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Aus einem Schreinergesellen wird ein Möbelladen Besitzer

Foto von Wilhelm Mühlhausen 1937

Wilhelm Mühlhausen 1937
Foto: Familie Mühlhausen

Rainer Mühlhausen aus Fuldabrück beschreibt den beruflichen Werdegang seines Opas Wilhelm Mühlhausen. Der im 20. Jahrhundert eine Ausbildung als Schreiner absolviert, bei dem Flugzeugbauer Fieseler arbeitet, sich nach dem Krieg selbständig macht und schließlich ein eigenes Möbelgeschäft eröffnet.

Ehepaar Mühlhausen silberne Hochzeit 1961
Magdalene und Wilhelm Mühlhausen silberne Hochzeit 1961  Foto: Familie Mühlhausen

Mein Opa Wilhelm Mühlhausen ( *22.04.1912 +07.06.1991) wurde in Heiligenrode geboren und besuchte dort die Schule. Er heiratete am 09.08.1936 Magdalene Hartung (*09.08.1914+04.06.2012) aus Sandershausen, wo sie bis 1940 auch wohnten. Sie bekamen drei Kinder, Gerhard (mein Vater), geb. 1937, Wilfried geb. 1943 und Marita geb. 1948. 

Bei dem Schreiner Meister Wilhelm Friedrich Salomon in Bettenhausen begann er Mitte der 1920er Jahre eine Lehre als Möbelschreiner. In dieser Zeit musste er, wie er später seinen Enkeln erzählte, öfters Möbel mit einem Holzhandwagen in die Kasseler Altstadt ausliefern. Ein weiter mühsamer Weg.

Möbelschreinerei Salomon Liepziger Str. 205, Anfang 20. Jarhundert
Möbelschreinerei Salomon Liepziger Str. 205 (2.Haus v.r,) Anfang 20. Jarhundert  Foto: Familie Salomon
Luftbild des Fieseler Werks 1, 1938
Luftbild des Fieseler Werks 1, 1938  Foto: Gert Reijnierse

Als ausgelernter Geselle wechselte er in den 1930er Jahren zum Flugzeugbauer Fieseler in Bettenhausen. Hier arbeitete er im Werk 1 in der Lilienthalstraße. Die Arbeit mit neuartigen Werkstoffen im Flugzeugbau machten ihm Spaß. Für seinen innovativen Verbesserungsvorschlag zur Einsparung des Hartgewebekunststoffes Resitex bekam er sogar im Juli 1940 eine Prämie.

In diesem Jahr zog Opa Wilhelm mit der Familie in die Söhrestrasse nach Lohfelden. Die Wohnsiedlung Söhrestraße bestand aus Reihenhäusern, die damals von der Firma Fieseler für ihre Mitarbeiter gebaut und in 1940 fertiggestellt wurden. Die Mitarbeiter hatten damit einen kurzen Arbeitsweg zu den Fieselerwerken in Lohfelden, Waldau und Kassel.

Baracken in langer Reihe das Lager Fernsicht
Lager Fernsicht in Lohfelden nach dem zweiten Weltkrieg  Foto: Eco Pfad Lohfelden

Gleich nebenan im Bereich der heutigen Berliner Straße und Söhrestraße entstand ab 1940 auch das Barackenlager Fernsicht. Hierher waren etwa 1550 Männer, Frauen und Kinder aus verschiedenen von Deutschen besetzten Ländern Frankreich, Sowjetunion, Polen, Belgien und Niederlande deportiert. Die Erwachsenen und älteren Kinder mussten als Zwangsarbeiter in den Fieseler Werken und Junkers Werken (späteres AEG-Gelände) arbeiten. Bis Ende 1941 qualifizierte sich Wilhelm Mühlhausen in seiner Firma durch eine Ausbildung zum Schreinermeister. Weil die Fieseler Werke wichtige Kriegsausrüstung produzierten, war er bis zum Ende dieser Meisterausbildung UK (unabkömmlich) gestellt und konnte nicht eingezogen werden.

Wilhelm Friedrich Salomon, der den Betrieb 1930 von seinem Vater übernommen hatte, erweitere das Geschäft 1938 um einen Möbelladen auf dem selben Grundstück. Der Schwerpunkt lag aber weiterhin auf der Schreinerwerkstatt. Als Salomon mit Beginn des zweiten Weltkrieges 1939 bis 1942 zum Wehrdienst eingezogen wurde, fehlte ein Meister und der Handwerksbetrieb musste schließen. Der frühere Lehrling Wilhelm Mühlhausen, inzwischen Schreinermeister, übernahm die Werkstattleitung bis 1946. Sein Chef kehrte erst 1948 aus russischer Kriegsgefangenenschaft heim.

Selbstgebaute Schreinerbank von Wihlml Mühlhausen
Mühlhausens erste Selbst gebaute Schreinerbank   Foto: Familie Mühlhausen

Opa Mühlhausen arbeitete nach dem Krieg von 1946 bis 1948 für die amerikanischen Besatzer in Lohfelden. Mit ihrer Unterstützung konstruierte er für seine Möbelwerkstatt die erste Maschine, die aus Stahlschrott zusammengeschweißt wurde. Sie war lange im Gebrauch und standen noch bis 2016 in seiner Werkstatt.

Gerhard Mühlhausen im Ford Kombi vor dem Möbelladen in einer Kriegsbaracke
Gerhard Mühlhausen im Ford Kombi vor dem Möbelladen in einer Kriegsbaracke  Foto: Familie Mühlhausen

Ab 1948 machte er sich im Lager Fernsicht selbstständig. Die Lagerbaracken dienten nach Kriegsende als Wohnraum für Flüchtlinge aus dem Sudetenland und Schlesien. In den 1960er Jahren wurden sie abgerissen und das Bauland für den sozialen Wohnungsbau genutzt. Es entstand der Friedrich-Ebert-Ring. Ein Großteil der Fläche gestaltete man zum heutigen Berliner Platz um. Hier hier erinnert sein Gedenkstein an die leidvolle Vergangenheit der Zwangsarbeiter.

Wilhelm und Magdalene Mühlhausen in ihrer Ausstellung 1950er Jahre
Wilhelm und Magdalene Mühlhausen in ihrer Möbelausstellung 1950er Jahre  Foto: Familie Mühlhausen

Von 1948 bis 1958 betrieb Schreinermeister Mühlhausen in Lohfelden in einer dieser Kriegsbaracke sein erstes eigenes Möbelgeschäft mit einer Ausstellungshalle.

Wohn- und Geschäftshaus Mühlhausen Hauptstraße 49 Lohfelden
Wohn- und Geschäftshaus Mühlhausen Hauptstraße 49 Lohfelden, 1958  Foto: Familie Mühlhausen

1958 zog Opa mit Frau und zwei Kindern ins eigene neue Wohn- und Geschäftshaus in der Hauptstr. 49 von Crumbach. Die angebaute Schreinerei diente hauptsächlich für Änderungen an den Möbeln vor ihrer Auslieferung. Oma Magdalene (Leni) hatte 1928 bis 1931 bei Salzmann ́s Stenotypistin gelernt. Sie übernahm später die Buchführung für das Möbelgeschäft.

Mühlhausens erster Möbelwagen
Mühlhausens erster Möbelwagen bis 1965  Foto: Familie Mühlhausen

Für dem Transport und zur Auslieferung der Möbel benötigte das Geschäft einen Lastwagen. Den geeigneten Möbelwagen fand er schließlich bei der Firma Salomon, der er ihren alten Tempo Matador Lieferwagen abkaufte. Der Wagen wurde mit neuem Schriftzug versehen und leistete noch bis 1965 dem Möbelgeschäft Mühlhausen gute Dienst.

Zweiter Möbellieferwagen Hanomag Matador F35, steht vor Garage
Zweiter Möbellieferwagen Hanomag Matador F35  Foto: Familie Mühlhausen

Danach leistete er sich einen neuen Möbelwagen, den Hanomag Matador F35. Mit ihm fanden die großen Auslieferung an die Kundschaft statt. Privat und für kleine Transporte fuhr er einen Ford Taunus Kombi, den mit der Weltkugel.

Möbelgeschäft bis 1976, Hauptstr. 49
Möbelgeschäft Mühlhausen bis 1976, Hauptstr. 49  Foto: Famile Mühlhausen

Das Geschäft gab er 1976 aus Altersgründen auf und vermietete es an den Radio und Fernsehtechniker Horst Skiba. Dieser führte bis 2002 dort sein Radio und Fernsehgeschäft. Seit 2002 befindet sich ein Sportgeschäft in den Räumen.

Text: Rainer Mühlhausen, Enkel von Wilhelm Mühlhausen

Editor : Erhard Schaeffer, Juni 2025

Fotos: Rainer Mühlhausen, Fuldabrück

Quellen:

  • Eco Pfad Kulturgeschichte Lohfelden
  • Fieseler Zeitung Juli 1940
  • Möbel Salomon Kassel

 

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Kurzbeschreibung

Rainer Mühlhausen aus Fuldabrück beschreibt den beruflichen Werdegang seines Opas Wilhelm Mühlhausen. Der im 20. Jahrhundert eine Ausbildung als Schreiner absolviert, bei dem Flugzeugbauer Fieseler arbeitet, sich nach dem Krieg selbständig macht und schließlich ein eigenes Möbelgeschäft eröffnet.

Bei seiner Erzählung berichtet er auch über das Lager Fernsicht in Lohfelden, ein Zwangsarbeiterlager für die Rüstungsindustrie im Zweiten Weltkrieg. Wenn sie mehr dazu lesen wollen können sie sich die PDF über den EcoPfad Lohfelden herunterladen.

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