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Stolpersteine vor der Kunigundiskirche
- Autor: Bernd Schaeffer
- Zeit: 1939
- Ort: St. Kunigundis - Kirche
- Vom: 26.05.2016
- Themen: Zweiter Weltkrieg, Bedeutende Persönlichkeiten
Das Gedenk-Projekt „Stolpersteine“ des Künstlers Gunter Demnig begann 1992. Mit den quadratischen in den Boden eingelassenen Messingtafeln soll an die Menschen erinnert werden, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, vertrieben, deportiert oder ermordet wurden. Auf den Tafeln wird mit von Hand eingeschlagenen Lettern an die Lebensdaten und das Schicksal der NS-Opfer erinnert. Der Verlegung durch den Künstler gehen Nachforschungen zum Schicksal des oder der Verfolgten voraus, die in „Gedenkblättern“ dokumentiert und veröffentlicht werden. So entstand quer durch Europa in den vergangenen 20 Jahren „ein großes, dezentrales Denkmal gegen Intoleranz und Rassenhass“, so Jochen Boczkowski, Vorsitzender des Kasseler Stolpersteinvereins. Am 17. Mai 2016 wurden die ersten drei „Stolpersteine“ östlich der Fulda verlegt. In der Sandershäuser Straße 24 für den Arbeiter Heinrich Merle und in der Leipziger Straße 145, direkt vor der Kunigundis-Kirche , für den Pater Karl Schmidt und den Pallottinerbruder Johann Albert Kremer.
Stolperstein für Pater Karl Schmidt
Der 1904 in Zweigbrücken geborene Karl Schmidt kam als Jugendlicher in der Oberpfalz durch seinen Onkel mit den Salesianern Don Boscos in Kontakt und trat dem Orden 1922 als Novize bei. 1926 band er sich durch ein Gelübde dauerhaft an ihn. Ich gleichen Jahr erwarb er das Abitur und studierte danach in Turin, Wien und Benediktbeuern Theologie und Philosophie. Die Priesterweihe erfolgte 1932. 1938 berief ihn sein Orden in dessen Niederlassung in Kassel, wo die Salesianer seit 1934 mit der Leitung der Gemeinde St. Kunigundis in Bettenhausen betraut waren. Seine priesterliche Tätigkeit dort beendete die Gestapo am 19. Oktober 1939 abrupt. Genauere Gründe seiner Verhaftung, der offenbar eine Denunziation zugrunde lag, lassen sich aus den Quellen nicht erschließen. In ihrem Bericht bemühte die Gestapo das Stereotyp „staatsfeindliche“ und „defätistische“ Äußerungen, das keine Aussagen über konkrete Handlungen zulässt.
Einer fünfmonatigen Polizeihaft in Kassel folgten vom März bis zum Dezember 1939 mehrere Monate „Schutzhaft“ im KZ Sachsenhausen, eine Zeit, die Karl Schmidt selbst als die traurigste in seinem KZ-Leben bezeichnete. Sein mutiges Eintreten für die Lagergemeinschaft führte zur Strafe von 25 Stockhieben und der Einweisung in die Strafkompanie. Hier herrschten verschärfte Haftbedingungen, gab es sadistische Folterungen, mussten die Häftlinge besonders harte Fronarbeit leisten. Karl Schmidt überlebte diese extremen physischen und psychischen Belastungen. Im Dezember 1940 kam er in das KZ Dachau, wo Geistliche in mehreren Blocks konzentriert wurden – darunter auch Hunderte polnischer Priester, die am gleichen Tag wie Schmidt in Dachau inhaftiert wurden. In Dachau arbeitete der Pater in einem Wirtschaftsbetrieb des KZ, einem Versuchsfeld, in dem Hunderte von Priestern arbeiteten.
Seine Tätigkeit im Fotokommando nutzte er dazu, die Zustände im Lager zu dokumentieren. Darüber hinaus nutzte er nach Aussagen von Mithäftlingen seine Organisationsgeschick und seine technischen Kenntnisse, Häftlingen kleine Erleichterungen zu verschaffen. Zur Pflege Typhuskranker meldete er sich freiwillig, Sterbenden stand er seelsorgerisch bei. Karl Schmidt nahm sein Schicksal als Wille Gottes an. Von der Amtskirche, die keinen grundsätzlichen Protest gegen das NS-Regime formulierte, und der katholischen Öffentlichkeit fühlte er sich aber weitgehend allein gelassen, vergessen und unverstanden. Er sah sich als „Kämpfer an der Front“, wie er in einem Brief schrieb, und konnte nicht verstehen, dass offensichtlich die Meinung vorherrschte, er und andere inhaftierte Priester hätten ihre Hat selbst leichtfertig mitverschuldet.
Unter den im April 1945 zahlreichen Entlassenen war auch Karl Schmidt. Er erlangte am 10. April die Freiheit zurück. Für den ehemaligen KZ-Häftling, dem häufig Unverständnis entgegengebracht wurde, stellte sich die Rückkehr in den Orden jahrelang als problematisch und konfliktreich dar. Danach wirkte er von 1952 bis 1968 als Lehrer an Berufsschulen in München. Er starb dort am 13. Mai 1968.
Quelle: Johannes Wielgoß, P. Karl Schmidt SDB (1904-1968). Sechs Jahre priesterlicher Existenz in nationalsozialistischer Schutzhaft, in: Archiv für Mittelrheinische Kirchengeschichte (1996), S. 227-238
Stolperstein für Pallottinerbruder Johann Albert Kremer
Über den Pallottinerbruder heißt es in „Volksgemeinschaft und Volksfeinde“:
Johann Albert Kremer - sein Ordensname war Johannes Leodegar - wuchs als Sohn eines wohlhabenden Mannheimer Kaufmanns in der Sicherheit eines großbürgerlichen Elternhauses auf. Nach dem Abitur und dem Kriegsdienst im Ersten Weltkrieg absolvierte er eine landwirtschaftliche Lehre. Gegen die Absichten des Vaters ("Ich wollte aus ihm einen tüchtigen Kaufmann machen, das ist mir aber nicht gelungen.") nahm er, durch Freunde bestärkt, Verbindung zum Orden der Pallottiner auf. Er besuchte 1921 deren Limburger Mutterhaus und bat nach wenigen Wochen um Aufnahme in den Orden. In den folgenden Jahren arbeitete er still und zurückgezogen in der Kanzlei und in anderen Tätigkeitsbereichen des Limburger Ordenshauses, bis dieses im Sommer 1941 von der Frankfurter Gestapo mit Hausdurchsuchungen und zahllosen Verhören überzogen wurde. Unter dem Vorwand, dass der Orden gegen das Verbot kirchlicher Sammlungen und gegen andere Auflagen verstoßen habe, wurden Ordensbrüder, unter ihnen auch Kremer, von der Gestapo verhaftet; man wollte ihnen Aussagen abnötigen, die den Orden belasten konnten. Im Februar 1942 schließlich wurden die Besitztümer des Pallottinerordens, wie die anderer Orden auch, beschlagnahmt und die Räume des Limburger Hauses versiegelt. Kremer wurde in die Junkers-Flugmotorenwerke in Bettenhausen dienstverpflichtet.
Von manchem im Betrieb und in der Wohngegend wurde ihm das Leben schwer gemacht. An seine Tür wurden Zettel geklebt: "unerwünscht" oder "kannst gehen". Seine engeren Arbeitskollegen begegneten ihm im Verlauf der folgenden zwei Jahre zunehmend mit Sympathie; einige gewann er zu Freunden. Eine Stütze fand Kremer auch in der Arbeitergemeinde St. Kunigundis in Bettenhausen. Die Geistlichen und aktiven Mitglieder dieser Gemeinde wurden ihrer oppositionellen Haltung wegen seit Jahren von der Gestapo scharf überwacht. Zwei Priester aus Bettenhausen waren in den ersten Kriegsjahren wegen "staatsfeindlicher und defätistischer Äußerungen" verurteilt worden. Hier waren auch die mutigen Predigten des Bischofs von Münster, Graf Galen, gelesen und verbreitet worden. Am 30. Juni 1944 wurde Johann Albert Kremer erneut verhaftet. Eine Angestellte der Junkers-Werke, die er einmal wegen ihrer Grobheit gegen ausländische Arbeiter zurechtgewiesen hatte, verfolgte ihn seitdem argwöhnisch und hatte ihn schließlich wegen "zersetzender" Äußerungen angezeigt. Es folgten Verhöre durch die Kasseler Gestapo und die Einlieferung in das Gefängnis in der Leipziger Straße. Ihm in den Mund gelegte abfällige Äußerungen über das Regime mussten herhalten, um ihm den Prozess zu machen. Anders als in vielen ähnlichen Fällen, die vom Kasseler Sondergericht verhandelt und in denen zumeist "nur" Haftstrafen verhängt wurden, wurde der Ordensbruder Kremer vor dem Volksgerichtshof angeklagt. Freislers Mordgericht verurteilte ihn am 4. Oktober 1944 "wegen Wehrkraftzersetzung und Feindbegünstigung" zum Tode durch das Fallbeil.
Die Tatsache, dass Kremers Äußerungen in einem Rüstungsbetrieb gefallen waren, hatte für das Todesurteil genügt. Die Versuche der Angehörigen und des Ordens, Kremer zu retten, blieben ohne Erfolg. Am 6. November 1944 wurde er im Zuchthaus Brandenburg hingerichtet.
Mehr Informationen zum Thema Stolpersteine in Kassel finden sie hier: http://stolpersteine.jimdo.com/
Quelle: Volksgemeinschaft und Volksfeinde. Kassel 1933-1945, hrsg. von Jörg Kammler und Dietfrid Krause-Vilmar, Fuldabrück 1984, S. 372
Texte: Wolfgang Matthäus
Editor: Bernd Schaeffer, Mai 2016
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Kurzbeschreibung
Das Gedenk-Projekt „Stolpersteine“ des Künstlers Gunter Demnig begann 1992. Mit den quadratischen in den Boden eingelassenen Messingtafeln soll an die Menschen erinnert werden, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, vertrieben, deportiert oder ermordet wurden. Auf den Tafeln wird mit von Hand eingeschlagenen Lettern an die Lebensdaten und das Schicksal der NS-Opfer erinnert. Der Verlegung durch den Künstler gehen Nachforschungen zum Schicksal des oder der Verfolgten voraus, die in „Gedenkblättern“ dokumentiert und veröffentlicht werden. So entstand quer durch Europa in den vergangenen 20 Jahren „ein großes, dezentrales Denkmal gegen Intoleranz und Rassenhass“, so Jochen Boczkowski, Vorsitzender des Kasseler Stolpersteinvereins. Am 17. Mai 2016 wurden die ersten drei „Stolpersteine“ östlich der Fulda verlegt. In der Sandershäuser Straße 24 für den Arbeiter Heinrich Merle und in der Leipziger Straße 145, direkt vor der Kunigundis-Kirche , für den Pater Karl Schmidt und den Pallottinerbruder Johann Albert Kremer.
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