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Die Lebensverhältnisse der Bewohner in der Unterneustadt um 1700
- Autor: Gerhard Böttcher
- Zeit: 1700-1749
- Ort: Unterneustadt
- Vom: 30.10.2014
- Themen: Stadtentwicklung, Künstler, Chronisten und Biografen
Um sich ein Bild über die Gesellschaftsschichten und ihre sozialen Strukturen der Unterneustadt um 1700 zu verschaffen muss man das Kontributions Verzeichnis zur Hand nehmen. Die Kontribution, Bezeichnung der Grundsteuer, war ursprünglich eine Kriegssteuer, die dann 1707 unter die Landessteuer gerechnet wurde. In diesem Verzeichnis sind sämtliche Häuser und deren Bewohner namentlich mit ihrem Besitz und Vermögen erfasst. Besteuert wurden Grundstücke, Gebäude, Gärten, Wiesen und Ackerland, Gewerbe und Vieh (Kühe und Pferde). Es wurden unterschiedliche Werte festgesetzt, zum Beispiel eine Kuh hatte einen Steuerwert von zwei Gulden jährlich. Arme, Kranke und gebrechliche Personen sowie invalide Soldaten blieben von der Steuer befreit.
Um 1700 war die Bevölkerung der Unterneustadt nicht gerade wohlhabend. Eine große Anzahl setzte sich aus Witwen, Almosenempfängern und ausgedienten Soldaten zusammen. Erstaunlich ist trotzdem der erhebliche Besitz von Gärten, Wiesen und Ackerland sowie von Vieh.
Bis ins 19. Jahrhundert besaß die Stadt Cassel mehrere Kuhherden, die teilweise aus der Altstadt über die Brücke von städtischen Viehhütern in den Forst geführt wurden. Das Vieh der Unterneustädter reihte sich dann in die Herde der Altstadt ein. Von den fünf registrierten Pferden besaß ein Reitpferd der Landarzt und weitere vier Pferde gehörten Fuhrunternehmern. Allerdings besaßen die Unterneustädter eine große Anzahl von Schweinen, diese gehörten aber nicht zur Kontributionsveranlagung. Der auf dem Forst bezeichnete "Sauplatz" war Weidefläche auch für die Schweine der Altstadt. Im Dienst der Stadt standen bis Mitte des 19. Jahrhunderts Kuh- und Schweinehüter auf der Gehaltsliste.
Steuerfrei blieben allerdings auch Personen aufgrund ihrer Stellung, so waren zum Beispiel sämtliche Regierungsräte der Casseler Regierung von der Kontribution befreit. Von der Steuer waren aber auch Personen befreit, die Almosen aus dem Waisenhaus bezogen und zugezogene Personen im ersten Jahr ihres Zuzuges. In der Unterneustadt gab es so gut wie keine Patrizierfamilien, sondern nur Ratsfamilien. Aus diesen Familien wurden jeweils die drei Schöffen für die Stadtregierung benannt.
Die Unterneustadt hatte im Jahr 1707, 197 bebaute und eine kleine Anzahl unbebaute Grundstücke. Unter den bebauten Häusern befanden sich auch 17 öffentliche Gebäude. In der Kontributions-Liste wurden 306 Handwerker, 66 Personen im öffentlichen Dienst, 13 Angehörige des Militärs, einschließlich ausgedienter Soldaten, 24 Handelsleute, 8 Gastwirte, 4 Gärtner, 5 Künstler und Musiker und 9 Tagelöhner aufgeführt. Die Zahl der selbständigen Betriebe lässt sich nur bei den Bäckern (35), Fleischern (12) und Gastwirten (6) nachvollziehen. Die Bierbrauer, meist Gastwirte, fanden sich aber auch unter den Bäckern und anderen Berufen, die in ihrer Vielfalt gesondert aufgeführt werden müssten.
In diesem Zusammenhang fällt die hohe Anzahl der Bäcker und Bierbrauer auf, deren Bedürfnisse weit über den Bedarf der Unterneustädter ging. Ein Verkauf in die Altstadt schloss sich aus, da dort der Bedarf von den dortigen Betrieben gedeckt wurde. Es liegt auf der Hand, dass der Absatz hauptsächlich in den umliegenden Gemeinden rechts der Fulda erfolgte. In den umliegenden Dörfern durften Bäcker gar nicht oder nur in beschränkter Anzahl sich niederlassen. Die Bevölkerung, die keine Möglichkeiten zum Backen hatte, war somit auf städtischen Lieferungen angewiesen. Schon vor der Reformation des 1493 bis 1509 regierenden Landgrafen Wilhelm II. waren Weckebäcker auf dem Lande nicht mehr geduldet. Das Bierbrauen war bereits 1526 auf dem Lande generell verboten und wurde erst 1655 nur in solchen Dörfern geduldet, die mindestens zwei Stunden (Bannmeile) von der nächsten Stadt entfernt lagen, Ausnahmen bekamen mit "fürstlicher Gnade" nur einzelne Dörfer wie Gieselwerder oder Lippoldsberg.
Eine Aufzählung aus der Kontributions-Liste mit den beschriebenen Personen vermittelt uns heute einen vagen Einblick über die damaligen Lebensverhältnisse der Bewohner und deren soziale Strukturen. Die Zahl der beschriebenen Personen mit ihren Berufen und Besitztum mussten im nachfolgendem Anhang auf die Eigenheiten der Berufe und den gesellschaftlichen Status eingeschränkt werden, da sie sonst den Rahmen gesprengt hätten. Wenn sie weitergehendes Interesse an diesem Thema haben, können sie sich das Dokument im Anhang herunterladen.
Autor: Gerhard Böttcher, 2011
Editor: Erhard Schaeffer, Oktober 2014
Quellen:
- Franz Carl Theodor Piderit Geschichte der Haupt-und Residenz Stadt Cassel
- Prof. Dr. Hugo Brunner Geschichte der Residenzstadt Cassel (1000 Jahrfeier )
- Paul Heidelbach Ein Jahrtausend hessischer Stadtkultur, 1957
- Dr. Ing. Dr. phil A. Holtmeyer Bau- und Kunstdenkmäler im Reg. Cassel
- August Woringer Die Bewohner der Unterneustadt zu Kassel in 1707
- Gerhard Böttcher Dokumentation 725 Jahre Unterneustädter Kirche
- http://www.lagis-hessen.de Historische Ortsansichten
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Kurzbeschreibung
Um sich ein Bild über die Gesellschaftsschichten und ihre sozialen Strukturen der Unterneustadt um 1700 zu verschaffen muss man das Kontributions Verzeichnis zur Hand nehmen. Die Kontribution, Bezeichnung der Grundsteuer, war ursprünglich eine Kriegssteuer, die dann 1707 unter die Landessteuer gerechnet wurde. In diesem Verzeichnis sind sämtliche Häuser und deren Bewohner namentlich mit ihrem Besitz und Vermögen erfasst. Besteuert wurden Grundstücke, Gebäude, Gärten, Wiesen und Ackerland, Gewerbe und Vieh (Kühe und Pferde). Es wurden unterschiedliche Werte festgesetzt, zum Beispiel eine Kuh hatte einen Steuerwert von zwei Gulden jährlich. Arme, Kranke und gebrechliche Personen sowie invalide Soldaten blieben von der Steuer befreit.
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