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Vom Durchgangsarzt zum Pilger. Aus dem Leben des Dr. Wolf Jöckel

Dr. Wolf Jöckel liest aus seinem Roman

Dr. Wolf Jöckel liest aus seinem Roman
Foto: W. Joeckel, Kassel

Fast jeder, der vor der Jahrtausendwende in Bettenhausen  entweder gewohnt und gearbeitet hat oder zur Schule gegangen ist, hat sicherlich mindestens einmal die Bekanntschaft der unfallchirurgischen Praxis Jöckel in der Leipziger Straße 113 gemacht. Als Ruheständler wandte Dr. Wolf Jöckel sich ab 2002 neuen Zielen zu. Nachdem er mehrfach zu Fuß oder mit dem Fahrrad auf dem Jacobs-Weg unterwegs war, schilderte er danach seine Erlebnisse in mehreren kurzweiligen Büchern.

Am 10. Juli 2023 berichtete Herr Dr. Wolf Jöckel der Autorin in einem persönlichen Gespräch aus seinem spannenden und abwechslungsreichen Leben.
Sein Vater, Dr. Helmut Jöckel sen., kam nach seinem Dienst als Stabsarzt in der Wehrmacht und nach seiner Kriegsgefangenschaft im Jahr 1952 nach Kassel. Mit seiner Hilfe konnte der Apotheker Martin Pohl das Haus in der Leipziger Straße 113 bauen und dort u.a. eine Praxis einrichten. Sie diente H. Jöckel auch bis Ende der 50er Jahre als Wohnung. Wolf Jöckels Mutter führte bis 1957 in Battenberg an der Eder eine Landarztpraxis, danach kam die Familie in Kassel wieder zusammen. Nach dem Abitur an der Kasseler Albert-Schweizer Schule absolvierte er den Grundwehrdienst und studierte, der Familientradition gemäß, in Heidelberg und Marburg Humanmedizin.

 

Praxis Dr. Jöckel in der Leipziger Str. 113 in der Bildmitte.
Praxis Dr. Jöckel in der Leipziger Str. 113 in der Bildmitte.  Foto: Archiv Stadtteilzentrum AGATHOF e.V.

Der Entschluss für die Spezialisierung zum Facharzt für Unfallchirurgie entsprang dem Wunsch, schnelle Entscheidungen treffen zu können. Den Weg in die Forschung schloss Dr. Jöckel wegen der Tierversuche aus, die in der Forschung obligatorisch waren.
In Hannover war er Arzt im Rettungshubschrauber Christoph 4, mit dem er während des großen Brandes 1975 auch in der Lüneburger Heide zum Einsatz kam.
1976 stieg Dr. Wolf Jökel in Praxis seines Vaters ein. Dieser war in den 1950er Jahren der einzige niedergelassene Unfallchirurg in Kassel, der von den Berufsgenossenschaften als Durchgangsarzt ernannt wurde, sodass viele Arbeits-, Wege- und Schulunfälle aus ganz Kassel in die Leipziger Straße 113 führten. Mit über 6000 Arbeitsunfällen pro Jahr war sie die größte berufsgenossenschaftliche Unfallpraxis in Nordhessen. Schwerpunkt waren die Arbeitsunfälle im Kasseler Osten, ausgehend von den dort ansässigen Firmen wie z.B. Enka, AEG, Salzmann, Gießereien u.a. mehr.

Wartezimmer in der Praxis Dr. Jöckel
Wartezimmer in der Praxis Dr. Jöckel  Foto: W. Jöckel, Kassel

Um besser operieren zu können, wurde ein großzügiger Operationssaal angebaut, in dem auch viele handchirurgische Fälle behandelt wurden. Die Anästhesie für diese Eingriffe wurden zunächst von Dr. Wolf Jöckel selbst gemacht, später kam ein Anästhesist hinzu. Unterstützung gab es von insgesamt 13 medizinischen und verwaltungstechnischen MitarbeiterInnen. Dr. H. Jöckel starb 1990. Dr. Wolf Jöckel verließ im Jahr 2002 die Praxis, die inzwischen zu einem Medizinisches Versorgungszentrum geworden ist. In seiner Zeit als Unfallchirurg war W. Jöckel auch viele Jahre Mannschaftsarzt des Profi-Eishockey Teams der Kassel Huskies.

Dr. W. Jöckel als Radsportler
Dr. W. Jöckel als Radsportler  Foto: W. Jöckel, Kassel

Im Ruhestand widmete er sich zunehmend dem Radsport. Im Team mit Helmut Mauer (Mauers Bike-Shop) absolvierte er verschiedene Rennen und Wettkämpfe. 2008 gab es einen Wechsel vom Rennrad auf ein Mountainbike. Eine seiner ersten Touren führte ihn auf den Jacobs Weg nach Santiago de Compostela.
2011, auf einer Trainingsfahrt nach Breitenbach bei Kassel, gab es einen schweren Unfall mit einem LKW. Der Zusammenstoß machte den Arzt selbst zum Patienten. Die Folgen des schweren Unfalls waren der Hintergrund für seine erste Pilgerreise zu Fuß vom Norden Spaniens bis Santiago de Compostela.

Wegweiser auf dem Jacobsweg
Wegweiser auf dem Jacobsweg  Foto: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ainhoa_Chemin_de_Compostelle.jpg

Dr. Jöckel ist immer wieder von der Offenheit der Pilger begeistert, die sich ja ausnahmslos in einer besonderen Situation befinden. So konnte er viele neue Freundschaften schließen und hatte zahlreiche interessante Begegnungen. Mit Hingabe und Freude am Schreiben verfasste er in der Folgezeit mehrere Bücher, in denen er von den Begegnungen mit den Menschen berichtete und die faszinierende Landschaft beschrieb.

Eine Romanausgabe von W. Jöckel über den Jacobsweg.
Eine Romanausgabe von W. Jöckel über den Jacobsweg.  Foto: W. Jöckel, Kassel

Inzwischen, 83jährig, veranstaltet er Lesungen aus seinen Büchern, deren Erlös er dem Benediktinerkloster San Salvador de Monte Irago in Rabanal nahe Leon in Spanien zukommen lässt.

Wir danken Herrn Dr. Wolf Jöckel für sein offenherziges Interview und wünschen ihm noch viele neue Erlebnisse, über die er dann in seinen Büchern berichten kann.

 

Dr. W. Jöckel während des Interviews in 2023
Dr. W. Jöckel während des Interviews in 2023  Foto: B. Schaeffer, Kassel

Text: Martina Arnold

Editor: B. Schaeffer, August 2023

 

Liste (unvollständig) der bisher veröffentlichten Romane von Wolf Jöckel

  •    Den Jakobsweg mit dem Mountainbike erleben. Ein Tagebuch
  • …und wieder war der Weg das Ziel: eine körperliche Herausforderung auf dem Sternenweg.
  • …auch 2015 – durch die Meseta. Thiele & Schwarz, Kassel, 2016
  • Getriebene im Zeichen des Kreuzes. Verlag Winfried Jenior, Kassel, 2018.
  • Der Einäugige und der Blinde. Verlag Winfried Jenior, Kassel, 2019, 
  • Erinnerungen, 80+…und am Ende der Welt. Verlag Thiele & Schwarz, Kassel, 2022,

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Kurzbeschreibung

Fast jeder, der vor der Jahrtausendwende in Bettenhausen  entweder gewohnt und gearbeitet hat oder zur Schule gegangen ist, hat sicherlich mindestens einmal die Bekanntschaft der unfallchirurgischen Praxis Jöckel in der Leipziger Straße 113 gemacht. Als Ruheständler wandte Dr. Wolf Jöckel sich ab 2002 neuen Zielen zu. Nachdem er mehrfach zu Fuß oder mit dem Fahrrad auf dem Jacobs-Weg unterwegs war, schilderte er danach seine Erlebnisse in mehreren kurzweiligen Büchern.

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