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"Keine politischen Bäume": Ortsvorsteher/Joseph Beuys

Keine politischen Bäume

Von Jopseph Beuys unterschriebener Handzettel, auf dem Friedrichsplatatz verkauft. Foto: Falk Urlen

Der ehemalige Ortsversteher von Forstfeld erzählt, wie er 1982 die sog. "Zettelaktion" des Künstlers Joseph Beuys, bei der dieser die etablierten Parteien beschimpfte und für die neue Partei der Grünen Wahlwerbung betrieb, stoppen konnte und von ihm dennoch 400 Bäum für seinen Stadtteil erhielt.

Forstfeld war der zweite Kasseler Ortsbeirat, der sich dazu entschloss, das Angebot von Joseph Beuys anzunehmen, in seinem Bereich Bäume zu pflanzen. Bald darauf erhielt er ein Schreiben von Beuys.

Briefkopf von Beuys
Briefkopf von Beuys  Foto: @ Stadtteilzentrum Agathof e. V.

"An die Bürger des Stadtteils Forstfeld!

Im Rahmen der von dem Künstler Joseph Beuys iniziierten Aktion 7.000 Eichen, ging bei uns auch der Vorschlag ein, im Bereich Forstfeld Bäume zu pflanzen. Mit der Aktion erhalten sie als Bürger die Möglichkeit die Situation in ihrem Wohnumfeld selbst aktiv zu verbessern.

So sollen die Bäume möglichst in Gebieten gepflanzt werden, die in Bezug auf "nutzbare Grünflächen" bisher wenig berücksichtigt wurden. Das heißt, z. B. in Wohngebieten, in denen die Abstandsflächen aus großen kahlen Wiesen bestehen, oder in breiten Straßenzügen, in denen sich im Sommer die Hitze staut..."

Wir suchten und fanden Pflanzstellen, plötzlich aber begannen die Mitarbeiter des Künstlers auf dem Friedrichsplatz die o. a. Zettel zu verkaufen. Vielleicht war es von Beuys nicht ganz geschickt, gleich alle drei großen Parteien anzugreifen, jedenfalls schlossen diese sich diese in einer große Koalition gegen Beuys zusammen. Beuys Mitarbeiter versprachen zwar, die Zettel nicht mehr zu verkaufen, verkauften „aus Versehen“ aber immer weiter. Das wollte ich stoppen, kaufte auf dem Friedrichsplatz ein solches Blättchen und begann, lautstark zu reklamieren. Zufällig war der HNA-Redakteur Rossbach in der Nähe und schlug in der nächsten HNA-Ausgabe auch in meine Kerbe. Der Verkauf der Blätter wurde daraufhin sofort eingestellt. Gut, dass ich eines gekauft hatte, vielleicht erreichte ich durch den Verkaufsstopp für mein Exemplar eine Wertsteigerung – sollte ich es einmal wiederfinden. In der Forstfelder kleinen Zeitung schrieb ich dann:

"Moderne Kunst mit Beuys im Forstfeld!?

Was hat der Ortsbeirat mit Kunst zu tun? Diese Frage werden Sie sich bei unserer Überschrift vielleicht stellen; andere wiederum werden sich fragen, was Beuys mit Kunst zu tun hat.

Wenn wir Kunst nach neuerer Auffassung definieren, bedeutet Kunst Kreativität; Beuys geht in seiner Auffassung noch einen Schritt weiter, indem er auch die Politik in die Kunst einbezieht. Einerseits kann ich ihm ja persönlich denkbar sein - ich kann mich jetzt auch als Künstler bezeichnen - andererseits aber empfinde ich es nicht mehr als künstlerisch wertvoll, mit faschistischem Wortschatz die Parteien, die Deutschland nach dem Krieg wieder aufgebaut haben, als Vernichtungsparteien zu bezeichnen, außerdem noch eine Partei zu unterstützen, die Wirtschaftswachstum ablehnt und damit Arbeitslosigkeit und sozialen Rückschritt befürwortet - Beuys versuchte im Rahmen der Dokumenta die Grünen zu unterstützen. Wie Sie sicher aus der Tagespresse entnommen haben, konnte ich es erreichen, daß diese Angriffe gegen die SPD, die CDU und die F.D.P. gestoppt wurden. Beuys tut so, als ob diese Parteien keinen Baum gepflanzt hätten.

Dennoch meine ich, daß wir gar nicht genug Bäume haben können, denn jeder Baum ist ein Stückchen mehr Lebensqualität, da er Sauerstoff erzeugt, die Luft filtert und den Schall abhält. Aus dem Grund nahm der Ortsbeirat das Angebot des Koordinationsbüros 7000 Eichen gerne an, noch zusätzliche weitere 200 Bäume ins Forstfeld zu pflanzen. Ich wollte jedoch keine parteipolitischen Bäume, und erst als auf dem Friedrichsplatz durch meine Intervention der schlimme Zettel nicht mehr verkauft wurde, war ich wieder bereit, diese Aktion zu unterstützen.

Falk D. Urlen, Ortsvorsteher"

Joseph Beuys
Joseph Beuys  Foto: @ Wikipedia

Insgesamt wurden in Forstfeld fast 400 Bäume gepflanzt, die sich mittlerweile gut entwickelt haben und für uns und Kassel viel Sauerstoff erzeugen. Danke Joseph Beuys!

Editor: Falk Urlen, 2010

Den Zeitungsbericht können Sie sich als PDF-Datei herunterladen!

Wo spielt dieser Beitrag?

Ort: Forstfeld

Kurzbeschreibung

Der ehemalige Ortsversteher von Forstfeld erzählt, wie er 1982 die sog. "Zettelaktion" des Künstlers Joseph Beuys, bei der dieser die etablierten Parteien beschimpfte und für die neue Partei der Grünen Wahlwerbung betrieb, stoppen konnte und von ihm dennoch 400 Bäum für seinen Stadtteil erhielt.

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