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"Vive le Roi" - auf dem Forst

Jérôme Bonaparte

Jérôme Bonaparte
Foto: @ Stadtteilzentrum Agathof e. V.

Bei meinen Recherchen zur Reihe "Tod(t) auf dem Forst" stieß ich auf die folgende Schilderung Piderits. Er beschrieb, wie angebliche Fahnenflüchtige zusammengetrieben wurden, in Bausch und Bogen zum Tode verurteil, zum Forst gebracht, um einige vom Kommandanten wahllos Ausgesuchte zu erschießen. Die Restlichen, die froh waren, ihr Leben gerettet zu haben, mussten dem Westphälischen König Jérôme vor den Leichen der Hingerichteten huldigen. Lesen Sie im Anschluss den Urtext von Piderit:

"Als im Februar 1809 die erste westphälische Division unter dem Befehle des Generals Morio nach Spanien marschirte, um dort auf die Schlachtbank geliefert zu werden, als durch die nöthig werdenden Ergänzungen des Korps die Conseription [Wehrpflicht] zur äußersten Härte gesteigert war, Stellvertreter nicht mehr oder nur mit ungeheuren Kosten aufzutreiben waren, und der Krieg fortwährend die Blüthe des Landes verschlang, da erlebte Kassel fast wöchentlich die Auftritte, an welche man nicht ohne Erbitterung zurück denken kann. Schaaren von sogenannten Refractairs (Befehlsverweigerer) wurden von den Gensd'armen eingebracht, in Bausch und Bogen zum Tode verurtheilt, zu 30 und 40 hinaus auf den Forst geführt, drei bis viere vom Adjutanten herausgezogen und vor den Augen der Kameraden erschossen, welche dann dankbar für das geschenkte Leben an den Leichnamen der Ermordeten ihr vive lo roi rufen mußten! — So greulich dieses ist, so sehr wurde doch das Gefühl gegen dergleichen Blutseenen durch häufige Wiederholung derselben wo nicht abgestumpft, doch gleichgültiger, weil sie unter den Wogen der sturmbewegten Zeit sich verloren und die Klagen der Menschlichkeit unter dem Kanonendonner verhallten. Was galt zu Napoleons Zeit ein Menschenleben? Der Mann mit eisernem Herzen hatte eine eiserne Zeit erschaffen, und sein Bruder in Kassel, der dieses eiserne Herz nicht besaß, konnte sie nicht mildern. Er mußte selbst dazu mitwirken, daß sie für die Länder, die er verwaltete, so hart als möglich wurde. Durch die Kontinentalsperre war der Handel vernichtet, aber die Abgaben mußten sich in dem Grade mehren, als die immer neue Organisirung errichteter Regimenter unverhältnißmäßige Kosten verursachte, während der leichtsinnige Hof fortfuhr, in svbaritischer Verschwendung den Augenblick zu genießen. Ein Finanzminister dieses ephemeren Königreichs zu seyn, umgeben von einem nie zu befriedigenden Raubgesindel, war gewiß die schwerste Aufgabe, welche je einem Staatsmann zu Theil geworden ist".

Urtext von Franz Carl Theodor Piderit
Urtext von Franz Carl Theodor Piderit  Foto: @ Stadtteilzentrum Agathof e. V.

Literatur

Piderit, Franz Carl Theodor: Geschichte der Haupt- und Residenzstadt Kassel, Kassel 1844, S. 383 f.

Autor und Editor: Falk Urlen

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Kurzbeschreibung

Bei meinen Recherchen zur Reihe "Tod(t) auf dem Forst" stieß ich auf die folgende Schilderung Piderits. Er schildert, wie angebliche Fahnenflüchtige zusammengetrieben wurden, in Bausch und Bogen zum Tode verurteil, zum Forst gebracht, um einige von ihnen zu derschießen. Der Rest, die froh waren, ihr Leben gerettet zu haben, mussten dem Westphälischen König Jérôme huldigen.

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