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AEG Fahrkartendrucker- hergestellt in Kassel
- Autor: Bernd Schaeffer
- Zeit: 1946
- Ort: Industriegebiet Lilienthalstrasse 150
- Vom: 26.04.2020
- Themen: Firmen- und Industriegeschichte, Industrie und Gewerbe
An die Fertigung von Kühlgeräten in den Fabrikhallen von der AEG an der Lilienthalstraße kann man sich noch gut erinnern. Die Firma hat jedoch auf dem Gelände der ehemaligen Junkers Flugzeug- und Motorenwerke eine ganze Palette von Produkten hergestellt. Die Fabrikation von Fahrkartendruckern, mit einem Absatz in die ganze Welt, gehörte auch dazu. Die AEG baute ab 1929 Fahrkartendrucker in verschiedenen Größen und der Einsatz der letzten Geräte endete erst mit der Einführung des Euros als Bargeld am 1. Januar 2002.
Viele ältere Mitbürger können sich noch an die 30,5 mm × 57 mm große, braune Kartonfahrkarte erinnern. Sie war beim Bahnfahren wichtiger als der Koffer, denn sie war der rechtskräftige Beleg dafür, dass man seinen Fahrpreis für die Reise bezahlt hatte.
Bis ca. 1840 wurden Fahrkarten auf kleinen handgeschriebenen Zetteln ausgestellt. Die Erfindung der Kartonfahrkarte verdanken wir Thomas Edmondson (* 30. Juni 1792 in Lancaster; † 22. Juni 1851 in Manchester) der in der kleinen englischen Stadt Milton (heute: Brampton in Cumbria) Stationsvorsteher war. Durch seine Idee die Fahrkarten zu standardisieren, zu drucken und mit durchlaufenden Nummern zu versehen, stieg er zum Direktor der Manchester and Leeds Railway Company auf. Die Idee war so genial, dass sie in kurzer Zeit von allen englischen und später auch von den kontinental-europäischen Eisenbahngesellschaften übernommen wurde. Die Größe der Kartonfahrkarten wurde nie verändert.
In der Länderbahnzeit entsprach die Leitfarbe der Fahrkarten den seinerzeit üblichen wagenklassenspezifischen Lackierungen der Reisezugwagen, damit konnte schon an Hand der Kartenfarbe kontrolliert werden, ob der Karteninhaber sich in der von ihm bezahlten Wagenklasse befand.
Die sogenannten Klischee-Drucker mit Reihenregister wie z.B. der Typ AEG TIV-200 wurden vor dem 2. Weltkrieg auf fast allen Bahnhöfen der Deutschen Reichsbahn eingesetzt. Die damit erzeugten Kartonfahrkarten sind mit ihren viele verschiedenen Reisezielen heute beliebte Sammlerobjekte.
Auch die sogenannte „Bahnsteigkarte“, die zum Betreten des Bahnsteiges berechtigte, war ein braunes Kartonkärtchen des Formats 30,5 mm × 57 mm.
Auf dem Gelände der ehemaligen Junkers Flugzeug- und Motorenwerke an der Lilienthalstrasse 140 – 150 gründete die AEG (Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft) 1948 ein neues Werk. In der Fabrik wurden zunächst nur Hochspannungsschaltgeräte hergestellt. Im Laufe der Zeit kamen die Produktion von Isolierstoffen, Kühlgeräten und schließlich Anfang der 1950er Jahre auch die Herstellung der Fahrkartendrucker dazu.
Nachdem viele Bahnhöfe und damit auch die Drucker der Deutsche Reichsbahn im Zweiten Weltkrieg zerstört worden waren, konnte die Konstruktion von Großdruckern für den Schalterdienst ab 1946 völlig neue Wege gehen.
Die neuen Schalter-Großdrucker hatten eine großflächige Skala – ähnlich der Anzeige an einem Radio-Röhrengerät der 50er Jahre - an dem mit einem Schlitten das gewünschte Fahrziel eingestellt wurde. Mit dem Druck der Fahrkarte lief gleichzeitig eine Registrierung auf einen Buchungsstreifen, sodass das geldmäßige Betriebsergebnis und Statistik vollautomatisch erstellt werden konnten. Das Gerät war somit Druck-und Rechenmaschine sowie Buchhaltung in einem.
An den etwa 6500 Fahrkarten-Schaltern der Deutschen Bundesbahn wurden in 1953 mehr als 460 Million Fahrausweise ausgegeben. Von den 760 Fahrkartenausgaben (FKA), die mit einem modernen Fahrkartendrucker der AEG ausgestattet waren, wurden davon allein 137 Million Karten gedruckt. Die AEG Großdrucker benötigten für den Druck einer Fahrkarte mit Rechen- und Kontrollfunktion weniger als eine Sekunde, damit wurde die Abfertigung am Schalter wesentlich beschleunigt. (Anmerkung des Verfassers: Die Bildung von Warteschlangen lag somit eindeutig in der Verantwortung des Personals.)
Daneben wurden von der AEG ab 1929 mit großem Erfolg Kleindrucker des Typs KAL für den mobilen Einsatz auf dem Markt gebracht.
Technische Daten KAL (Basismodell):Druck auf vordruckloses Rollenpapier (Papierbreite 62 mm)
- Fahrscheinformat bei Rollenpapier ca. 62x75 mm
- Aufdruck: Zwei Datenzeilen und zwei Klischeeabdrücke
- Einstellmöglichkeiten von außen: Preis (vierstellig, letzte Stelle nur 0 und 5), zwei nach Kundenwunsch belegbare Tarifstellen mit je 10 Werten, 6 Ziffern
- Weitere Einstellmöglichkeiten direkt am Druckwerk (über Klappe zugänglich): Datum und einige weitere Stellen je nach Konfiguration.
- Laufende Nummer im Aufdruck vierstellig
- Bis zu drei, meistens zwei an der Druckwalze festgeschraubte Klischees aus Hartgummi (nicht zum Betrieb notwendig)
- Farbwalze
- Protokoll auf zweiter Papierrolle (Spezialpapier)
- Antrieb über Handkurbel, optional externer Motor
- Gewicht: ca. 2 kg ohne Papierrolle
- Größe: ca. 22x22x10 cm
- Zählwerke: Stückzähler, summierender Einnahmenzähler, optional Stückzähler für die Einstellungen der Reihen 5 und 6
Die mobilen Geräte fanden auch Einsatz in Bussen und Straßenbahnen; 2800 davon in den Bahnbussen.
1952 beschäftigte die AEG in Kassel-Bettenhausen über 3000 Menschen und war damit ein maßgeblicher Arbeitgeber, auch für die Bettenhäuser Einwohner.
Durch fortschreitenden Entwicklung der Elektronik wurde 1983 die Fahrkartendrucker-Herstellung in Kassel eingestellt. Die Fabrikhallen dienten danach der wachsenden Fertigung von Kühl- und Gefriergeräten.
Die AEG-Hausgeräte-AG wurde 1994 an die Electrolux Hausgeräte GmbH verkauft. Bei der Übernahme der Fertigungsstätte für Kühl– und Gefriergeräte in Kassel wurden 800 Arbeitnehmer entlassen und die Produktion in ein Land mit niedrigerem Lohnniveau verlagert.
Am 13. Dezember 2002 wurde das Werk endgültig geschlossen und weitere 400 Mitarbeiter verloren ihren Arbeitsplatz.
Text und Editor: Bernd Schaeffer, April 2020
Quellen:
- regiowiki.hna.de/AEG aufgerufen am 22.04.2020
- www.fahrscheinwesen.de/drucker/index.html aufgerufen am 22.04.2020
- Fritz Haseloff (1907 -2000), technischen Leiter der AEG- Fahrkartendruckerfabrik.
- Eine Chronik, Bettenhausen 1906 – 1956, Kurt Klehm, Bettenhäuser Verlag
- Chronik der AEG von 2001, Verlag Thiele und Schwarz, Kassel
- Exponate des Museums „Hof Helse“ des Geschichtskreises Vellmar e. V.
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Kurzbeschreibung
An die Fertigung von Kühlgeräten in den Fabrikhallen von der AEG an der Lilienthalstraße kann man sich noch gut erinnern. Die Firma hat jedoch auf dem Gelände der ehemaligen Junkers Flugzeug- und Motorenwerke eine ganze Palette von Produkten hergestellt. Die Fabrikation von Fahrkartendruckern, mit einem Absatz in die ganze Welt, gehörte auch dazu. Die AEG baute ab 1929 Fahrkartendrucker in verschiedenen Größen und der Einsatz der letzten Geräte endete erst mit der Einführung des Euros als Bargeld am 1. Januar 2002
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