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Das Eichwaldrestaurant - als im Eichwald noch getanzt wurde

Eichwaldrestaurant von Osten aufgenommen, 1917

AK Eichwaldrestaurant nachcoloriert, 1917
Foto: K.-P. Wieddekind, Kassel

Auf der Südseite des Eichwaldes in dem Wohnhaus des ehemaligen Fasanenmeisters gab es nachweislich ab 1904 ein bei der Bettenhäuser Bevölkerung sehr beliebtes Ausflugslokal mit Terrasse. Die Schankkonzessionen haben oft gewechselt und die Bewirtung hatte Tiefen und Höhen. Höhepunkte waren in den 1950er Jahren die Tage des vom Bürgerverein Eichwald ausgerichteten Eichwaldfestes mit Musik und Tanz. Mit dem Abriss des Gebäudes in 1972 endete auch das Zeitalter von Ausflugslokalen am Rande der Großstadt, die fußläufig zu erreichen waren.

Im Jahre 1905 pachtete die Stadt Kassel den Eichwald mit dem an der Eichwaldstraße nahe dem Fischhaus gelegenen Forsthaus. Der Eichwald wurde Park für die östlichen Stadtteile (Bettenhausen wurde 1906 eingemeindet) und das alte Forsthaus wurde als Gaststätte weiter verpachtet.
Bereits zum 1. 7. 1904 übernahm Christian Nadler, Inhaber der Gaststätte „Zum hessischen Hof“ in der Leipziger Straße 151 in Bettenhausen, die Konzession von Förster Brey, der nach Berlin versetzt wurde. Ende 1906 bis Ende 1912 wurde als Wirt Gustav Görbig geführt, bevor Christian Nadler das Ausflugslokal bis ins Jahr 1915 wieder übernahm.
Die Familie Dörrbecker, zuerst Carl und danach Ludwig, führte das Lokal unter dem Namen „Zum Eichwäldchen“ bis zum 3. 10. 1934 weiter.
Im Frühjahr 1929 wurde die fehlende Wasserleitung gelegt und der auf der Südseite befindliche Hang zu einer geräumigen Terrassenanlage für ca. 600 Personen umgebaut. Auf einer in der Mitte liegende Tanzfläche konnte bei Lifemusik das Tanzbein geschwungen werden. Bei schlechtem Wetter bot ein Wirtschaftszelt den Gästen Schutz. Obwohl in diesen Jahren der Stadtomnibus schon bis zur Endstation Lindenberg fuhr und das Gartenlokal schon nach 10 Minuten zu erreichen war, wurde das Lokal von der Kasseler Bevölkerung noch zu wenig aufgesucht.
Ab 1. 10. 1934 pachtete Heinrich Goldmann das Gartenlokal. Nach dessen Tod am 30. 6. 1939 erlosch die Betriebserlaubnis, da auch die Ehefrau am 14. 6. 1939 verstorben war und Sohn Conrad die Gaststätte nicht weiter führen konnte.
Erst nach dem 2. Weltkrieg, im November 1946, übernahm Conrad Goldmann die Konzession seines verstorbenen Vaters und führte die Gaststätte bis zum 5. 8. 1952.
Während des 2. Weltkrieges wurde der Schankbetrieb eingestellt. Zwei Gasträume und die Küche wurden an eine Familie und an eine alleinstehende Frau vermietet. Conrad Goldmann suchte nach Kriegsende den Mietern eine neue Bleibe. Dies war die Voraussetzung zur Neueröffnung des Eichwaldrestaurants.

Eichwaldrestaurant 1937
AK des Eichwaldrestaurants in 1937  Foto: AK aus Sammlung K-P. Wieddekind, Kassel
Auf der Terrasse des Eichwaldrestaurants mit Spielmannszug
Eichwaldfest im Eichwaldrestaurant, 1954  Foto: Archiv Bürgerverein Gartenstadt Eichwald e. V

Die nächsten Wirte waren Herbert Könne (1952 – 1955), Rudolf Otte (1956 – 1957) und Dorothea Friedrich (1957 – 1969). Während dieser Zeit war der Gaststätte auch ein Fremdenzimmer angegliedert. In den oberen Räumen wohnte noch eine Familie und blockierte wichtige Räume, die die Wirtsleute gern zur Weitervermietung als Fremdenzimmer und/oder Eigennutzung gehabt hätten.
In den 1950er Jahren wurden im Eichwaldrestaurant die monatlichen Versammlungen des Kleintierzuchtvereins K.52 Eichwald unter dem damaligen Vorsitzenden Edwin Heß abgehalten.
Leider waren die schlechten Zugangswege zu dem bekannten Gartenlokal oftmals Hindernis für einen Besuch. So war die Zufahrt vom Fischhausweg her noch immer unbefestigt und schmal und die Eichwaldstraße hinter dem Judenfriedhof mit Schlaglöchern übersät. Aber an den Tagen des Eichwaldfestes ausgerichtet vom Bürgerverein Gartenstadt Eichwald ab dem Jahr 1951 herrschte Hochbetrieb im Eichwaldrestaurant. Hunderte von Besuchern pilgerten täglich vom Festplatz unter den Eichen hinunter zu der überfüllten Terrasse des Gartenlokals. Fröhliches Stimmengewirr und Tanzmusik hallten bis spät in der Nacht durch den Eichwald.

Ab 1969 wurde mit dem Eichwald-Restaurant "Ponderosa" die Ausflugsgaststätte einer geänderten Nutzung zugeführt: Herta Zuschlag führte das Lokal seitdem als sogenannte Ponyranch.
Doch bereits die nächste Wirtin, Gerda Gottwald, machte ab 1. 6. 1971 aus der „Ponderosa“ wieder ein Gartenrestaurant und hielt das Lokal bis zum 31. 7. 1972 offen.
Noch 1972 wurde das Eichwaldrestaurant wegen Baufälligkeit abgerissen. Eine Grillhütte wurde rechts davon gebaut und im Juni 1979 eingeweiht. Allerdings wurde sie nach wenigen Jahren wegen missbräuchlicher Nutzung wieder aufgegeben. Seitdem steht der Platz unter den Eichen leer.

Text: Klaus-Peter Wieddekind, Kassel, im Februar 2010  

Quellenachweis:

  • Konzessionsakte im Stadtarchiv Kassel
  • Kasseler Post vom 23.6.1929  

Fotos:

  • Sammlung Klaus-Peter Wieddekind, Kassel
  • Archiv Bürgerverein Gartenstadt Eichwald e. V.

Editor: Bernd Schaeffer, Januar 2012

Wo spielt dieser Beitrag?

Ort: Eichwald

Kurzbeschreibung

Auf der Südseite des Eichwaldes in dem Wohnhaus des ehemaligen Fasanenmeisters gab es nachweislich ab 1904 ein bei der Bettenhäuser Bevölkerung sehr beliebtes Ausflugslokal mit Terrasse. Die Schankkonzessionen haben oft gewechselt und die Bewirtung hatte Tiefen und Höhen. Höhepunkte waren in den 1950er Jahren die Tage des vom Bürgerverein Eichwald ausgerichteten Eichwaldfestes mit Musik und Tanz. Mit dem Abriss des Gebäudes in 1972 endete auch das Zeitalter von Ausflugslokalen am Rande der Großstadt, die fußläufig zu erreichen waren.

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