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Königliche Munitionsfabrik – Produzieren für den Krieg
- Autor: Erhard Schaeffer
- Zeit: 1916
- Ort: Munitionsfabrik 1916
- Vom: 19.11.2015
- Themen: Erster Weltkrieg, Industrie und Gewerbe
Viele der 1914 bestehenden privaten Kasseler Unternehmen profitierten von der Herstellung kriegswichtiger Güter im Ersten Weltkrieg durch massive Produktionssteigerungen. Eine Sonderstellung nahm die komplett neu geplante „Königliche Munitionsfabrik“ auf dem Forst zwischen Waldau und Bettenhausen ein. Der Architekt Karl Dupont erhielt den Auftrag, auf dem Gelände des Kasseler Forsts eine Munitionsfabrik zu bauen. In kurzer Zeit entstanden riesige Anlagen, die schon 1916 in Betrieb genommen wurden. Zeitweise waren hier bis zu 15.000 Arbeiter und vor allem Arbeiterinnen unter erschwerten Bedingungen tätig.
Mit dem Verkauf eines großen Areals südlich von Bettenhausen an den Militärfiskus begann die Errichtung einer Munitionsfabrik riesigen Ausmaßes. Dafür mussten Bäume des Forsts gefällt, das Gelände geebnet, zahlreiche Werkhallen und Anlagen gebaut und Industriegeleise für den Anschluss an die Bahn verlegt werden. Nach nur eineinhalb Jahren Bauzeit war sie im Frühjahr 1917 vollständig in Betrieb. Nicht nur beim Bau der Munitionsfabrik sondern auch bei der Produktion wurde auf Kriegsgefangene zurückgegriffen. Bis zu 15 000 Menschen waren in Tag- und Nachtarbeit mit der Herstellung von Munition beschäftigt.
Seit Kriegsausbruch gab es immer mehr Frauen in sogenannten "Männerberufen". In Ermangelung an Männern übernehmen Frauen deren Jobs. Sie arbeiteten als Straßenbahnschaffnerinnen, Postbotinnen und Arbeiterinnen in der Rüstungsindustrie. Zwei Drittel der Belegschaft der „Muni“, wie sie von der Bevölkerung genannt wurde, waren Frauen. Bei der Anwerbung mit Aufrufen in der Zeitung wurde auf das vaterländische Interesse besonders hingewiesen. Den Frauen wurde neben hohen Löhnen auch die Beschaffung von Nahrungsmitteln über das sonstige Maß hinaus versprochen. Tatsächlich galt die Tätigkeit in der Munitionsfabrik in der Kasseler Bevölkerung als gut bezahlt.
Dafür brachte die Wirklichkeit in der Fabrik unfassbare schlechte gesundheitliche und arbeitszeitliche Bedingungen mit sich. Die Arbeiter und Arbeiterinnen klagten schnell über schrecklichen Ausschlag an den ungeschützten Händen und Armen. In erster Linie wurden die Sprengstoffe TNT und Dinitrobenzol in Granaten und Schwarzpulver in Patronen abgefüllt. Die Arbeit war hart und lebensgefährlich. Immer wieder kam es zu schweren Vergiftungen und Verletzungen, viele Arbeiterinnen und Arbeiter erkrankten durch den Kontakt mit den Giftstoffen. Der Zustand der sanitären Einrichtungen wie Aborte soll teilweise menschenunwürdig gewesen sein. Darüber hinaus standen die Frauen wegen des geforderten hohen Maßes an Produktivität unter ständiger Kontrolle.
Der große Bedarf an Beschäftigten in der Muni bedeutete aber auch, dass für diese Arbeiter und ihre Familien Wohnungen zu bauen waren. Die Bebauung eines Teils des „Kasseler Forstes“ begann im Jahr 1916, als in der heutigen Steinigkstraße (ehemals General-Emmich-Straße) Arbeiterwohnungen für die an der heutigen Lilienthalstraße entstehende Munitionsfabrik erstellt wurden. Hier sollte nach den Plänen des Architekten Paul Schmitthenner die „Gartenstadt Forstfeld bei Cassel“ entsprechend der Gartenstadt Staaken in Berlin entstehen. Diese Pläne wurden nur in der General-Emmich-Straße verwirklicht.
Doch so schnell wie die Munitionsproduktion mit dem Krieg begonnen hatte war sie auch bei Kriegsende 1918 zu Ende. Am Morgen des 5. Novembers 1918 kam neben der Meldung des Waffenstillstandes die Revolution durch Kieler Matrosen nach Kassel. Im Laufe des Tages erreichte eine Gruppe bewaffneter Männer des lokalen Arbeiter- und Soldatenrats die Munitionsfabrik und ließ die Arbeiter nach Hause schicken. In den Hallen der Muni wurden nie wieder Patronen gefertigt. Im Rahmen der Demobilisierung Deutschlands wurden die Produktionsanlagen der Muni abgebaut. Die aus der Munitionsfabrik hervor gehenden Deutsche Werke AG beschäftigte aber noch bis 1923 weiterhin über 1000 Arbeitnehmer auf dem Gelände des Werkes. 1925 zogen die Raab-Katzenstein Flugzeugwerke mit iher Kunstflugzeuproduktion in die zahlreich leerstehenden Werkshallen der ehemaligen Muni ein.
Im Jahre 1934 suchten die "Vereinigten Glanzstoff-Fabriken AG Wuppertal-Elberfeld" eine weitere Produktionsstätte für die Zellwolle-Herstellung. Sie fand sie auf dem leer stehenden alten Munigelände. Die neu gegründete Spinnfaser AG baute ab 1935 das Gelände um und errichtete eine Zellwoll-Fabrik. Einen Teil des Werkgeländes erwarb damals auch die Firma "Fieseler Flugzeug GmbH", die eine Flugzeugfabrik darauf errichtete.
Seit 1984 befindet sich auf dem Gelände der ehemaligen Spinnfaser AG (später Werk Kassel der Enka Glanzstoff AG) der Unternehmenspark Kassel (UPK) mit einer Gewerbefläche von ca. 147.000 Quadratmeter.
Die Gebäude der Wohnstraße in Bettenhausen erinnern mit ihrem neoklassizistischen Aussehen der Wohnhäuser und dem ehemaligen Verwaltungsgebäude noch an die Zeiten der Munitionsfabrik am Anfang des 20. Jahrhunderts.
Editor: Erhard Schaeffer, November 2015 / 2021
Quellen:
- www.Kassel.de - Stadtinformation > Stadtgeschichte > Chronik >
- KASSELER TAGEBLATT,1929
- Erinnerung von Margarethe Wagner, Kassel
- Heimatfront, Werkstatt Geschichte an der ASS Kassel, 2012
- Stadtarchiv Kassel, Signatur C22 Erster Weltkrieg
- M. Lacher Arbeit und Industrie in Kassel, 2018
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Kurzbeschreibung
Viele der 1914 bestehenden privaten Kasseler Unternehmen profitierten von der Herstellung kriegswichtiger Güter im Ersten Weltkrieg durch massive Produktionssteigerungen. Eine Sonderstellung nahm die komplett neu geplante „Königliche Munitionsfabrik“ auf dem Forst zwischen Waldau und Bettenhausen ein. Der Architekt Karl Dupont erhielt den Auftrag, auf dem Gelände des Kasseler Forsts eine Munitionsfabrik zu bauen. In kurzer Zeit entstanden riesige Anlagen, die schon 1916 in Betrieb genommen wurden. Zeitweise waren hier bis zu 15.000 Arbeiter und vor allem Arbeiterinnen unter erschwerten Bedingungen tätig.
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