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Der „Fackelteich“ im Forst

Eine Karte des Kasseler Forst 1762

Kasseler Forst 1762
Foto: Murhard Bibliothek Kassel

Der sogenannte Forst bei Cassel, eine vor dem ehemaligen Leipziger Tor gelegene große Ebene, wie der Name schon beinhaltet, ein großer Wald, hat sich früher bis nahe an die Neustadt ( Unterneustadt ), anfänglich bis an den heutigen Platz der dt. Einheit. erstreckt. Im 14. Jh. lag auf dem Forst der Siechenhof mit Kapelle , später unterteilte man ihn in drei Zonen.

1. dem großen oder unteren Forst, der sich von der Nürnberger Landstraße ab zwischen den Gemarkungen der Dörfer Waldau und Bettenhausen bis zu dem Verbindungsweg von letzterem nach Ochshausen erstreckt. Er war ist 462 Acker groß und bis Mitte des 19. Jh. größtenteils Hute.

2. dem kleineren oder oberen Forst, der von jenem Verbindungsweg ab nach dem Lindenberg sich hinzieht, etwa 109 Acker groß und jetzt urbar gemacht.

3. dem Sauplatz, auch kleiner Forst genannt welcher etwa 33 Acker groß, westlich der Nürnberger Landstraße liegt. Auf dieser Fläche wurde mit dem erster Spatenstich am 2. März 1894 das zweite Gaswerk gebaut. Das erste Gaswerk wurde am 7.12.1850 in der Kasseler Nordstadt, Ecke Schlachthofstr. und des Seilerweges (heute Moritzstr.) in der Nähe am holländischen Tor, in Betrieb genommen.
Auf dieser Fläche entstanden auch die drei Kleingartenvereine „Fackelteich“, „Waldauer Wiesen“ und „Schwanenwiese“. In den städt. Archiven von 1812 wird der „Schatzrath von Meyer und Konsorten“ als Besitzer der Schwanenwiese genannt.

Mit dem Bau der Cassel-Waldkappeler Bahn 1877–1879 wurde die Kleingartenanlage „Fackelteich“ durch die Streckenführung von den beiden anderen Gartenvereinen getrennt. Auf dem Forst wurden namentlich drei Teiche erwähnt, der „Boppenteich“ auf dem großen Forst, der „Fackelteich“ und der Linsenteich, auf dem Gelände des Sauplatzes. Der Fackelteich muss nach einem Vermerk in der Stadtrechnung von 1513 von Stölzel, ursprünglich ein Fischteich gewesen sein. In dieser Eintragung finden wir den Hinweis, dass Bürgermeister für 6 Albus Fische verzehrten, als sie zum ersten Male auf dem Forst waren. Der „Wahlebach“ floss durch den Forst und in einer Abzweigung den sogenannten „faulen Graben“ durch den Fackelteich und den Linsenteich. Nach Austritt des „faulen Grabens“ aus dem Linsenteich wird der noch heute sichtbare Bachverlauf, als die „Linse“ bezeichnet. In der „Casselischen Teich-Rechnung“, im Jahre 1727 wird der erwähnte „Sau-Deich“, mit der Eintragung von 10 Schock „Sätzlingen“, wahrscheinlich die älteste Erwähnung des späteren Fackelteiches sein. 1764 ist in einer landgräflichen Verfügung im Rahmen einer Truppenübung vom „großen Teich“ die Rede.

In einer Aufforderung 1811 des Palastpräfekten an die Stadt Kassel für das königliche Schloss Rasen zu liefern, wird hier ausdrücklich der Ort des auszustechenden Rasen benannt. Der Rasen soll am „alten Forst“ am Fackelteich abgestochen werden. Der Name „Fackelteich“ für den bis heute eine Erklärung fehlt, findet sich auch 1822 wieder auf eine

Karte von 1902
Karte von 1902  Foto: Stadtarchiv Kassel

Holtmeyer ordnet den Teich als Anlage einer unvollendeten Parkanlage am Waldauer Fußweg ein, nach seiner Aussage war der Teich ein Fischteich, dessen Alter nicht allzu weit zurückliegt. Für die Kinder der Unterneustadt galt der „Fackelteich“ als „Kinderbrunnen“ und findet sprichwörtlich die Wendung “Du sitzest ja nicht im Fackelteiche!“, was bedeutet, dass der Aufenthalt nicht ungemütlich ist.

Der Teich ist ein längliches Rechteck mit einer nach Nordwesten vorgezogener Spitze und mit einem Damm umgeben, das lässt darauf schließen, dass er künstlich angelegt wurde und bis zum Bau des Gaswerks als städtischer Fischteich genutzt wurde. Das verdeutlicht auch eine Meldung in der hessischen Morgenzeitung vom 1. Juli 1885: „Der Fackelteich vor dem Leipziger Tor wird in diesem Jahr gereinigt. Alle drei Jahre wird bekanntlich das Schilf daselbst geschnitten.“
Durch die Koksherstellung im Gaswerk anfallende große Menge Asche entstand ein Entsorgungsproblem. Die Asche wurde mit einer Feldbahn in den Fackelteich und den umliegenden Brachflächen entsorgt. Der Teich wurde 1920 dann endgültig zugeschüttet, die damit verbundene Kontaminierung des Bodens ist ein bis heute ungelöstes Problem. Obwohl, der Teich um nördlichen Zipfel der jetzigen Gartenanlage „Fackelteich“ und „Schwanenwiese“ lag und mit Erde oberflächlich zugedeckt wurde, ist die umliegende Fläche am Wahlebach nicht unerheblich kontaminiert.

Der Fackelteich und seine Legenden
Die Geschichte mit dem Klapperstorch?
Wo stecken die kleinen Kinder, ehe sie geboren sind? Natürlich im Fackelteich. Das wussten früher alle Kasselaner. Nur in Zwehren war das anders, da holte der Storch die Babys aus Gundlachs Teich an der Wartekuppe. Dieser Aberglaube kursierte früher vor allem in Norddeutschland. Die Herkunft ist weitgehend unbekannt. Es gibt allerdings Vermutungen. So soll der Ausdruck »Der Storch hat die Mutter ins Bein gebissen« auf die mythologische Vorstellung von der Geburt aus dem Bein zurückgehen. Der Brunnen, aus dem der Storch die Kinder holen soll, ist vielleicht ein Bild für die  Vorstellung, dass sich Ungeborene im Wasser aufhalten. Der Hintergrund könnte der Glaube daran sein, dass alles Leben dem Wasser entstammt.
Hinzu kommt: „Klapperstorch“ ist ja nur eine andere Bezeichnung für den Weißstorch. Der hält sich viel am Wasser auf, er schnäbelt in Tümpeln und anderen flachen Gewässern herum.

Der Storch wiederum hält sich auch deshalb am Wasser auf, weil er dort Frösche fängt – und der Frosch galt im Mittelalter seinerseits als Fruchtbarkeitssymbol.

Klinik Dr. Koch Storchenparkplatz, 2014
Storchen-Parkplatz Klinik Dr. Koch  Foto: Erhard Schaeffer, 2014

Das Bild auf dem Parkplatz der ehemaligen  Geburtsklinik Dr. Koch in Bettenhausen, stellt wie kein anderes Beispiel die Verbindung, vom Klapperstorch und der Legende des Fackelteiches her.


Aber das ist nicht die einzigste Legende:
„Mäh sitzen hier besser wie im Fackeldiche", hieß es früher noch, und gemeint war, dass hier der Aufenthalt gemütlich und behaglicher als im Fackelteich, ist. Ein geflügeltes Wort für eine etwas abfällige Redewendungen, „da warst du noch Quark im Fackelteich“, benutzte man, um die Unwissenheit eines anderen zu dokumentieren.
Nichts ist überliefert, auch dass der Teich vielleicht zu Feuerlöschzwecken gedient hätte. Auch dass nach nächtlichen Umzügen Fackeln darin gelöscht worden seien, ist durch nichts bewiesen. Gerade aber alle diese Ungewissheiten haben gelegentlich zu Legendenbildungen geführt. So hieß es, eine Frau hätte einst ihre Kinder im Fackelteich ertränkt. Dieses Gerücht fand seine Nahrung darin, dass bis 1928 (dann wurden sie zerschlagen) einige rätselhafte Sandsteinfiguren (Frau mit Kinder) am benachbarten Waldauer Fußweg standen. Stadtarchiv Dr. Robert Friderici wusste aber schon früh, die Sache klarzustellen. Es handelte sich da um eine Rondell Anlage mit allegorischen Figuren („Mitleid", „Gerechtigkeit" u.a.) am Waldauer Fußweg. Dieser Weg war unter König Jeröme als „Damenweg" angelegt worden, weil er vorwiegend von in Kassel wohnenden Frauen der in Waldau stationierten Offiziere benutzt wurde. Ursprünglich gab es sogar drei solcher Rondelle. Das mittlere mit einer Baumgruppe erhielt in den Dreißiger Jahren ein Denkmal als Ersatz für die inzwischen von Industrieanlagen überdeckte Gedenkstätte für die auf dem Forst 1809 hingerichteten hessischen Patrioten.
Schließlich musste auch die Namensgebung der Kleingartenanlage seinen Bezeichnung aus dem Fackelteich herhalten: „weil das Schilfrohr im Teich am oberen Ende Blüten trug, die einer schwarzen Fackel ähnelten“. Aber wo genau dieser Fackelteich einst lag, wissen heute sicher nur noch wenige.

Gerhard Böttcher, Januar 2017

Editor: Erhard Schaeffer, Februar 2017


Literatur Nachweis:

  • Geschichte des Dorfes Bettenhausen von Bruno Jacob 1927
  • Bau und Kunstdenkmäler von A. Holtmeyer
  • Vortrag VHG 1896 in der Mitgliederversammlung 1897
  • HNA 1968,
  • 2012 -Pro Bettenhausen-
  • hessische Morgenzeitung von 1885
  • Zeitschrift Hessenland 1898
  • Gabor Paal SWR Rede und Antworten

Bilder und Karten:

  • Murhard Bibliothek Kassel
  • Stadtarchiv Kassel
  • Archiv Stadtteilzentrum Bettenhausen www.erinnerung im netz.de

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Kurzbeschreibung

Der sogenannte Forst bei Cassel, eine vor dem ehemaligen Leipziger Tor gelegene große Ebene, wie der Name schon beinhaltet, ein großer Wald, hat sich früher bis nahe an die Neustadt ( Unterneustadt ), anfänglich bis an den heutigen Platz der dt. Einheit. erstreckt. Im 14. Jh. lag auf dem Forst der Siechenhof mit Kapelle , später unterteilte man ihn in drei Zonen.

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