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Rudolf Zeidler - Metallguss war sein Lebensinhalt.

Rudolf Zeidler während des Interviews am 17. März 2022

Rudolf Zeidler während des Interviews am 17. März 2022
Foto: B. Schaeffer, Kassel

In der Ochshäuser Straße zwischen Leipziger Platz und Forstfeldstraße reihen sich auch 2022 noch viele Gewerbebetriebe aneinander und prägen das Straßenbild. Als im August 1995 die Aluminium-Gießerei „B und B Guss GmbH“ in der Ochshäuser Straße 45 in Konkurs ging und 47 Mitarbeiter arbeitslos wurden, fasste sich der dort beschäftigte Meister Rudolf Zeidler ein Herz und übernahm unter dem Namen „Metallguss Zeidler“ die Gießerei. Gut 20 Jahre später, im November 2017, hat er nach 61 Berufsjahren seinen Betrieb geschlossen. Eine personengeführte Metallgießerei gibt es seitdem im Kasseler Osten nicht mehr.

Das Grundstück Ochshäuser Straße 45 wird schon seit Anfang des 20. Jahrhundert gewerblich genutzt. Ab 1968 hatte die auf Fahrzeugtürsysteme spezialisierte Fa. Gebr. Bode & Co. GmbH hier ihren Standort. Die Aluminiumgießerei „B und B Guss GmbH“, eine Tochterfirma der Fa. Bode in der Ochshäuser Straße, ging am 1. August 1995 in Konkurs und entließ ihre 47 Mitarbeiter.Der Insolvenzverwalter Westhelle aus Kassel suchte ein Vierteljahr lang nach einem neuen Betreiber. Rudolf Zeidler, der selbst 40 Jahre lang bei „B und B“ beschäftigt war, fasste sich ein Herz, übernahm die Gießerei und führte sie als Unternehmer unter dem Namen „Metallguss Zeidler“ weiter. Der aus Dörnhagen stammende Fachmann hatte für sich erkannt, dass es schwer werden könnte, im fortgeschrittenen Alter eine neue Anstellung in einer anderen Gießerei zu finden.

Mit viel Leidenschaft, erheblichem Eigenkapital und 30 000 DM Aufbaudarlehen startete er am 1. Dezember 1995 in die Selbstständigkeit. Zeidler mietete zwei der vorhandenen Gusshallen von der Firma Wegmann und stellte die ersten beiden Mitarbeiter ein. Der Industrieschlosser Roman Janek trug die Personalnummer 1. Drei weitere ehemalige Kollegen der „B und B Guss“ folgten noch im gleichen Jahr und vertrauten darauf, dass der neue Betrieb ihnen einen dauerhaften Arbeitsplatz bieten könne.

Rudolf Zeidler in seiner Gießerei, 2017
Rudolf Zeidler in seiner Gießerei, 2017  Foto: L. Koch, HNA

Aus der Konkursmasse der ehemaligen Firma konnte Zeidler mit Vermittlung des Insolvenzverwalters wertvolle Maschinen preisgünstig erwerben. Unter anderem auch deshalb, weil der Abbau der schweren Anlagen sehr teuer geworden wäre. So konnte er z.B. die Sandregenerierungsmaschine, die einen Neuwert von über 150 000 DM hatte, zu einem Preis von nur 1000 DM kaufen. Die ehemaligen Kunden von „B und B“ bestellten nun im Vertrauen auf die zu erwartende Qualität bei „Metallguss Zeidler“ und füllten das Auftragsbuch. Zu den Auftraggebern gehörten Hersteller von Ölbrennern, Panzern, Vermessungsgeräten, Schaltanlagen, Motorengehäusen sowie Bahn- und Bustüren.

li. R. Zeidler und Mitarbeiter hinter einem Behälter mit flüssiger Bronze, re. R. Zeidler vor der Esse
li. R. Zeidler und Mitarbeiter hinter einem Behälter mit flüssiger Bronze, re. R. Zeidler vor der Esse  Foto: K-F. v. Werder, Kassel

Für größere Stückzahlen kam an der Stelle des Sandgussverfahrens, bei dem die Form nach jedem Guss zwangsweise verloren ging, auch das Gießen in Dauerformen, den sogenannten Kokillen, zur Anwendung. Verarbeitet wurden Nichteisenmetalle wie Aluminium, Magnesium, Kupfer, Zinn und Blei sowie die daraus abgeleiteten Legierungen wie z. B. Bronze. Hinzu wurde das Geschäftsfeld „Privat-Gießerei“ erweitert, da das persönlich geführte Unternehmen in der Lage war, individuelle Wünsche in kleiner Stückzahl zu produzieren, dabei ging es um Gebrauchsgüter wie z. B. Gartenzäune, Futtertröge, Namensschilder oder Briefkästen. Die Stammmannschaft wurde für die aufwendigeren Gussformen durch einen Modellschreiner ergänzt, hinzu kam ein Buchhalter in Teilzeitanstellung. Statt teurer Werbung vertraute Zeidler auf Mund zu Mund Propaganda und auf die Überzeugungskraft der Qualität seiner gelieferten Produkte.

Guss einer Tafel mit Text
Guss einer Tafel mit Text  Foto: K-F. v. Werder, Kassel
Serien-Guss in mehrere Formen
Serien-Guss in mehrere Formen  Foto: K-F. v. Werder

Das Geschäftsmodell florierte über zwanzig Jahre lang. Zufriedene Kunden und engagierte Mitarbeiter zeugten von der außerordentlichen Leistung des Unternehmers Rudolf Zeidler. Doch im Jahre 2017, an der Arbeitsweise und auch an den eingesetzten Maschinen hatte sich in den vielen Jahren nur wenig geändert, musste sich R. Zeidler im Alter von 75 Jahren und nach 61 Berufsjahren eingestehen: „Der Betrieb wird mir fehlen, aber jetzt ist es genug.“ Obwohl seine Kunden klagten, dass sie keinen fänden der so gute Wertarbeit zu so fairen Preisen liefern könnte, blieb R. Zeidler bei seiner Überzeugung und schloss die Firma. Mit der Absicht eine geräumte und besenreine Halle zu hinterlassen, bemühte er sich längere Zeit um eine möglichst kostengünstige Wertstoffverwertung der alten Einrichtung. Erst durch die persönliche Ansprache eines Freundes gelang ihm die Räumung seiner Firma mit einer „schwarzen Null“. Am 30.11. 2017 schlossen sich für den „Metallguss Zeidler“ für immer die Tore. R. Zeidler zog sich in den wohlverdienten Ruhestand nach Dörnhagen zurück, um sich mehr um seinen Hund und den großen Garten seiner Tochter kümmern zu können.

Im Sandguss hergestellte Gartentür
Im Sandguss hergestellte Gartentür  Foto: B. Schaeffer, Kassel

Aber wie es so ist mit gefassten Vorsätzen, das Leben holt sie alle ein. In den ersten fünf Jahren seines Rentnerdaseins hat sich R. Zeidler inzwischen erfolgreich in der Fuldabrücker Kommunalpolitik engagiert und außerdem muss er zusätzlich ein waches Auge auf den Erhalt seiner Gesundheit haben.
 

In der Ochshäuser Straße 45 ist 2021 von der Fa. Metallguss Zeidler nur noch der Schornstein zu erkennen.
In der Ochshäuser Straße 45 ist 2021 von der Fa. Metallguss Zeidler nur noch der Schornstein zu erkennen.  Foto: Bernd Schaeffer, Kassel
Interview mit R. Zeidler vom 17. März 2022

Freundlicherweise hat er an einem Donnerstagnachmittag, im März 2022, dem Reaktionsteam von „Erinnerungen im Netz“ in einem ausführlichen Interview Rede und Antwort gestanden. Dafür danken wir ihm ganz herzlich!

Text und Editor: B. Schaeffer, März 2022

Quellen:

  • Interview mit Rudolf Zeidler am 17. März 2022 in Fuldabrück/Dörnhagen
  • HNA vom 3. Januar 1996 und 10. November 2017

Das Interview mit R. Zeidler kann als mp3-Datei heruntergeladen werden.

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Kurzbeschreibung

In der Ochshäuser Straße zwischen Leipziger Platz und Forstfeldstraße reihen sich auch 2022 noch viele Gewerbebetriebe aneinander und prägen das Straßenbild. Als im August 1995 die Aluminium-Gießerei „B und B Guss GmbH“ in der Ochshäuser Straße 45 in Konkurs ging und 47 Mitarbeiter arbeitslos wurden, fasste sich der dort beschäftigte Meister Rudolf Zeidler ein Herz und übernahm unter dem Namen „Metallguss Zeidler“ die Gießerei. Gut 20 Jahre später, im November 2017, hat er nach 61 Berufsjahren seinen Betrieb geschlossen. Eine personengeführte Metallgießerei gibt es seitdem im Kasseler Osten nicht mehr.

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