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Landkrankenhaus Charité
- Autor: Erhard Schaeffer
- Zeit: 1750-1799
- Ort: Charité / Salzmanns Hof
- Vom: 28.11.2009
- Themen: Stadtentwicklung, Krankenhäuser / Altenpflegeheime
Der Beitrag schildert die Geschichte des ersten therapeutisch ausgerichteten Landeskrankenhaus "Charité" vor den Toren Kassels, über die Nutzung als Wohnanlage "Salzmannshof" bis zu der Zerstörung im 2. Weltkrieg.
Am 2. Mai 1785 wurde vor dem Leipziger Tor von Kassel, nahe an Bettenhausen, das von Landgraf Friedrich II. gestiftete Krankenhaus, die Charité, vom Staatsminister Julius-Jürgen von Wittorf ihrer öffentlichen Bestimmung übergeben. Sie war im Geist der Aufklärung entstanden, etwas Neuartiges, für damalige Verhältnisse Großes, in Struktur und Ziel in die Zukunft gerichtetes.
Bereits am 8. Februar 1785 erstellte Landgraf Friedrich II. die Stiftungsurkunde für diese erste therapeutisch ausgerichtete Krankenanstalt des Landes. Ziel war es damals eine moderne Wohlfahrseinrichtung zu schaffen, in der mittellose kranke Bürger des Landesbezirks umsonst behandelt wurden, ebenso bedürftige und kranke Fremde, z. B. Handwerksburschen, eine gehörige Verpflegung und Behandlung erhielten, damit sie nicht ansteckende Seuchen in die Stadt bringen konnten.
Zu dem Krankenhaus sollten auch eine Apotheke sowie etliche chirurgische Ärzte gehören. Das “Regierungs-Ausschreiben“ aus dem Jahr 1772 bestimmte die Errichtung der Charité außerhalb Kassels und legte zugleich fest, wer zum Unterhalt dieser Anstalt, für die ärmere Bevölkerung und die erkrankten Fremden aufkommen musste. Danach sollten die Kosten für die Versorgung, Kur und Verpflege der Bedürftigen durch den "Fleischheller" und einem weiteren Fond unter dem Namen "Hochzeitssteuer", der abhängig vom Stand in angemessener Höhe ordnungsgemäß eingezogen wurde, abgedeckt werden. Darüber hinaus wurde am Eröffnungstag für den Betrieb der Charité ein Stiftungskapital von 13152 Talern bereitgelegt.
Ein Krankenhaus gegen die Epidemie
Im Stadtgebiet Kassel selbst gab es zuvor verschiedene kleinere Krankenheilanstalten. Das erste moderne Krankenhaus der Stadt war das um 1770 entstandene “HÔPITAL DES FRANCOIS REFUGIÉS“ der hugenottischen Gemeinde in der Oberneustadt. Denn in Folge des siebenjährigen Krieges gab es in diesen Jahrzehnten viele Seuchen. Doch erst eine Kriebel-Krankheit-Epidemie im Jahre 1770 machte die Notwendigkeit eines großen Stadtkrankenhauses deutlich. Friedrich II. ließ 1772 - 1785 die Kasseler Charité, durch seinen Hofbaumeister, Simon Louis du Ry, im zeitüblichen Korridorsystem erbauen. In dem Gebäude waren für max. 220 Patienten 26 Säle und Zimmer mit 2 bis 30 Betten eingerichtet. Alle Patienten mussten sich mit 20 Toiletten sowie einem Badezimmer mit fünf Wannen begnügen. Zapfstellen für Wasser aus der Eichwasserleitung gab es nur in der Küche. Abwässer und Fäkalien flossen durch Eisenrohre in ein mit Steinen ausgelegten Graben, der in die Losse mündete. Damit war ein Optimum an zeitüblicher Hygiene gewährleistet. Zur Anlage gehörte ein großes Gartengrundstück mit Bäumen, Beeten und Spazierwegen, in dem Milchkühe, Hühner und Schweine zur Eigenversorgung gehalten wurden. Friedrich II. verstarb noch im Jahr der Eröffnung überraschend an einem Schlaganfall. Er konnte die erfolgreiche Entwicklung der Charité nicht mehr verfolgen.
Der Ortplan um 1835 zeigt, daß das Landkrankenhaus damals in der Mitte zwischen Cassel und Bettenhausen lag.
Ein Militärlazarett für Jérôme Bonapartes Truppen
Im Oktober 1806 wurde die Charité noch vor der Residenzstadt Cassel von französischen Truppen besetzt. Die Landesherren flohen und die Charité an der Leipziger Straße (heute etwa Leipziger Straße 117-131) wurde zum Militärlazarett. Zivilen Patienten wurden das Hilfskrankenhaus bei der Hofbleiche in der Karlsaue zugewiesen. Die Charité dient mithin jetzt dem Militär, doch die Verpflegung der Militärkranken geschah auf Kosten der Kriegskasse. In der französischen Zeit kamen auch durch Leo Klenze die zwei charakteristische Torgebäude direkt an der Leipziger Straße hinzu, eins für die westphälische Torwache, eins für die Rezeption der Zivilisten. Die Charité war damals das größte Krankenhaus des Königreichs Westphalen.
Wilhelm II. leitete 1821 eine Neugliederung der Verwaltung des Kurfürstentums ein. Es entstanden Kreisbehörden und durch Organisationsedikt wurde die Stiftung Charité in “Landkrankenhaus zu Cassel“ umbenannt. Ab 1866 hieß es unter Preußen “Provinzkrankenhaus" der Provinz Hessen Nassau. Der Krieg gegen Frankreich machte 1870 die abermalige Einrichtung einer Militärabteilung mit 100 Betten und eine Isolierabteilung erforderlich. Man errichtete im Garten hinter dem Ostpavillon des Hauptgebäudes ein sog. Contagien Haus mit 34 Betten und Desinfektionseinrichtungen. Es blieb bis zum November 1873 für die Pockenkranken der 1870 ausgebrochenen Epidemie reserviert. Im Jahr 1880 wurde an der Sandershäuser Straße für die Toten des Landkrankenhauses ein Friedhof angelegt, der aber nur bis 1894 bestand. Nach 1880 wurde die Pflege der Kranken jüdischen Glaubens, die bis dahin im Israelitischen Hospital zu Bettenhausen erfolgte, dem Landkrankenhaus übertragen.
Neubau auf dem Möncheberg
Nach mehr als 100 Jahren war 1890 in Hinblick auf die hygienischen Zustände und Erfordernisse der modernen Medizin der Neubau des Krankenhauses erforderlich geworden. Darüber hinaus schnitten häufige Hochwasser der Fulda den Weg zum Krankenhaus vor den Toren der Stadt ab und verhinderten die sonst gute Erreichbarkeit durch Eisen- und Trambahn. Daher wurde 1892-1895 eine Einrichtung im Pavillon-Stil mit 325 Betten am Möncheberg neu gebaut. 1895 bezog die Institution, die bis dahin etwa 230 Betten umfasst hatte und das Vorbild für die Landkrankenhäuser in Marburg, Fulda, Hanau, Rinteln und Schmalkalden gewesen war, die modernen Neubauten des Landkrankenhaus, auf dem Möncheberg (spätere Städtische Kliniken).
Betriebswohngebäude Salzmanns Hof
Die alte „Charité" ging 1899 durch Kauf in den Besitz der Firma Salzmann & Comp. über, die darin 40 Beamtenwohnungen für Werksangehörige einrichtete. Damit blieb die baulich schöne Anlage mit dem umgebenden Park erhalten; nur der achteckige Dachreiter, der die Uhr trug, wurde heruntergenommen. Seit dieser Zeit hieß der gesamte Komplex „Salzmanns Hof". Die Torgebäude wurden nach Auszug des Landkrankenhauses unterschiedlich genutzt (Gaststätte Salzmanns Hof, Korbwarenladen und Blumenladen).
Zerstörung im 2. Weltkrieg
Die Bomben des 2. Weltkrieges zerstörten den gesamten Salzmanns Hof. Nur das rechte Eingangshäuschen überstand die Angriffe und lockte Eis-Kirchner mit Eisspezialitäten , bis das gesamte Areal gewerblichen Zwecken zugeführt wurde. Das linke Eingangshäuschen war leicht beschädigt, hier war längere Zeit die Gärtnerei Sehrt untergebracht. Die gesamten Gebäudereste wurden nach dem zweiten Weltkrieg abgerissen und auf dem Gelände entstanden gewerbliche Zweckbauten. Ein einziges Backsteingebäude, das Gartenhaus, der 1785 gestifteten Charité, konnte durch Sanierung gerettet werden. Heute befinden sich dort Büroräume und Wohnungen mit Zugang von der Melsunger Straße. Ein Verdienst der Spedition Ullrich, die 1984 das Grundstück Leipziger Straße 121 erwarb.
Editor: Erhard Schaeffer, 2009
Quellen.
- Kassel im 18. Jahrhundert Residenz und Stadt, H: Wander, C. Vunja, K.H. Wegener
- 200 Jahre Charité-Städtische Kliniken Kassel; Georg Wenderoth. Verlag,
- Kassel.de /Stadtinformation > Stadtgeschichte > Chronik >
- Salzmann & Comp.: 50 Jahre Segeltuch Weberei
- Christian Presche Landesmuseum: Skelettfunde auf dem Universitätsgelände in Kassel
- Gruppe „Bettenhausen früher und heute“ im Agathof Stadtteilzentrum Bettenhausen
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Kurzbeschreibung
Der Beitrag schildert die wechselvolle Geschichte des ersten therapeutisch ausgerichteten Landeskrankenhaus "Charité" vor den Toren Kassels, über die Nutzung als Wohnanlage "Salzmannshof" bis zu der Zerstörung im 2. Weltkrieg.
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