeskunde, Katrin Apel, 2008
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Kurzbeschreibung
Der Siechenhof wurde im 14. Jahrhundert (Ersterwähnung 1383) als Hospital für Aussätzige errichtet. Im Dreißigjährigen Krieg wurden die Gebäude fast völlig zerstört. Wieder aufgebaut fielen sie im Siebenjährigen Krieg einem Brandanschlag zum Opfer. Die zum Siechenhof gehörende Kapelle musste im Lauf der Geschichte mehrmals instand gesetzt werden. Sie blieb, als eine der wenigen Kasseler Kapellen aus dem Mittelalter, bis nach dem Zweiten Weltkrieg der Nachwelt erhalten.
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