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Weihnachten in meiner Kinderzeit

Federzeichnung, 1944 Engel mit Tannenbaum schwebt über einem schlafenden Soldaten

Federzeichnung Herbert List, 1944
Foto: sammlungonline.muenchner-stadtmuseum.de/objekt/frohe-weihnachten-1944-10127981

Meine erste bleibende Erinnerung war im Kriegsjahre 1944. Wir waren in Kassel ausgebombt, mein Vater war in der Pinne in der Kasseler Altstadt ums Leben gekommen und meiner Mutter und mir wurde ein Zimmer auf einem Bauernhof in Kleinalmerode / Kreis Witzenhausen zugewiesen. Im gleichen Haus wohnten meine Tante und mein Onkel mit sechs Kindern.

Es war Heiligabend 1944, in der Stube stand ein selbst im Walde geschlagener Tannenbaum, der mit Wachskerzen, Strohsternen und selbst gebastelten Sternen aus Papier und Lametta geschmückt war.
Der ganze Haushalt und viele Kleidung war beim Bombenangriff auf Kassel im Oktober 1943 vernichtet worden. Viel war uns nicht mehr geblieben. Wir trafen uns alle in der Wohnstube der Verwandten, denn sie war das einzige beheizte Zimmer im Haus.

Es roch nach Holzfeuer. Für uns Kinder gab es selbst gebackene Plätzchen, Äpfel und zum ersten Mal in meinem Leben sah ich eine Apfelsine. Woher mein Onkel und meine Mutter die organisiert hatten, weiß ich bis heute noch nicht. Weiterhin gab es Schokolade. Für Spielzeug war kein Geld vorhanden, aber ein Holzschlitten stand unter dem Baum, der musste für alle Kinder zum Rodeln reichen.

Ich erhielt eine Fliegermütze, die ging mir über die Ohren und wärmte den ganzen Kopf, selbst gestrickte Handschuhe und einen ebensolchen Pullover. Diese Mütze habe ich geliebt, wie das alte Foto zeigt.

Wilfried Strube mit Fliegermütze steht als Kleinkind vor seiner Mtter und Tante in Kleinalmerode, 1944
Wilfried Strube in Kleinalmerode, 1944  Foto: Wilfried Strube

In 1945 zogen wir zu meinen Großeltern in die General - Emmich - Straße in Kassel, so hieß sie damals noch. Mittlerweile hatte ich begriffen, dass ich keinen Vater mehr hatte und ich mit meiner Mutter allein zurechtkommen musste. Dort bewohnten wir mit meinem Onkel, der zwischenzeitlich mit seiner Braut aus Hamburg von der Marine zurückgekehrt war, eine Dreizimmerwohnung. Die Toilette war im Treppenhaus und zwei Wohnungen mussten sich diese teilen.

In den Jahren danach passierte nichts außergewöhnliches zu Weihnachten, am Heiligabend trafen sich nach der Bescherung alle Verwandten in der Wohnung meiner Großeltern. Dort gab es noch weitere Geschenke und für die Erwachsenen Glühwein und Stollen. Übrigens, der war bereits im November selbst gebacken worden und wurde streng verwahrt. Es gab ihn erst am Heiligabend.

Deckel eines Trix Metallbaukasten aus den 1950er Jahren, strahlender Junge zeigt auf Trix und die Metallobjekte
Trix Metallbaukasten aus den 1950er Jahren  Foto: Franz Elbert

Alle Jahr wieder an Weihnachten gab es für jede Familie eine selbst gefütterte Gans, die neben Hühnern und Kaninchen im Garten an der Losse gehalten wurde.

Jahre später, meine Mutter hatte in 1948 wieder geheiratet, war zwar wieder ein Mann im Haus, aber er war, obwohl er es mich nicht spüren lies, nur der Stiefvater.

Im Jahr 1949 bekamen wir eine Mansardenwohnung in der Wissmannstraße.

Im Jahre 1950, inzwischen hatte ich einen Bruder bekommen, der Stiefvater war noch arbeitslos, es war wieder einmal Weihnachten. Ich hatte mir beim Spielzeug-Frisch in der Leipziger Straße, einen Grundbaukasten von TRIX gewünscht und tatsächlich bekam ich ihn auch.

Die Tradition, dass wir uns nach der Bescherung am Heiligabend alle im Elternhaus treffen, ist bis heute geblieben.

Weihnachtsfeier KGV 2006, Enkeltochter auf dem Schoß des Weihnachtsmann und Enkelsohn steht daneben
Die Enkelkinder beim Weihnachtsmann der KGV 2006  Foto: Wilfried Strube

Eine Weihnachtsgeschichte mit meinen Enkeln

Es war Heiligabend, auch im Pfingstweg in Fuldatal-Ihringshausen hatte es geschneit, also ein typisches Weihnachtsfest wie in alten Zeiten mit Winterlandschaft.
Meine Enkelkinder, 10 und 8 Jahre alt, glaubten nicht mehr an den Weihnachtsmann. Sie waren überzeugt, die Geschenke kaufen die Eltern und Großeltern und legen sie unter den Weihnachtsbaum. So auch diese Weihnachten. Wir Großeltern und die Eltern meines Schwiegersohns waren wie immer am Heiligabend zu Gast, weil es mit Enkelkindern einfach festlicher ist.

Nach dem gemeinsamen Essen war es soweit, die Bescherung konnte beginnen. Die Geschenke wurden verteilt und alle waren bedacht und machten zufriedene Gesichter.

Von draußen auf der Straße erklang Glockengeläut. Ein Nachbar hatte für die Bescherung seiner Kinder einen Weihnachtsmann bestellt. Der fuhr mit einem Pferdegespann auf den Parkplatz vor das Haus und verließ den Pferdewagen mit einem Sack voller Geschenke. Er ging ins Nachbarhaus um den Kindern dort ihre Geschenke zu bringen.

Erst als meine Enkelkinder hörten, dass in der Nachbarwohnung Weihnachtslieder gesungen wurden, guckten sie neugierig und gespannt vom Balkon und bewunderten das festlich beleuchtete Pferdegespann. Plötzlich trat aus dem Hauseingang der Weihnachtsmann in Person und schritt gemächlich zurück zu seinem Fuhrwerk.

Scherenschnitt schwarz, Pferdeschlitten mit Weihnachtsmann
Der Weihnachtsmann reitet davon  Foto: https://www.istockphoto.com

Meine Enkelkinder waren so fasziniert von dem Anblick und spontan riefen sie vom Balkon herunter: „Danke lieber Weihnachtsmann für die Geschenke“. Sie waren nunmehr überzeugt, dass auch ihre Geschenke ebenfalls vom Weihnachtsmann gebracht worden waren.

Text: Wilfried Strube, Dezember 2023

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Kurzbeschreibung

Meine erste bleibende Erinnerung war im Jahre 1944. Wir waren in Kassel ausgebombt, mein Vater war in der Pinne in der Kasseler Altstadt ums Leben gekommen und meiner Mutter und mir wurde ein Zimmer auf einem Bauernhof in Kleinalmerode / Kreis Witzenhausen zugewiesen. Im gleichen Haus wohnten meine Tante und mein Onkel mit sechs Kindern.

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